6844260-1976_10_02.jpg
Digital In Arbeit

Kein Diktat aus Klagenfurt!

Werbung
Werbung
Werbung

ICH meine, daß der Schutz der Minderheiten — der Slowenen in Kärnten, der Kroaten im Burgenland — eine vordringliche Sache geworden ist, die endlich gelöst werden muß, und zwar vom rein menschlichen ebenso wie vom rechtlichen Standpunkt. Menschlich gesehen, muß jeder Österreicher die glei-

chen Rechte haben, vor allem auch das Recht auf Bewahrung seiner Sprache und Kultur. Und rechtlich ist die Frage der Minderheiten im Staatsvertrag geregelt, so daß es darüber hinaus keiner Minderheitsfeststellung durch eine Sprachzählung bedarf.

Wie wollen wir denn glaubwürdig für die Rechte der Süd-

tiroler und die restliche Erfüllung des „Paketes“ eintreten, wenn wir in unserem eigenen Lande die Minderheiten, wie die der Slowenen, die seit Jahrhunderten in diesen Gebieten leben, erst durch die Fragwürdigkeit einer Volkszählung gegen den Willen der Betroffenen zu bestätigen glauben müssen? Und dann noch als Prozentsatz für Ortstafeln 25 Prozent ansehen?

Solanige das Bekenmitnis zum Slowenentum faktisch einer Diskriminierung gleichkommt — und das ist heute leider immer noch der Fall —, kann man von einer freien und geheimen Abstimmung überhaupt nicht reden. Zuerst müßten also die Bestimmungen des Staatsvertrages erfüllt werden. Als Ausgangspunkt sollte man daher ruhig die Ergebnisse der letzten Zählung vor dem Staatsvertrag nehmen,

selbst auf die „Gefahr“ hin, daß dann wirklich ein paar Ortstafeln mehr aufgestellt werden müßten. Denn das Ergebnis einer heutigen Umfrage würde ja nicht beweisen, wer wirklich (noch) slowenisch spricht, sondern wer sich traut, sich auch dazu zu bekennen. Und das ist immerhin ein gewaltiger Unterschied.

Wenn daher heute die katholische Männerbewegung ihre Befürchtung ausspricht, daß durch die „Volkszählung besonderer Art“ neue Unruhen in die Südkärntner Bevölkerung getragen werden, so ist dies wohl berechtigt. Es ist nicht zuletzt Aufgabe der Kirche wie der Katholiken, hier ein verbindendes Glied zu sein, realisierbare Vorschläge auszuarbeiten, um die Emotionen abzubauen und Initiativen zu ergreifen, wie man Minderheit und Mehrheit einander näherbringen kann.

Denn es darf in Österreich keine Privilegierten und Unter-privilegierten geben. Österreich muß die gleiche Heimat für alle Staatsbürger sein, gleichgültig welche Sprache sie sprechen. Mit einem Votum der drei Parteien kann man die Minderheit nicht überzeugen. Das Votum in Wien ist nichts anderes als ein Diktat aus Klagenfurt — von der Landesorganisationen von SPÖ, ÖVP und FPÖ.

Beschämend, daß sich in den drei Parteien offenbar niemand traut, die nackte Wahrheit zu sagen. Hinter vorgehaltener Hand für die Slowenen zu sein, ist zuwenig. Wann hat man den Mut, die Scharfmacher in Klagenfurt in die Schranken zu weisen?

Das Minderheitenproblem ist keine Kärntner Angelegenheit. Längst nicht mehr. Es ist eine österreichische Sache.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung