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Kaum kalkulierbar

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Die geplante Einführung der Mehrwertsteuer in Österreich mit Jahresbeginn 1973 wird auch zu einer Verteuerung aller Energien führen — das ist die Konsequenz, aus Gesprächen mit Vertretern der österreichischen Energiewirtschaft. Obwohl alle Branchen verschiedene Sorgen haben, sind sie sich darüber einig, daß die Konsumenten und auch die Industrie mit zum Teü massiven Erhöhunigen der Abgabepreise rechnen müssen.

Obwohl man bei der österreichischen Mineralölverwaltungs AG, der ÖMV, der Ansicht ist, daß der Einführungstermin rein technisch und auch administrativ zu bewältigen sei, sieht man der Steuerumistellung nicht ohne Sorge entgegen. Denn gerade in der Mineralölibnanche ist es äußerst schwierig, die Vorsteuerbelastung der einzelnen Produkte zu berechnen. Da aber Mineralölprodukte unter den vollen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent fallen werden, Ist die Höhe des Entlastungssatzes entscheidend für die Kalkulation der Abgabepreise. In einer Raffinerie ist die Kalkulation für die einzelnen Komponenten eines Produktes ohnehin sehr schwierig, eine mehrwertsteuergerechte Kalkulation scheint also fast unmöglich.

Noch ein zweiter Punkt wird den Verbraucherpreis belasten: der bisher gültige Tankstellenerlaß des Handelsministeriums, der drei Viertel des Tankstellenumsatzes unter den ermäßigten Umsatzsteuersatz fallen ließ, muß mit Einführung der

Mehrwertsteuer aufgehoben werden. Damit wird aber die Mehrwertsteuer auch die Tankstellenhalter, um deren finanzielle Basis es so nicht zum besten steht, entscheidend belasten.

Und schließlich wird auch die Bundesmineralölsteuer, die die Gesellschaften an den Staat zahlen, unter die volle Last der Mehrwertsteuer fallen und damit dös Budget der Großfinmem weiter schmälern.

So gesehen, könnte die im Parlament geäußerte Vermutung, die Treibstoffpreise würden nach Einführung der Mehrwerteteuer um etwa 55 Groschen steigen, gar nicht so falsch sein, formulierte ein Vorstandsdirektor.

Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen klagen hingegen über die, ihrer Meinung nach völlig falsche Einführung einer Investitionssteuer. Diese Steuer soll, nach dem Willen des Finanzministeriums, fünf Jahre lang mit fallenden Sätzen eingehoben werden, um die steuerliche Entlastung der am 1. Jänner 1973 vorhandenen Vorräte finanzieren zu können. Diese Steuer würde aber Vorgänge belasten, die bisher unter keine Steuer gefallen sind, und damit auch nicht in den Kalkulationen der Gesellschaften enthalten waren.

Die für Juni zugestandene vier-zeihnprozentige Strompreiserhöhung wird durch Lohnerhöhungen und eben die Investitionssteuer bereits wieder aufgefressen werden, meinen die Gesellschaften übereinstimmend. Daau kommt noch, daß die Vorsteueribelastuwg der Gesellschaften meist unter zwei Prozent liegt, und damit ouch der halbe Mehrwertsteuersatz teurer sein wird, als die bisherige Umsatzsteuer.

Die wichtigsten österreichischen Gasgesellschaften haben sich bereits scharf gegen die Belastung mit der ermäßigten, achtprozentigen Mehrwertsteuer ausgesprochen, da sie bisher von der Umsatzsteuer befreit waren. Eine Erhöhung der Gaspreise sei die unausbleibliche Folge einer derartigen Mehrbelastung, teilten sie in einer Stellungnahme mit.

Alle Unternehmen, und nicht nur jene der Energiewintsebaift, haben aber eine gemeinsame Sorge: Die Einführung der Mehrwertstauer wird eine Preiswelle ungeahnten Ausmaßes auslösen. Nun wird es aber äußerst schwierig sein, in der paritätischen Kommission oder in den zuständigen amtlichen Preiskommissionen mit Anträgen durchzukommen, da diese Gremien nicht nur überlastet sein werden, sondern auch die Regierung einen verzweifelten, hinhaltenden Kampf gegen den Preisauftrieb führen wird. Daß dabei so entscheidende Preisanträge wie die der Energielieferanten als erste auf der Strecke bleiben werden, scheint klar. Für den Konsumenten ist dies sicher nicht unangenehm, aber die Vorstände der Gesellschaften fürchten eine arge Verschlechterung ihrer Geschäftsergebnisse und damit auch eine Kürzung ihrer Investitionen.

Volksschulen — oft neu erbaut und madernst eingerichtet — stehen halb leer, während die unteren Klassen überfüllt sind. Das Niveau der zweiten Züge ist unerträglich schlecht, da ja ein Gutteil der Schüler nur „über höhere Weisung“ hauptschuireif ist und — wenn nicht gar in die Sonderschule (einst Hilfsschule) — so doch in die aufgelassene Zwischenstufe gehörte. Dennoch soll nun mit diesen Schülern — oft in viel zu großen Klassen — im wesentlichen der Lehrstoff auch des ersten Zuges durchgenommen werden, um Übertritte zu ermöglichen. Der Lehrplain des ersten Zuges ist aber gleich dem der Mittelschule, um Übertritte dorthin zu ermöglichen. Woraus also folgt, daß nun unsere Hauptschullehrer nach den Plänen ihrer der Wirklichkeit entfremdeten Behörden Soraderschüjer gleich weit zu bringen haben wie Gymnasiasten, in Englisch etwa mit dem gleichen Buch derselben Stundenanzahl, aber ohne Grammatik. Der Chancengleichheit zuliebe! Über die Leistungsbeurteilung schweigen sich diese Behörden freilich taktvoll aus. Um eine dort stellt — selbst bei weiterer Niveausenkung — aber heute zu hohe Anforderungen an diese Kinder, die nun in allem die letzten sind), die stören, weil sie dem Unterricht nicht folgen können und sich daher langweilen. Sie verkraften den raschen Wechsel der Fächer und Lehrer nicht, diese wieder haben zuwenig Kontakt mit ihnen, um außer negativen Seiten auch die positiven zu erkennen. Aus Zeitmangel können sie nicht hinreichend betreut werden und werden (wie man so schön sagt) „frustriert“.

Stellt diese sogenannte „Reform“ also tatsächlich einen weiteren Schritt zur allgemeinen Mittelschule dar? Strebt man etwa eine einheitliche Masse von Gymnasiasten an, die nur bei nähereim Zusehen zu differenzieren wären in Sondengymnasiasten, Spurgymnasiasten (Mäßige Nachfahrer) und Supergymnasiasten — der Chancengleichheit zuliebe? Bei solcher Nivellierung angelangt, dürfte uns erst die Auslandskonkurrenz die wahre Bedeutung von Chancengleichheit, Differenzierung und Diskriminierung beibringen, dann aber schmerzlich.

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