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Kein Aufenthalt für Ehefrau?

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Gesetze sind für Menschen da, nicht umgekehrt. Aber vielleicht bekommt ab nächstem Jahr ein österreichischer Staatsbürger für seinen nicht-österreichischen Ehepartner im ersten Jahr gar keine Aufenthaltsberechtigung mehr.

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Gesetze sind für Menschen da, nicht umgekehrt. Aber vielleicht bekommt ab nächstem Jahr ein österreichischer Staatsbürger für seinen nicht-österreichischen Ehepartner im ersten Jahr gar keine Aufenthaltsberechtigung mehr.

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Ein Landwirt aus der Umgebung von Retz hat seine Freundin in der Tschechischen Republik, knapp jenseits der Grenze. Sie entschließen sich rund ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu heiraten. An eine Arbeitssuche in Österreich zur Erlangung eines Visums, das zu längerem Aufenthalt berechtigt, an einen gemeinsamen Haushalt vor Eheschließung wurde nicht gedacht. Denn alles soll „normal" verlaufen. Nach der Eheschließung.

Durch das neue Gesetz könnte das j unge Ehepaar aber dann seine blauen Wunder erleben. Eine Erkundigung beim zuständigen Beamten der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn wird nämlich ergeben, daß nicht, wie vor der Gesetzesänderung, die Bezirkshauptmannschaft ein Visum in den Paß der jungen Frau stempelt, der zunächst zwei Jahre (und danach unbefristet) zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, sondern daß der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an der österreichischen Botschaft in Prag zu stellen ist. Nach standesamtlicher und kirchlicher Eheschließung muß die junge Frau daher nach Prag reisen und um eine Aufenthaltsberechtigung ansuchen.

Was ihr Problem nicht löst. Ein Botschaftsbeamter wird dem Paar erklären, daß ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung erst nach einem Jahr Ehe besteht. Eine Verkürzung dieser Frist, worauf allerdings kein Rechtsanspruch bestünde, wäre allerdings möglich, hätten sie bereits vor der Eheschließung im gemeinsamen Haushalt gelebt. Da dies aber nicht der Fall war, könne nur ein „normaler" Antrag auf Aufenthaltsberechtigung gestellt werden - wie jeder andere tschechische Bürger auch.

Dann wird der Beamte noch festhalten, daß die Prüfung des Antrages wohl vier Wochen in Anspruch nehmen werde. Und sinnvoll wäre jetzt eine Hochzeitsreise, denn die Einreise der tschechischen Bürgerin als Touristin nach Österreich (mit einmonatiger Aufenthaltsberechtig'ung) und der Einzug ins gemeinsame Heim verstieße gleich gegen zwei Gesetze: Gegen das Aufenthaltsgesetz, weil zur Gründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich ja eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich ist. Und gegen das Fremdengesetz (bis Ende 1992 noch Fremdenpolizeigesetz), da die Gründung des gemeinsamen Haushaltes (nach Einreise als Touristin) den Tatbestand der unrichtigen Angabe des Aufenthaltzwecks darstellt, was zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes berechtigt.

An der österreichischen Botschaft in Prag wird man das Ansuchen in der Zwischenzeit prüfen: Ist die von der Regierung festgelegte Ausländerquote bereits ausgeschöpft, dann erübrigt sich jede weitere Prüfung. Ein Jahr Wartezeit. Auch die von der Regierung gemäß Gesetz erlassene Verordnung, in der konkrete Berufsgruppen genannt werden, die bevorzugt zu berücksichtigen sind, kann sich als Hürde erweisen, wenn die Frau keinen der „Wunsch"-Berufe erlernt hat.

Noch obskurer wird die Situation, modifiziert man dieses Beispiel etwas: Es handelt sich um kein junges Paar, sondern um einen 55jährigen Witwer und eine 50jährige tschechische Witwe. Auch dieses Paar hätte mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen, jedoch käme eine weitere, un-überwindbare Hürde hinzu. Legt nämlich die Regierung, wie im Gesetz vorgesehen, eine generelle Altersgrenze für Einwanderer fest (etwa 40 Jahre), würde dies für das ältere Paar in jedem Fall ein Jahr Warten auf die Aufenthaltsberechtigung bedeuten.

Nicht einmal ein Auslandsösterreicher kann problemfrei mit seiner ausländischen Ehegattin nach Österreich übersiedeln. Besteht die Ehe noch kein ganzes Jahr, könnte folgender Fall eintreten: Da das Paar bereits vor Antragstellung in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, kann zwar von der einjährigen Wartezeit (liegt im Ermessen der Behörde) Abstand genommen werden. Was jedoch, wenn die Einwandererquote bereits voll ist? Die Antwort des Gesetzes: Keine humane Ausnahmeregelung, sondern Verschieben der Entscheidung auf das folgende Jahr.

Eine andere für gemischtnationale Paare bedeutsame Frage: Was, wenn der österreichische Ehepartner etwa durch einen Unfall stirbt? Passiert dies in den ersten drei Ehejahren (frühestens nach drei Jahren ist eine österreichische Staatsbürgerschaft möglich), kann auch das den Verlust der Aufenthaltsberechtigung für den ausländischen Ehepartner bedeuten, vor allem, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Aber selbst wenn er gesichert ist, besteht kein Rechtsanspruch auf eine Verlängerung.

Der Autor, in der Wirtschaft tätig, ist seit zwei Jahren mit einer Krakauerin verheiratet.

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