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Karriere...

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Noch unlängst war ich ein recht unbekannter und daher auch bloß recht mäßig honorierter Nebenerwerbs-Satiriker. Heute freilich - na, ja, Sie kennen mich ja.

Alles änderte sich mit und durch Tante Idas Testament. Sie, die Segensreiche, bedachte mich, den Mittelarmen, mit einer respektablen Summe, und segnete, rundum rechtzeitig, das Zeitliche. Dankbar, kurz und gut erwies ich Tante Ida die erforderliche Ehre. Dann betrachtete ich das hinterlassene Bare sowie mein bisheriges Tun, meinen spärlichen Erfolg und den schandbaren der Konkurrenz.

Ich verordnete mir eine ganze Woche massenmedialer Meditation, dann stand der Plan. Ich war Tante Ida einiges schuldig. So startete ich

meine höchstpersönliche Kampagne - mit einer ausgeklügelten, aller-dingsauchnur einzigen Aktion. Für mehr reichte Tante Idas Großzügigkeit leider nicht. Am Wochenende erschien in einer bei Literaturkennern kaum, bei Lesern jedoch umso mehr geschätzten Tageszeitung meine Anzeige: ganzseitig, gleich hinter dem Kochrezept der Woche und vor der Sportvorschau, also genau dort, wo es am günstigsten und am teuersten ist. In der Mitte des zeitungsweißen Feldes prangten fett und breit die Lettern meiner Karrierebotschaft: „Mir reicht's!“, darunter, kaum weniger auffällig: „Gero F.“ Am Fuße der Anzeige konnte man lesen, daß Zu- und Abschriften an den Verlag zu richten wären, nebst den erforderlichen Angaben, wie dies zu tun sei.

Das war's auch schon. Mehr hatte ich mir nicht ausgedacht, und mehr war auch gar nicht nötig. Was dann kam, haben sie sicherlich alle mitbekommen. Oder doch nicht?

Es begann mit einer Springflut von Leserbriefen. „Wie recht Sie haben“, schrieb mir eine reife Dame aus K., „und wie gut, daß es endlich einmal jemand ausspricht!“ Studienrat L. aus Groß-E. lobte meinen knappen Stil, der so recht zur kompakten Aussage paßte. Eine ganze Legion von recht jugendlichen Postkartenschreibern schloß sich mit einem flotten „Mir auch!“, einige engagierte Freizeitklubs mit einem nicht minder markigen „Uns auch!“ meiner plakativen Vorgabe an. Freilich wurde auch reichlich Kritik angeschwemmt. Man vermutete eine ferngesteuerte Strategie extremer außerparlamentarischer Gruppen, ersatzweise eine perfide Taktik zur Entfernung von jeweiligen Parteivorsitzenden.

Universitätsprofessor (von) C. von der Hochschule für allgemeine Wissenschaften verfaßte ein mehrseitiges Gutachten und kam zum präzisen Schluß, daß man es sich„so einfach doch nicht machen könne!“ Schließlich meldete sich ein landesweit gefürchteter Tugendwächter zu Wort und verkündete der erstaunten Zeitungsöffentlichkeit, daß nun mehr der „Brunnen voll wäre“ und es somit gälte, „den Anfängen zu wehren“.

Die erste Welle der Reaktionen war noch nicht ausgeschwungen, da rollte schon die zweite heran und

geriet, allen bekannten physikalischen Gesetzen durchaus gehorchend, zum Brecher. Die Zustim-mer wurden heftig kritisiert, die Widersprecher nicht minder. „So einfach könne es sich doch der Herr Professor nicht machen“, und was der notorische Tugendbold im rechten Sinn hätte, „das wisse man schon lange“. Daß Frau I. aus K. einem so pauschalen „Mir reicht's“ zustimmen würde, das hätte man doch voraussehen können, schrieb Frau J. aus F. bei K., wo sie doch eine stadtbekannte Nörglerin sei, der man aber auch gar nichts recht machen könnte.

Natürlich schaukelte sich auch der politische Disput auf und alsbald forderten Radikale auf der einen Seite die sofortige strenge Bestrafung des „aufwieglerischen Rädelsführers Gero F.“ und die auf der anderen die Errichtung eines, selbstverständlich öffentlich gespeisten Solidaritätsfonds „Freiheit für Gero F.“

Das ging eine ganze Weile munter weiter, bis ich eines Tages dann wieder aus den Schlagzeilen und den Leserbriefen verschwand, weil man irgendeinem Politiker auf neue Schliche gekommen war oder die Heirat eines professionellen Ping-Pongspielers mit einer adeligen Fernsehansagerin ins Haus stand.

Was blieb, war mein Name, und der war in der Zwischenzeit öffentlich geworden. Natürlich kannte mich kein Mensch, und niemand hatte je auch nur eines meiner bedeutenden Werke zu Gesicht bekommen, aber als ich das nächstemal ein Manuskript bei dem Verlag einreichte, der schon so oft bedauerte, hatte ich einen fetten Vorschuß schon in der Tasche, bevor ich noch bis zum zweiten stellvertretenden Lektor vorgedrungen war.

Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, das einzige, was ein Schriftsteller für einen Erfolg wirklich braucht, ist ein zündender Einfall. Wummmmmmm!!

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