7211939-1992_34_04.jpg
Digital In Arbeit

Katastrophe des Jahrhunderts

Werbung
Werbung
Werbung

Mit Hilfsgütern beladene Lkw wurden beschossen, als sie die Frontlinie zwischen den Bürgerkriegsparteien überqueren wollten. Das geschah in Mogadischu, der Hauptstadt Somalias. In der Hafenstadt Kismayn stahlen Plünderer 250 Tonnen Nahrungsmittel. Die UNO will die Kontrolle über den Hafen Mogadischu. 500 UN-Soldaten sollen die Transporte überwachen.

Zu den Greuelmeldungen vom Krieg in Bosnien-Herzegowina kommen jetzt die Berichte von der Katastrophe am Horn von Afrika und im Nordosten des afrikanischen Kontinents. In unserer an traurigen Rekorden nicht armen Zeit wird von der Hungerkatastrophe des Jahrhunderts gesprochen, einer Katastrophe, die vorhersehbar war.

Bereits im März war es in Harare, der Hauptstadt Zimbab-wes zu ersten Hungerrevolten gekommen, und schon Anfang Mai sorgten sich UNO-Verant-wortliche, daß die Hilfe zu langsam anlaufe. In Äthiopien, Somalia, Kenia und im Sudan seien 20 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht, hieß es damals.

Eine verhängnisvolle Dürre ließ die Brunnen versiegen, die Ernten verdorrten und das Vieh verdurstete. Schon im Frühjahr hatte der große Mais-Exporteur Südafrika seine Exporte zurückgehalten und damit die Krise in den Nachbarländern noch verschärft. Jetzt, im afrikani-

schen Winter, treibt sie ihrem Höhepunkt zu.

Verschärft wird die Situation durch Wanderbewegungen der betroffenen Stämme und durch Schwierigkeiten bei der Verteilung der Hilfsgüter. In Bürgerkriegsgebieten, wie Somalia oder Mozambique, kommt es zudem immer wieder zu großangelegten Raubzügen, bei denen angelieferte Nahrungsmittel mit Waffengewalt in Besitz genommen werden.

Die Katastrophe betrifft Länder, die außerdem noch in einem politischen Umbruchprozeß sind, wie Südafrika, Sambia oder Tansania. In Sambia hat Präsident Frederick Chiluba sein gesamtes Land zum Katastrophengebiet erklärt.

Über die Ursache der Jahrhundert-Katastrophe rätseln die Wissenschaftler: Ist es „El Nino", ein warmer Ozean-Strom im Ost-Pazifik, der die Gesetzmäßigkeit der Regenfälle stört? Ist es die immer wieder als Erklärung für derartige Phänomene herangezogene Erderwärmung durch Umweltverschmutzung?

Kritische Stimmen haben auch immer davor gewarnt, den Anbau von einheimischen Pflanzen zugunsten des anfälligeren Mais allzu sehr einzuschränken. Aber gerade in Entwicklungsländern gelten in der Landwirtschaft oft Faktoren, die von außen bestimmt werden. Das Diktat des Weltwährungsfonds zum Beispiel kann dann zur Katastrophe mit beitragen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung