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Kardinal wird verleumdet

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Das Pikante an der Abtreibungsdebatte ist, daß sich kirchliche Amtsträger einer doppelten Angriffsfront gegenübersehen: fanatischen Fristenregelungsanhängern auf der einen Seite und innerkirchlichen sowie ÖVP-Kri-tikern auf der anderen, die immer wieder behaupten, „die Bischöfe" oder im besonderen Kardinal König hätten nie klar genug Stellung bezogen und die Abtreibungsgegner „im Stich gelassen".

Auch wenn das gewissen Eiferern ins Bild des „roten Kardinals" paßt, das sie nimmermüde zeichnen, ist es einfach nicht wahr. Eine kleine Erinnerungshilfe:

Am 10. November 1971, also vier Jahre vor Inkrafttreten der Fristenregelung, erließen die Bischöfe Österreichs eine Erklärung zur Abtreibung, die sie unzweideutig verurteilt. Am 1. Februar 1973 appellierte Kardinal Franz König in einem persönlichen Schreiben an Bundeskanzler Bruno Krei-sky, von einer Fristenregelung Abstand zu nehmen. Ein neuerlicher Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe zu diesem Thema erschien am 6. Mai 1973.

An all das erinnerte der Kardinal, als er am 31. Mai 1983 dem ehemaligen ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser das Komturkreuz des päpstlichen Gregoriusordens überreichte und für seinen „Kampf gegen die sogenannte Fristenlösung" dankte.

Ebenso wie die Behauptung, die Bischöfe hätten vor der Beschlußfassung des Parlaments geschwiegen, einfach nicht den Tatsachen entspricht, ist auch die Unterstellung ungerechtfertigt, sie hätten sich hinterher stillschweigend damit abgefunden.

Am 10. Dezember 1982 wiederholte der Wiener Erzbischof anläßlich des 120-Jahre-Jubiläums der Lazaristenkirche in Wien VII, die Katholiken könnten sich mit der Fristenregelung nicht abfinden. Auf keinen Fall könne die Tötung ungeschützten Lebens als Form der Geburtenregelung verstanden werden, und auch ein mit parlamentarischer Mehrheit gefaßter Gesetzesbeschluß könne nicht ein göttliches Gebot außer Kraft setzen. Respekt vor der Würde des menschlichen Lebens gehöre zu den „Grundrechten jeder demokratischen Gesellschaftsordnung".

Am 27. April 1983 appellierte Kardinal König an die Abgeordneten des Nationalrats, gemeinsam und über Parteigrenzen hinweg eine bessere Lösung zur Verhinderung von Abtreibungen zu finden, die dem Geist der Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen müsse. „Ich rufe die Abgeordneten auf, einen Schlußstrich unter die Auseinandersetzungen der Vergangenheit zu ziehen und j einen neuen Anfang zu setzen." Die Kirche sei Anwalt des menschlichen Lebens, das „prinzipiell unantastbar ist".

Die damalige Bitte des Kardinals, daß kompetente Vertreter von SPÖ, ÖVP und FPÖ zusammen mit der überkonfessionellen und überparteilichen „Aktion Leben" einen Ausschuß bilden sollten, der „Bausteine für eine Neuregelung" zu sammeln hätte, verhallte ungehört wie viele andere.

„Die verantwortlichen Kräfte im Land müssen endlich zusammenarbeiten, damit die Abtreibungszahl zurückgeht", verlangte Kardinal König neuerlich am 24. Februar 1984, also Wochen vor der jüngsten Aufheizung der Stimmung durch Extremisten. „Ich trete dafür ein, daß die Abtreibungsfrage endlich aus dem Parteienstreit herausgenommen wird ... Es geht darum, den Frauen und den ungeborenen Kindern zu helfen."

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