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Katholische Schule - heute

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Das Verschwinden der katholischen Schule würde „einen unermeßlichen Verlust für die Kultur, für den Menschen und für seine natürliche und übernatürliche Bestimmung darstellen“, heißt es in einem Dokument, das die vatikanische Kongregation für das katholische Bildungswesen veröffentlicht hat. Das Papier ist wohl merkbar durch die besondere Lage in Italien beeinflußt, wo der „stille Marsch“ der Kommunisten durch die Institutionen, überall dort, wo sie in Gemeinden oder Regionen an der Macht sind, deutlich auf eine Vernichtung des kirchlichen Bildungswesens zielt. Aber auch für Österreich, wo keine konfessionelle Schule von Schließung, kein kirchlicher Kindergarten vom Aushungern bedroht ist, hat dieses Dokument große Bedeutung. Für den Staat wie für die Kirche wie für alle, die am Bildungswesen beteiligt sind.

Jahrhunderte hindurch hat die Kirche den größten Teil der Bildungsaufgaben getragen. Heute hat der Staat diese Pflicht übernommen - hat er die Kirche damit abgelöst? Sind ihre Bemühungen nicht überflüssig geworden? Jahrzehnte hindurch vergiftete der Streit um diese Frage, um den Al- leinbestimmungsanspruch im Schulwesen, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, nicht nur in Österreich. Noch kurz nach Ende des letzten Krieges erregte ein Hirtenbrief Aufsehen, der katholische Eltern im Gewissen verpflichtete, ihre Kinder in katholische Privatschulen zu schicken.

Diese Zeiten sind vorbei. Um in der Auseinandersetzung mit dem Kulturpluralismus unserer Zeit die Erreichung ihrer Ziele zu gewährleisten, heißt es in dem Dokument, setze sich die Kirche für den Grundsatz des Schulpluralismus ein, für das Nebeneinander, womöglith für die Zusammenarbeit der verschiedenen Schulsysteme. Denn im kulturellen Pluralismus der heutigen Zeit erkenne die Kirche das dringende Bedürfnis nach der Präsenz des christlichen Gedankengutes. Der kulturelle Pluralismus dränge die Kirche, ihre erzieherischen Anstrengungen zu steigern, um selbständige und verantwortungsbewußte Persönlichkeiten heranzubilden, die dem lähmenden Relativismus widerstehen und gemäß den Anforderungen ihres Taufgelöbnisses leben können.

In Österreich ist diese angestrebte Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Schulwesen weitgehend und in den meisten Fällen befriedigend erreicht. In Erfüllung der Konkordatsvereinbarungen übernimmt der Staat die Personalkosten der Lehrstäbe und anerkennt damit, daß die Privatschulen schon rein quantitativ einen wichtigen Teil des Gesamterziehungswesens bilden. Wären sie nicht da, müßte der Staat für rund 50.000 Jugendliche zusätzlichen Schulraum schaffen. Die Privatschulen ihrerseits sind in die Gesamtplanung integriert, erfüllen die staatlichen Anforderungen an die Qualität des Lehrangebotes und bemühen sich um eigenständige Ergänzungen. Der starke Zustrom zu diesen Anstalten, weit über die gegebenen Kapazitäten hinaus, beweist, daß auch die Eltern die Bedeutung einer „ganzheitlichen Erziehung … aus der christlichen Schau der Wirklichkeit“ schätzen.

Und trotzdem bleiben noch manche Wünsche offen. Manche Bildungspolitiker der Regierungspartei anerkennen zwar die Existenz der Privatschulen, aber als Hypothek eines völkerrechtlichen Vertrags, nicht als notwendigen Bestandteil des österreichischen Bildungswesens. Hier wäre Durch Jahrhunderte mußte die Kirche mit der Bildungs- auch die Sozialfunktion der Schule berücksichtigen. In diesem Punkt ist der Staat an ihre Stelle getreten, sie kann sich anderen Zielen zuwenden. Der Begriff „Eliten- bildung“ ist unbeliebt geworden. Sprechen wir lieber vom verbesserten Bildungsangebot für jene Jugendlichen, die imstande sind, mehr zu lernen, mehr zu leisten, später mehr Verantwortung zu tragen. Sprechen wir von der Förderung der Hochbegabten, egal aus welcher Bevölkerungsschicht sie kommen. Wer kann für sie sorgen, ihrem Recht auf Bildung entsprechen, wenn die allgemeine Schule zwangsweise auf einem Durchschnittsniveau gehalten werden muß? Im Privat- schulbereich haben bereits etliche Anstalten diese Aufgabe erkannt.

Daß Eltern, die ihre Kinder in Privatschulen schicken, schwere Opfer auf sich nehmen müssen, sei hier nur am Rand erwähnt. Daß sie ihre Stimme erheben, um vom Staat eine wenigstens teilweise Übernahme dieser Lasten - über die Lehrerkosten hinaus - zu fordern, ist ihr gutes Recht.

So sehr sich die einzelnen Schulen bemühen, mit der Entwicklung Schritt zu halten, so sehr fehlt das für alle gemeinsame strategische Konzept, die aus der christlichen Schau zu gebende Antwort auf alle Fragen, die die durchgreifende Veränderung unseres gesamten Schulwesens stellt. Das Dokument fordert die Bischofskonferenzen auf, einen Bildungsplan für die verschiedenen Stufen der Erziehung ausarbeiten zu lassen, der die Forderung nach einer Gesamtbildung der jungen Menschen verwirklicht. Die katholische Schule müsse dem jungen Menschen die Synthese zum Glauben und Leben vermitteln, sie müsse ihm helfen, den Individualismus zu überwinden und im Licht des Glaubens zu entdecken, daß sie berufen sind, sich von Zusammengehörigkeitsgefühl mit den anderen Menschen leiten zu lassen.

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