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Kehrseite der Freiheit

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Die deutsche Einheit, auch die Euphorie darüber- längst schon wieder Geschichte. Was nun folgt ist mühevolle Kleinarbeit, das Verwirklichen der großen Ideen im politischen Alltag.

Eine, die alle Hände voll damit zu tun hat, ist Angela Merkel, Bundesministerin für Frauen und Jugend und stellvertretende Vorsitzende der CDU. Die promovierte Physikerin, die selbst aus dem Osten stammt, betont, daß zwar die allermeisten Deutschen über die Einheit erfreut seien, aber doch mehr Schwierigkeiten anträfen als sie erwartet hatten. Das gilt auch für die Bürger der ehemaligen DDR.

Die Zeit der „relativen Sicherheit" sei für die Bürger in den neuen Bundesländern nun vorbei, sagt Angela Merkel. Sie meint damit die Sicherheit eines Systems, das zwar keine Freiheit, aber doch (nicht zuletzt im eigenen Interesse) für vieles sorgte, fixe Arbeitsplätze zum Beispiel oder eine staatlich organisierte Kinderbetreuung.

Die Kehrseite der Freiheit ist nun, daß die Bürger dafür in viel stärkerem Ausmaß selbst die Verantwortung übernehmen müssen. Unter dieser Umstellung leiden besonders die Frauen. Zwei Drittel der Arbeitslosen sind weiblich. Alleinerzieherinnen und Geschiedene haben es besonders schwer. Ihre Situation sei „ausgesprochen deprimierend", erklärt Merkel. Männer könnten zumindest in der B au-wirtschaft Arbeit finden, Frauen böte sich diese Möglichkeit nicht. Neben den öffentlichen Maßnahmen zur Arbeitsplatzbeschaffung (die auf erhebliche finanzielle Schwierigkeiten stoßen) setzt Ministerin Merkel vor allem auf Projekte, die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen.

In allen neuen Bundesländern gibt es staatliche Stellen, die den Frauen erleichtern sollen, mehr Eigeninitiative zu entwickeln. Selbständiges Handeln und Flexibilität ließ sich ja in unter dem DDR-Regime kaum lernen. Weiters soll in Kürze eine Kampagne gestartet werden, um bei den Männern ein partnerschaftlicheres Bewußtsein zu schaffen. Wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter hat es nämlich auch in der DDR nicht gegeben. Wohl waren 90 Prozent der Frauen erwerbstätig, was aber Haushalt und Familie betrifft, sah es im Osten und im Westen ganz ähnlich aus. Dafür waren weitgehend die Frauen verantwortlich.

Merkels Ziel ist es, die Rollenzuordnungen aufzubrechen. Verschiedene Formen von Arbeit (also Erwerbsarbeit, Kindererziehung) möchte sie gleichmäßig über die Geschlechter verteilt sehen. In den alten und in den neuen Bundesländern.

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