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Kaum Hilfe für die Armen

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Im internationalen Vergleich stehen wir gar nicht so schlecht da. Aber wer näher hinschaut, erkennt, daß unsere Entwicklungshilfe vor allem uns statt den Armen der 3. Welt hilft.

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Im internationalen Vergleich stehen wir gar nicht so schlecht da. Aber wer näher hinschaut, erkennt, daß unsere Entwicklungshilfe vor allem uns statt den Armen der 3. Welt hilft.

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In der FURCHE Nr. 9/83 schrieb Staatssekretär Ferdinand Lacina, daß „infolge der internationalen Wirtschaftskrise in den letzten Jahren die öffentliche Entwicklungshilfe der Industriestaaten insgesamt stagnierte“. Jetzt gelte es umso mehr, „das nach einem langen Anlauf Erreichte zu sichern und die Zeit bis 1990 nicht ungenützt verstreichen (zu) lassen.“

Die österreichische Entwicklungshilfe, vor allem aber der Teil, der aus Budgetmitteln finanziert wird, sollte im Jahre 1984 noch entscheidend erhöht werden, um bis 1990 das internationale Ziel für die öffentliche Entwicklungshilfe erreichen zu können: 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts !

Wie sieht nun nach diesen Bekenntnissen der Budgetansatz 1984 für die österreichische Entwicklungshilfe aus? Kurz gesagt: Trotz dringender Empfehlungen von seiten der Entwicklungshilfeverwaltung fand die Erhöhung der Budgetmittel um 800 Millionen Schilling nicht statt.

Innerhalb der unveränderten Gesamtsumme in der Höhe von 1,45 Milliarden Schilling sind allerdings leichte Verschiebungen zu hemerken: Erfreulicherweise wurde der Beitrag für das größte Organ der Projekthilfe der Vereinten Nationen, das Entwicklungsprogramm der UNO (UNDP) um 15 Prozent auf 135,6 Millionen Schilling weiter erhöht.

Ebenso gesteigert wurden die Beiträge an die internationalen Finanzinstitutionen, und zwar auf 636,6 Millionen Schilling. Dazu gehören z. B. die internationale Entwicklungsagentur (IDA), eine Tochterorganisation der Weltbank, die sehr günstige Kredite an Länder der Dritten Welt vergibt, die Asiatische Entwicklungsbank und der Afrikanische Entwicklungsfonds.

Im Bereich der bilateralen Entwicklungshilfe, also der Abkommen, die von Staat zu Staat geschlossen werden, sind die Projektförderung und die bilateralen Kredite aus Budgetmitteln jedoch gleichgeblieben. Das bedeutet, daß also 210 Millionen Schilling für Projektförderung und 145 Millionen für Kredite in ärmeren Ländern bereitgestellt werden.

Gerade das sind aber die Ansätze innerhalb der bilateralen Hilfe, die am ehesten den Ländern der Dritten Welt direkt zugute kommen.

Soviel zum Budgetansatz: Wie sieht nun der Hintergrund der gesamten österreichischen Entwicklungshilfe aus, von der ja nur ein kleiner Teil aus Budgetmitteln kommt? Was hat es mit der Qualität des von Staatssekretär Lacina so sehr gepriesenen „nach einem langen Anlauf Erreichten“ auf sich?

Österreich hat im Verlauf der letzten Jahre tatsächlich seine Entwicklungshilfe stark gesteigert: von 1,69 Milliarden Schilling im Jahr 1979 auf 6,04 im Jahre 1982. Dadurch stieg auch der Anteil der österreichischen Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt von 0,19 Prozent im Jahre 1979 auf 0,53 Prozent im Jahre 1982. Damit liegt unser Land über dem Durchschnitt der westlichen Geberländer.

Die Begeisterung über diese Großzügigkeit schwindet allerdings, wenn man sich die Zusammensetzung der österreichischen

Entwicklungshilfe näher ansieht. Von den sechs Milliarden im Jahre 1982 entfielen rund zwei Drittel, nämlich 3,97 Milliarden, auf Exportkredite, die auf dem Kapitalmarkt aufgebracht, staatlich gestützt und garantiert werden und zum Teil an private österreichische Unternehmen, zum Teil an die verstaatlichte Industrie und verstaatlichte Banken vergeben werden.

Zwei Drittel der staatlichen Entwicklungshilfe werden also zur Ausweitung der Absatzmöglichkeiten Österreichs in der Dritten Welt verwendet — für Waren also, deren Wert für die Armen in diesen Ländern zumindest umstritten ist.

Dieser enorm hohe Anteil an Exportkrediten macht es bis jetzt unmöglich, die zur Verfügung stehenden Mittel so einzusetzen, wie es den Zielen des österreichischen Entwicklungshilfekonzeptes entspricht: vorrangige Unterstützung von Ländern, in denen die

Menschen- und Freiheitsrechte respektiert werden und in denen eine Politik der sozialen Gerechtigkeit verfolgt wird.

Die Konzentration auf die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse, die Bekämpfung von Hunger und Armut, die Unterstützung von benachteiligten Bevölkerungsschichten und benachteiligten Regionen, die Entfaltung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes geben den Rahmen für die sachliche Schwerpunktsetzung ab. ,

Geographisch soll die Visterrei- chische Entwicklungspolitik vor allem afrikanische Länder, und hier wieder die Sahelzone und einige Länder des östlichen und südlichen Afrika unterstützen. Ein neuer Schwerpunkt in Lateinamerika ist Nikaragua. Verstärkt sollen die Anliegen der am wenigsten entwickelten Länder wahrgenommen werden.

Diese schöne Theorie sieht in Wirklichkeit leider ganz anders aus. Die meisten Mittel gehen in Länder, die eine Politik der raschen Wachstumssteigerung betreiben und außerdem oft schon an der Schwelle zur Industrialisierung stehen; und die Mittel sind auch nicht für Projekte der Basisentwicklung bestimmt.

Ein weiterer bestürzender Nachteil der Exportkredite liegt darin, daß die Bedingungen so hart sind, daß die österreichische Entwicklungshilfe insgesamt, vom Standpunkt ihrer Qualität her gesehen, an letzter Stelle unter den westlichen Staaten steht! Auch sonst fällt der Vergleich mit den Ländern des Westens nicht so gut aus, da Österreich das einzige Land ist, das Exportkredite in die Berechnung hineinnimmt...

Die Budgetrede vom 19. Oktober hat viele Wünsche zum Teil abschlägig beschieden. Die Budgetmittel wurden nicht erhöht. Die Organisation der österreichischen Entwicklungshilfe wird allerdings auf neue Beine gestellt werden.

Mit einem Entwicklungshilfefonds sollen die Entwicklungszusammenarbeit besser koordiniert und aus öffentlichen Mitteln Zuschüsse und langfristige Kredite vergeben werden. Dieser Entwicklungsfonds soll allerdings nicht nur den wichtigen Anliegen der Entwicklungshilfe Rechnung tragen, sondern soll „auch der österreichischen Wirtschaft den Zutritt zu den Hoffnungsmärkten erleichtern“.

Nach dieser Erklärung drängt sich die Frage auf, ob damit die erneute starke Einbindung der Exportkredite in die österreichische Entwicklungspolitik nicht unwiderruflich abgesegnet wird.

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