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Keimel: SP fehlt Gesamtkonzept

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Schwerpunkte der jüngsten Klausurtagung der Bundesregierung waren die Streichung der Investitionssteuer, die Senkung der Kreditkosten sowie Förderungsmaßnahmen für den Fremdenverkehr, die Industrie und den Export. Die SPÖ-Regierung klopft sich auf die Schulter, die Opposition sagt: Zu spät und zu wenig. Einig sind sich beide aber darin, daß wirtschaftspolitische Themen den Wahlkampf für die nun auf 6. Mai angesetzten Nationalratswahlen bestimmen werden. Mit Vizekanzler Finanzminister Hannes Androsch und dem ÖVP-Wirtschaftssprecher Otto Keimel sprach aus diesem Anlaß Heiner Boberski.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der letzten Regierungsklausur?

KEIMEL: Bisher haben wir allen Regierungsklausuren mit großer Skepsis entgegengeblickt, weil jede Regierungsklausur mit großen neuen Belastungen geendet hat. Jetzt, knapp vor der Wahl, kommen von der Regierungsklausur angeblich „wirtschaftspolitische Impulse“. Diese bringen aber bis zur Wahl nichts, ausgenommen eine einzige Maßnahme, nämlich der Wegfall der Investitionssteuer.

Was wesentlich gewesen wäre, sogar von einer abtretenden Regierung, weil ja Regierungspolitik immer in die Zukunft wirkt, wäre ein gesamtwirtschaftliches Konzept gewesen, also ein Konzept, das Strukturpolitik, Budgetpolitik, Steuerpolitik, Handelspolitik, Währungspolitik umfaßt.

FURCHE: Sind nun die auf der Klausur beschlossenen Maßnahmen in Ihren Augen überhaupt schlecht?

KEIMEL: Sie sind Ad-hoc-Ent-scheidungen ohne wirtschaftspoliti-sches Konzept. Ein Beispiel: Die Investitionssteuer hat ihren Zweck, nämlich die Einnahmenhöhe des Ausfalles beim Ubergang zum Mehrwertsteuersystem, erreicht gehabt und sollte schon vor zwei Jahren beendet sein, besonders, als durch die internationale Wettbewerbsfähigkeit die österreichische Wirtschaft so belastet war, daß eine Investitionsschwäche vor allem in der Industrie ganz stark eintrat.

Wir haben daher, das letzte Mal vor bereits eineinhalb Jahren, den Wegfall dieser „Investitionsstrafsteuer“ gefordert. Jetzt ist es richtig, aber zu spät. Sie wäre mit Ende dieses Jahres ohnehin ausgelaufen.

FURCHE: Was müßte die Steuerreformkommission bringen?

KEIMEL: Abgesehen von der Selbstverständlichkeit, daß das Steuersystem wieder klar und durchschaubar sein muß für den Staatsbürger, erstens keine Ausweitung der Steuerlastquote - wir sind am Plafond - zweitens eine Umstrukturierung der Steuereinnahmen hin zur Beschäftigungs- und Wachstumspolitik. Heute haben wir wachstumshemmende und beschäftigungs-hemmende Aspekte im Steuersystem, es werden heute Arbeitsplätze durch Lohnnebenkosten übermäßig belastet und besteuert.

FURCHE: Wie steht es mit der Arbeitslosenrate?

KEIMEL: Die Arbeitslosigkeit wird leider 1979 nach den Prognosen wieder steigen. In den Budgeterläuterungen des Finanzministers wird mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 70.000 Personen gerechnet, andere Prognosen nennen 90.000. Wir haben aber auch noch eine starke versteckte Arbeitslosigkeit in Österreich. Die Betriebe halten noch viele sogenannte „Entmutigte“, und die Anfänger, die das erste Mal ins Berufsleben gehen, melden sich nicht beim Arbeitsamt, sondern suchen selbst.

Man rechnet also mit bis zu drei

Prozent Arbeitslosigkeit. Man merkt auch in der Entwicklung, daß es hier eine negative Tendenz gibt, nämlich daß den freien Stellen immer mehr Arbeitslose gegenüberstehen. Während in der Periode 1973-1975 Arbeitslose und Stellenangebote gleich waren oder sogar mehr Angebote, haben wir 1976 schon 16.000 weniger offene Stellen, 1977 19.000 und 1978 werden es 30.000 mehr Stellungsuchende als Stellenangebote sein.

FURCHE: Welche Inflationsrate erwarten Sie im Jahresdurchschnitt 1979?

KEIMEL: Die Inflationsrate wird sich wahrscheinlich gegenüber dem Druckjahr 1978 wieder etwas erhöhen. Es war nämlich 1978, nachdem 1977 große Vorziehkäufe waren, ein ziemlich starker Rückgang im privaten Konsum gegeben. 1979 erwartet man daher wieder eine gewisse Zunahme im privaten Konsum, dafür aber sowohl eine Verschlechterung in der Stabilität, also im Index, wie auch in der Zahlungsbilanz. Ich bin überzeugt davon, daß diese Regierung bis zum Mai alles zurückdämmt, was überhaupt nur möglich ist, aber nachher bricht dann der ganze Stau los, im Jahresdurchschnitt wird es etwas höher sein als 1978.

FURCHE: Der Finanzminister argumentiert, wenn er auf die hohe Staatsverschuldung angesprochen wird, daß Werte geschaffen werden, die auch vielen späteren Generationen noch zur Verfügung stehen werden, und es sei daher gerechtfertigt, wenn auch diese Generationen noch dafür bezahlen. Geben Sie ihm da recht?

KEIMEL: Zu dieser Aussage, die ja sehr demagogisch ist, gehört sicherlich die Schnoddrigkeit des sozialistischen Planungsstaates dazu, daß er nicht nur unser Leben verplanen will, sondern offensichtlich sogar das Leben kommender Generationen. Vielleicht hat die nächste Generation ganz andere Prioritäten, etwa im Umweltschutz, vielleicht hat sie eine ganz andere Einstellung zum Leben an sich. Haben wir das Recht, in der Planwirtschaft zu sagen: Jetzt verpulvern wir sogar schon die nächste Generation? Die kann nur mehr unsere Schulden rückzahlen und kann nicht eigengestalten.

Aber: Wenn man bestimmte Bereiche - Straßen, Verkehr, Infrastruktur - mit viel Geld ausbaut, stimmt es, daß man sie über die Laufzeit, die Lebenszeit, auch bezahlt. In Ordnung, das wird in jedem Betrieb so gemacht Aber sogar in den Budgeterläuterungen des Finanzminisjters steht wörtlich, daß die hohe Steuerbelastung des Inlandsprodukts in Österreich dadurch entstanden ist, daß die Transfer-, sprich: Umverteilungsausgaben, im Budget übermäßig groß seien. Die Investitionsaus-gäben sind im Budget laufend seit Jahren zurückgegangen und haben jetzt mit 8,2 Prozent der Gesamtausgaben 1979 den absoluten Tiefpunkt erreicht. Daher ist diese Aussage falsch. Es werden die Budgetdefizite bereits benützt, um Transferausgaben und Konsumausgaben zu finanzieren und nicht für Investitionen.

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