Kein Babyboom-Auslöser, aber ...

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VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat im furche-Gespräch zum "Paradigmenwechsel" den das neue Kindergeldmodell mit sich bringen soll.

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VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat im furche-Gespräch zum "Paradigmenwechsel" den das neue Kindergeldmodell mit sich bringen soll.

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Für das diese Woche im Nationalrat beschlossene Kinderbetreuungsgeld werden rund 50.000 Anspruchsberechtigte mehr als für das bisherige Karenzgeld erwartet. Darüber, wem die Studentinnen, Bäuerinnen, Selbstständigen und Hausfrauen ihren Anspruch auf 6.000 Schilling über zweieinhalb Jahre beziehungsweise drei Jahre - wenn beide Elternteile die Betreuung übernehmen - verdanken, ist nun ein Streit zwischen den Regierungsparteien ausgebrochen. Zumindest auf Plakatwänden: Nach Koalitionspartner FPÖ hat nun die ÖVP eine Werbekampagne zum Kindergeld gestartet. Der FPÖ-Kampagne unter dem Motto "Wir haben es geschafft" erwächst damit Konkurrenz unter dem Motto "ÖVP - familienfest". Wem den Vorzug geben?

Für ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat ist die Sache klar. Die ÖVP war, ist und wird immer die österreichische Familienpartei Nummer eins sein. Das Zugeständnis für den Koalitionspartner FPÖ beschränkt sich im Gespräch mit der furche darauf, dass "mit diesem Partner erst möglich wurde, was man jahrelang mit der SPÖ vergeblich umzusetzen versucht hat: den "Paradigmenwechsel". Denn erstmals in der Geschichte Österreichs, so Rauch-Kallat, wird jetzt Geld für die Betreuung eines Kindes zur Verfügung gestellt. Das bisherige Karenzgeld fand ja Motivation und Zweck darin, den Einkommensentfall zu kompensieren." In die gleiche Richtung geht auch das Lob des ÖVP-Experten und sogenannten "Vater" des Kinderbetreuungsgeldes Helmuth Schattovits. "Es ist völlig neu, dass das Bedürfnis des Kindes nach Betreuung als Ausgangspunkt für alle konkreten Lösungen genommen wurde", freute sich der Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Familienforschung beim Experten-Hearing des Familienausschusses des Nationalrates Mitte vergangener Woche.

Viel Lob und Tadel Bei dieser Veranstaltung im Parlament gab es aber nicht nur Lob für die neue ab 1. Jänner 2002 in Kraft gehende Regelung. Das, was Familien wirklich bräuchten, seien flexible und kürzere Arbeitszeiten, mehr Betreuungseinrichtungen und erst an dritter Stelle eine höhere finanzielle Unterstützung, erklärte die Expertin der SPÖ, Sonja Brauner von den Österreichischen Kinderfreunden: "Mit dem Kinderbetreuungsgeld kommt das Ende der Teilzeitkarenz, das Ende der partnerschaftlichen Aufteilung der Familienarbeit." Kritik, die Rauch-Kallat nicht gelten lässt: "Der Staat honoriert jetzt die Erziehungsarbeit für Kinder in den wichtigen ersten Lebensjahren des Kindes. Damit Eltern mehr Zeit für ihre Kinder haben, wurde das Kinderbetreuungsgeld verlängert und erhöht, und wir haben die Zuverdienstgrenze soweit angehoben, dass auch Alleinerzieherinnen mit ihrem Zuverdienst gut mit einem Kind leben können - ein Meilenstein."

Auch der Vorwurf, Alleinerzieherinnen wären beim Kinderbetreuungsgeld insofern benachteiligt, als dass sie nicht die volle Bezugsdauer - also drei Jahre - in Anspruch nehmen könnten, entbehrt für Rauch-Kallat jeglicher Grundlage: "Sie sind überhaupt nicht benachteiligt. Alle Mütter oder Väter können 30 Monate Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen. Wenn sie einen Partner haben, sind weitere sechs Monate möglich. Wenn sie keinen Partner haben, können sie viele andere Dinge, die man sonst mit einem Partner tut, auch nicht tun." Deswegen Gegenfrage der Generalsekretärin an die furche: "Sind sie dann auch benachteiligt?" Und die Antwort gleich mitgeliefert: "Viele Frauen sagen, sie leben lieber allein. Und diese ihre Entscheidung muss man respektieren. Aber das ist dann keine Benachteiligung."

Wie steht es nun aber mit dem Kündigungsschutz? Die Tatsache, dass der Kündigungsschutz nicht analog mit dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes ausgeweitet wurde, steht fest. Arbeitsrechtlichen Schutz gibt es nur bis zum 24. Monat. Was bedeutet diese Regelung aber für den zweiten Elternteil, der zum Beispiel das letzte halbe Jahr von den drei Jahren das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nimmt? Gibt es für Vater oder Mutter dann gar keinen Kündigungsschutz?

Der Hund im Detail "Der Hund liegt im Detail", meint daraufhin Frau Generalsekretärin und erkundigt sich telefonisch beim hauseigenen Spezialisten. Das Ergebnis der Recherche lässt sich aber sehen und die von SP-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl vorgebrachte Kritik, Väterkarenz werde durch den geringen arbeitsrechtlichen Schutz verunmöglicht, stellt sich als nicht richtig heraus. Rauch-Kallat: "Der Kündigungsschutz gilt während der Zeit in der Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, plus vier Monate davor, plus vier Wochen danach." Das Verbot der Motivkündigung besteht für Väter und Mütter und der Karenzantrittstermin ist dem Arbeitgeber drei Monate davor mitzuteilen, bereinigt Rauch-Kallat - nach einem weiteren Telefonat - auch diesbezügliche Unklarheiten, um zu diesem Themenkreis abschließend festzustellen: "Das war ja unsere Intention, die Väter mehr als bisher zu motivieren, dass sie in Karenz gehen."

Und weil das Gespräch schon um den Hund im Detail kreist: Wie sieht es mit der Anspruchsberechtigung von Ausländerinnen aus? Rauch-Kallat nach einer weiteren Rückfrage beim Spezialisten: "Wenn einer der Elternteile Anspruch auf Familienbeihilfe hat, dann hat der ausländische Partner auch Anspruch auf Kindergeld. Und Familienbeihilfe bekommt, wer mindestens drei Monate in Österreich gearbeitet hat, oder sich bereits fünf Jahre hier aufhält."

"Sehen Sie, dank Ihres Interviews lerne ich auch, mich in der Materie auszukennen", lobt Frau Generalsekretärin die furche-Fragen. Das freut, genauso wie die realistische Feststellung Rauch-Kallats, sie glaube nicht, dass schon das Kindergeld Österreich einen Babyboom verschafft. "Um Eltern mehr Mut zum Kind zu machen, brauchen wir eine kinderfreundliche Gesellschaft und diese entsprechende Grundstimmung für Kinder im Land, gilt es erst noch zu schaffen."

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