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Digital In Arbeit

Kein Chip bleibt auf dem anderen

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Panta rhei, alles fließt. Nichts bleibt so, wie es war, wie es ist. Das trifft in enormem Ausmaß auf die Computer-Industrie zu, die derzeit eine Revolution erlebt. Nicht nur die Computer werden kleiner, sondern auch die Firmen.

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Panta rhei, alles fließt. Nichts bleibt so, wie es war, wie es ist. Das trifft in enormem Ausmaß auf die Computer-Industrie zu, die derzeit eine Revolution erlebt. Nicht nur die Computer werden kleiner, sondern auch die Firmen.

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Preisverfall und Massenentlassungen sind nur die eine Seite der Münze, die da in Silicon Valley (Kalifornien) einst glitzerte: IBM, noch immer weltweiter Industrie-Führer, hat 1992 insgesamt 40.000 Arbeitsstellen abgeschafft. Damit wurden seit 1985 weltweit 100.000 Arbeitsplätze gestrichen. Die Nummer Zwei der Branche, Digital Equipment, hat 165 Fer-tigungs- und Servicestellen geschlossen und somit 18.000 Arbeitsplätze eingespart. Wang Laboratories hat den Vergleich gesucht, Frankreichs Bull Group hat 8.000 Beschäftigte entlassen und acht von 13 Betrieben stillgelegt. Italiens Olivetti muß bis Mitte 1993 um 20 Prozent schrumpfen, Siemens-Nixdorf ist dabei, sich drastisch zu verkleinern.

Das amerikanische Wirtschaftsmagazin „Business Week” analysierte diese Situation humorvoll-ironisch, indem es das IBM-Werbewort „Think” (Denke) in den Imperativ „Shrink” (Schrumpfe) verwandelte und kommentierte: „Nicht nur die Computer werden immer kleiner, sondern auch die Firmen, die sie herstellen.” Von Abbau, Dekonstruktion oder Umbau innerhalb der Unternehmen ist die Rede, und was das beinhaltet, soll an einigen Beispielen demonstriert werden:

Vorreiter Amerika

Marktführer IBM hat sich auch dabei beispielgebend gezeigt. Nachdem das Unternehmen schon vormehr als Jahresfrist - und das gab weltweit Aufsehen und Gemurmel - in 13 halbautonome Firmen aufgegliedert worden war, wurde Ende 1992 eine weitere Gruppe gebildet, die sich ausschließlich der Herstellung und dem Verkauf von PCs widmet. Unter dem Schirm von IBM, so erwarten Fachleute, dürften sich im Laufe des Jahres 1993 weitere kleinere Firmen bilden, wobei nicht auszuschließen ist, daß einige der 14 IBM-Gruppierungen sich weiter aufspalten. Das IBM-Unternehmen Adstar, das seine Diskdrives ausschließlich für IBM-Maschinen

Mikroelektronik ist heute fast überall dabei. Ob Stereo-Anlage oder Fernsehgerät, Telefax oder Fotokopierer, Waschmaschine oder Küchenherd - die winzigen Chips sind immer mit im Spiel. Weltweit wurden im Jahr 1990 mikroelektronische Bauteile im Wert von 51 Milliarden Dollar eingesetzt. Schwerpunkte waren Datenverarbeitungsgeräte undvKonsumgüter (zumeist Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik) mit 39 und 25 Prozent. Auch dort, wo man es auf den herstellte, hat eine großangelegte Werbekampagne begonnen, mit dem Ziel, die Drives auch an Nicht-IBM-Produzenten zu verkaufen - auch wenn es sich dabei um direkte IBM-Konkurrenten handelt.

Die Zeiten, da ein Unternehmen wie IBM die gesamte Branche abdeckte und das gesamte Computer-Feld in Eigenregie führte - also Chips, Keyboards, Software und Drucker sowie Terminals entwarf, entwickelte, herstellte und dafür Service offerierte - sind zu Ende.

Der Wandel, der jetzt zur Revolution wird, begann 1981. Damals hatte IBM für seine Geräte einen Mikro-chip von Intel und Software von Microsoft gewählt. Andere folgten diesem Beispiel, die Spezialisierung begann. Hewlett-Packard etwa suchte und fand eine Marktlücke auf dem Drucker-Gebiet: Das Unternehmen hat heute am Laserdruckermarkt der USA (Volumen: 5,4 Milliarden Dollar) einen Anteil von 43 Prozent.

Frühere Grundsätze wurden rigoros revidiert, deshalb verkauft Hewlett Drucker auch an Interessenten, die keine anderen Hewlett-Geräte haben oder erstehen. Sun Microsystems verzichtete ebenfalls auf große Teile einstiger Produktionen und Geschäfte. Sun etwa hatte auch Probleme mit der Auslieferung bestellter Geräte - sie waren nie wie versprochen beim Kunden, kamen verspätet an. Die entsprechende Abteilung wurde aufgelöst, die Versendung an Federal Express übergeben. Seitdem ersten Blick nicht vermutet, verrichten Chips ihre Arbeit: Sechs Prozent aller mikroelektronischen Bauelemente werden heute im Auto eingesetzt. Sie regeln Zündung und Kraftstoffeinspritzung, helfen beim Bremsen (ABS)oder mahnen den Autolenker zu wirtschaftlicher Fahrweise.

Führende Anwender von Mikroelektronik sind die Japaner mit 39 Prozent, die Nordamerikaner kommen auf 29 Prozent und auf die Westeuropäer entfallen 19 Prozent. erhalten die Käufer ihre Geräte pünktlich, das Vertrauen zu Sun konnte wiederhergestellt werden.

Was Amerika auf diesem Sektor vormacht, scheint weltweit Nachahmung zu finden. Nur nicht in Japan. Dort hat es bisher keinerlei Anzeichen dafür gegeben, daß sich Großfirmen aufgliedern und eine Fülle autonomer „profit centers” bilden.

Überleben durch Kooperation

Möglicherweise beginnen erste zaghafte Schritte, so verlautet in Wall Street, Mitte 1993 - schließlich hat die japanische Computer-Industrie genügend Probleme: Verkäufe werden als mangelhaft eingestuft, trotz massiver Preisreduzierungen, die Umsätze lassen immer mehr zu wünschen übrig, der Gigant Fujitsu Ltd. verzeichnete im ersten Halbjahr 1992

Verluste in Höhe von 160 Millionen Dollar.

Vielversprechend für die in Schwierigkeiten geratene Industrie ist auch ihre Internationalisierung. IBM etwa arbeitet mit Apple und Motorola an einem neuen Chip und verschiedener Software. Apple wiederum hat sich mit Japans Sharp Electronics zusammengetan, um ein neues Notebook zu entwickeln. IBM arbeitet mit Toshiba zusammen an neuen, augenverträglicheren Bildschirmen. Viele der Unternehmen, auch die großen, sehen in dieser Art Kooperation die einzige Überlebensmöglichkeit.

Die Computer-Industrie befindet sich in einer tiefen Krise. Sie hat aber, so sagen Experten, auch beste Chancen, am Ende der gegenwärtigen revolutionären Veränderungen wie Phönix aus der Asche aufzusteigen.

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