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Katholische Mäßigung

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Es wird zuweilen angenommen, daß der Konflikt in Nordirland lediglich auf dem ausgeprägten Gegen^ satz zwischen den Protestanten auf der einen und den Katholiken auf der anderen Seite beruhe, wobei die Mitglieder den IRA dte. Rolle katholischer Freiheitskämpfer spielten. In Wirklichkeit ist es natürlich bei weitem nicht so einfach; wäre es das, so könnte die Osterbotschaft Papst Pauls VI., in der er dazu aufrief, von der Gewalt abzulassen, und ausdrücklich die Vorschläge der britischen Regierung empfahl, bald zu einer friedlichen Regelung der Schwierigkeiten führen, die Irland seit so langer Zeit heimsuchen.

Diese Intervention von Seiten des Papstes kommt den IRA-Provisio-nals aber offenbar ungelegen, und ihre Kritik ist mit ehrerbietigen — für eine extremistische Organisation ziemlich ungewöhnlichen — Redewendungen verbrämt. Sie sagen, sie bedauerten es, daß der Papst so schlecht informiert sei, daß er glaube, annehmen zu können, durch die neue Politik der britischen Regierung ließe sich eine endgültige Beilegung des jahrhundertealten Konfliktes zwischen Irland und Großbritannien herbeiführen. Sie heben ihre nationalistischen und patriotischen Anliegen stärker hervor als ihre religiösen, wenn sie sagen, daß der Konflikt in Englands arrogantem, mehr als 800 Jahre lang aufrechterhaltenen Anspruch auf die Oberhoheit über Irland wurzle. Sie nutzen die Gelegenheit, um ihre Propagan-

da gegen das Verhalten der britischen Truppen und die Art, wie sie Katholiken in Nordirland behandelten, zu verstärken, und sie fragen: „Kann uns Seine Heiligkeit angesichts solcher Unterdrückung das Recht auf Widerstand absprechen?“ Diese Frage hat etwas Provokatorisches. Selbst wenn sich die Soldaten der britischen Armee wie Engel und nicht wie Menschen verhalten hätten, würde die IRA versuchen, sie zu diffamieren. So veröffentlichte der „Daily Telegraph“ eine Analyse der Praktiken der IRA und ihrer Methode, Beweismaterial zu fälschen.

Die Verurteilung der Gewalt und die Empfehlung der britischen Vor-

schläge sind die bisher wohl nachdrücklichsten und eindeutigsten Stellungnahmen des Papstes zum Nordirland-Problem. Seine Worte entsprechen wiederholten Äußerungen hoher katholischer Würdenträger in Irland selber. Kardinal Conway, Primas von ganz Irland, hat die IRA vom Beginn der derzeitigen Unruhen an verurteilt. Vor einem Jahr warf er der IRA vor, sie ignoriere die Forderungen der nordirischen Katholiken nach Frieden. In ähnlicher Weise hat sich der katholische Primas in Großbritannien, Kardinal Heenan, selbst ein Ire, anerkennend über die britischen Versuche, zu einer Regelung zu gelangen, ausgesprochen.

Man kann nur hoffen, daß diesen Aufrufen von katholischer Seite jetzt mehr Erfolg beschieden sein wird, als es bisher der Fall war. Es besteht in der Tat eine Chance, denn es scheint ein Trend zur Mäßigung in der Luft zu liegen. Ein Anzeichen dafür war die am 26. April erfolgte Bekanntgabe, daß sich drei prominente Politiker zum Eintritt in die eine mittlere Linie haltende Allianzpartei entschlossen hätten. Die drei Männer sind Protestanten, und zwei von ihnen sind ehemalige Mitglieder der von Protestanten dominierten Unionspartei. Die Allianzpartei, der sie nun beigetreten sind, hat durchaus keinen sektiererischen Charakter und sucht Katholiken wie Protestanten als Mitglieder zu gewinnen. Hie-bei enthüllt sich eine neue Spaltung der einst allmächtigen Unionspartei. Sie ist nunmehr gespalten in Rechtsextremisten, die wiederum untereinander uneins sind, und in die Gemäßigten, die jetzt zum Teil zur nichtsektiererischen Allianzpartei übergegangen sind, so daß ein Restbestand rechts der Mitte zurückblieb. Dieser Zerfall der Unionspartei, die fünfzig Jahre lang die Geschicke Ulsters lenkte und die sehr viel Schuld an der Verbitterung der Katholiken trägt, könnte die für eine friedliche Regelung erforderlichen Veränderungen herbeiführen. Es liegt natürlich eine gewisse Gefahr in der Desintegration altetablierter Institutionen und im Fehlen einer starken, beherrschenden politischen Kraft, wie sie die Unionspartei einst darstellte. Doch im Falle Nordirlands, wo Gemeinschaftspolitik und eine gemeinsame Teilhabe von Katholiken und Protestanten an der Macht dringende Notwendigkeiten sind, lassen die gegenwärtigen Trends ein wenig Hoffnung auf jene „wirkliche Versöhnung“ aufkommen, die Papst Paul VI. empfohlen hat.

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