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Kaugummi statt Zigarette

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Schon „Passivrauchen" ist lebensgefährlich, wurde jüngst in Schweden festgestellt. Umso mehr sollten „Aktivraucher" bestrebt sein, sich ihre Sucht abzugewöhnen.

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Schon „Passivrauchen" ist lebensgefährlich, wurde jüngst in Schweden festgestellt. Umso mehr sollten „Aktivraucher" bestrebt sein, sich ihre Sucht abzugewöhnen.

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Nikotinkaugummi statt Zigarette — mit dieser Form der Rauchertherapie ist es in den vergangenen drei Jahren schon so manchem Österreicher gelungen, seinen Tabakkonsum völlig einzustellen. Das rezeptpflichtige Präparat, das 1982 in Österreich eingeführt worden ist, zeigte bisher große Erfolge: Nur bei neun Prozent der Raucher, die den Nikotinkaugummi verwendeten, half die Entwöhnungskur nichts, während diejenigen, die ihn nicht nahmen, zu 22 Prozent rückfällig wurden.

Wie der Wiener Sozialmediziner Michael Kunze vor kurzem in

Wien erklärte, kann der Kaugummi jedoch nur bei solchen Patienten erfolgreich angewendet werden, die vom Nikotin selbst abhängig sind, also bei starken Rauchern (über 20 Zigaretten täglich). Jene, denen der Griff zur Zigarette nur liebe Gewohnheit oder bloßen Genuß beziehungsweise Entspannung bedeutet, müssen sich weithin mit anderen Formen der Entwöhnung behel-fen.

Wie sieht nun die Kaugummi-Therapie aus? Zu Beginn erhält der Raucher drei bis sechs Stück des Medikaments pro Tag, von denen jedes etwa zwei Milligramm Nikotin enthält. Diese tägliche Menge wird mit der Fortdauer der Behandlung reduziert, bis der Patient schließlich kein Nikotin mehr braucht.

Der Vorteil dieser Methode ist, daß körperliche Entzugserscheinungen wie Nervosität oder Schlafstörungen, die mit dem plötzlichen Aufhören des Rauchens verbunden sein können, ausgeschaltet werden und der Betroffene sich auf die Änderung seiner Lebensgewohnheiten und das Erlernen alternativer Handlungsweisen konzentrieren kann. Kunze verweist in diesem Zusammenhang auf die guten Erfolge mit der Psychotherapie, die zusätzlich zum Kaugummi angewendet wird. Die Kombination dieser Verfahren ließ die Erfolgsquote, also die Zahl derjenigen Raucher, die völlig abstinent wurden, auf 45 Prozent steigen.

Wie wichtig die Raucherentwöhnung in Österreich geworden ist, beweist die Statistik. Allein von 1981 bis 1984 nahm der Anteil der Tabakkonsumenten an der Bevölkerung um dreißig (!) Prozent zu. Das heißt in Zahlen: Rund 1,6 Millionen Menschen greifen hierzulande regelmäßig zur Zigarette. Zum größeren Teil sind es Männer, doch es fällt auf, daß im-

mer mehr Frauen, vor allem aber nicht erwerbstätige Hausfrauen, es ihnen gleichtun.

Dennoch sind mehr als die Hälfte der heimischen Raucher, nämlich 60 Prozent, mit ihrem Verhalten nicht zufrieden. Diesen sogenannten „dissonanten Rauchern" will man mit geeigneten Entwöhnungstherapien helfen.

Der Sozialmediziner streicht vor allem auch die gesundheitlichen Schäden jeder Art von Tabakkonsum hervor. Besonders dramatisch ist die Situation bei Herzinfarktpatienten. Es zeigte sich, daß unter 200 Patienten, die vor dem 45. Lebensjahr einen Infarkt erlitten, nur zwei Nichtraucher waren. Von 47 Infarktpatienten unter 40 Jahren waren alle mit einer Ausnahme starke Raucher.

„Das Infarktrisiko bei Männern zwischen 40 und 55 Jahren ist in Österreich besonders groß", betont Kunze. „Es muß deshalb ein nationales Anliegen sein, das Rauchen, das neben erhöhtem Blutdruck und hohem Cholesterinspiegel zu den häufigsten Ursachen für diese Herzkrankheit zählt, drastisch zu bekämpfen." Der Experte erklärt weiter: „Es ist die Aufgabe eines jeden Arztes, einen Patienten, der an Beschwerden leidet, die direkt oder indirekt mit seinem Tabakkonsum zusammenhängen, zu einer Raucherentwöhnung zu verpflichten."

In Österreich können sich alle, die den Griff zur Zigarette für immer bleiben lassen möchten, bei einer der derzeit 21 Raucherberatungsstellen, bei ihrem Arzt oder im Krankenhaus einer Entwöhnungskur unterziehen.

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