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Kehrt die Kirche in die Politik zurück ?

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Die Frage nach dem politischen Engagement von Bischöfen und Gläubigen stand als Thema über der Jahrestagung des Verbandes katholischer Publizisten und der Katholischen Medienakademie am Wochende im Bildungshaus Seggauberg in der Steiermark. Lateinamerika und Polen standen als Modelle zur Diskussion.

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Die Frage nach dem politischen Engagement von Bischöfen und Gläubigen stand als Thema über der Jahrestagung des Verbandes katholischer Publizisten und der Katholischen Medienakademie am Wochende im Bildungshaus Seggauberg in der Steiermark. Lateinamerika und Polen standen als Modelle zur Diskussion.

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Niemand denkt daran, Kapläne wieder als Mandatare einer Partei in Landtage oder Parlamente zu schicken oder Pfarrer auf die Kanzel, um für eine Partei Wahlpropaganda zu machen.

Das war aber auch die einzige Feststellung, die die Eingangsfrage „Kehrt die Kirche in die Politik zurück?” von vorneherein negativ beantwortete.

Die positive Antwort bedurfte jedoch zuvor gewisser Präzisierungen. Wie weit etwa soll der Begriff „Politik” gezogen werden? Hat sich die Kirche überhaupt aus der Politik zurückgezogen, um dorthin wieder zurückkehren zu können? Wie wäre eine „Rückkehr” zu verstehen, wie sollte sie aussehen?

Rund 70 Publizisten aus Österreich und den südöstlichen Nachbarländern diskutierten zwei Tage lang über diese Fragen und kamen, trotz vielerlei Unterschieden in Meinungen und Aussagen, doch letzten Endes ' zum gleichen Schluß, den Weihbischof Helmut Krätzl völlig unabhängig von dieser Tagung am Sonntag drauf in Mariazell zog: Es ist die Aufgabe der Christen, sich um politische Fragen, um die Politik zu kümmern, eine Aufgabe, der sie sich nicht entziehen dürfen.

Aber zunächst: Was soll unter „Politik” verstanden werden? Hubert Feichtlbauer umriß sie weitgesteckt als „Gestaltung irdischer Ordnung durch Menschen.” Und Kurt Krenn, Philosophie-Ordinarius aus Regensburg, stellte aus theologischer Sicht die Verbindung her: Kirche und Staat, Religion und Politik messen sich an derselben Frage: „Wer und was ist der Mensch? Wer wird dem Menschen in seiner Personalität gerecht?”

Hat sich also — bei diesen Voraussetzungen — die Kirche aus der Politik zurückgezogen? Kann sie sich überhaupt zurückziehen? David Seeber, Chefredakteur der Herder-Korrespondenz, Freiburg, sah im Niedergang der Großideologien des 19. Jahrhunderts, der zu seiner Privatisierung des Politischen geführt habe, auch

„Die Gegnerschaften sind nicht mehr so klar.” den Grund für eine Privatisierung der Religion und damit zu einer Trennung des Religiösen von der Öffentlichkeit, zur Erschwerung der politischen Präsenz der Glaubenden, „öffentliches und Privates entwickeln sich auseinander. Die Gegnerschaften sind nicht mehr so klar.”

Dazu kommt, daß das Konzil den politischen Bereich den Laien in der Kirche zugeordnet habe, womit ein Bekenntnis zum Pluralismus verbunden sei. Aus bundesdeutscher Sicht: „Es kommt zu einem Rückzug insofern, als mit dem innerkirchlichen Pluralismus das politische Profil der Katholiken undeutlicher geworden ist.” .

Wie aber bietet sich die Lage in jenen Ländern dar, in denen die Kirche sehr wohl auch und gerade heute eine wichtige Rolle in der Politik spielt?

In Lateinamerika etwa, wo seit der Eroberung durch die Spanier immer ein Teil der Kirche mit den jeweiligen Machthabern verbunden war, ein anderer Teil als „prophetische Kirche” mit den Armen und Randgruppen, wie Lois Acu-iia, chilenischer Soziologe aus Freiburg/Br, skizzierte.

Seit der Gründung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz, seit ihren Tagungen in Me-dellin und Puebla wuchs dort eine neue theologische Ausrichtung hin zum sozialen Engagement.

Aus der Evangelisierung durch die Pastoralassistenten im Armenmilieu entwickelten sich die Basisgemeinden, „in denen sich bisher unterdrückte, aber gläubige Menschen zusammenfinden,' die Brüderlichkeit leben, Glauben in ihrer Sprache formulieren und gemeinsam beten wollen. Die Gemeinden nehmen nach einiger Zeit die Leitung selbst in die Hand und interpretieren das Evangelium auf ihre Weise, ausgehend von ihren Problemen.” (Acufia).

Weniger diese „Selbstinterpretation” des Evangeliums, die vielleicht hätte skeptisch stimmen

„Der Christ kann sich von seiner Verantwortung für das Gemeinwohl nicht lösen.” können, als die Vorwürfe, die Theologie der Befreiung greife auf marxistische Analyse-Methoden zurück, bot den Teilnehmern aus den Oststaaten Anlaß, gegenüber diesen Entwicklungen in Lateinamerika Distanz zu halten.

Marxismus ist für jene, die ihn am eigenen Leib erleben müssen, eben ein Reizwort. Wie aber sieht es dort aus, wo eine atheistische Regierung der Kirche gegenübe steht?

Auch in Polen hat die starke Stellung der Kirche eine lange Tradition — und vor allem seit 1920, seit dem ersten Angriff der Bolschewiken auf Polen, „stellte der Kommunismus auch den Feind Nr. 1 für die Kirche dar”, erinnerte Mieczyslaw Pszon vom Tygodnik Powszechny in Krakau.

Aber seit 40 Jahren muß man mit ihm leben. „Die Kirche ging aus den Bewährungsproben von 1949-1956 gestärkt hervor.” Und seit der Wahl Karol Wojtilas zum Papst „wurde klar, daß die Kirche die Anschauungen, die Sehnsüchte und Hoffnungen der überwiegenden Mehrheit der Polen repräsentiert.”

Trotz der weiterdauernden Diskriminierung der Gläubigen gibt es in Polen Dinge, die „der Doktrin des Kommunismus widersprechen”; die Kirche als mächtige Institution und einziger Träger moralischer Autorität, die katholische Universität Lublin, eine

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