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Kein Ende des Übels?

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Wirtschaftssanktionen allein helfen nicht zur Überwindung der Rassentrennungspolitik Südafrikas. Gefordert IJ wird eine breite Solidarität aller Menschen guten Willens.

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Wirtschaftssanktionen allein helfen nicht zur Überwindung der Rassentrennungspolitik Südafrikas. Gefordert IJ wird eine breite Solidarität aller Menschen guten Willens.

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Obwohl kein Christ Zweifel daran haben sollte, daß das Apartheidsystem in Südafrika grundsätzlich schlecht ist und daher abgeschafft werden muß, bleibt der Versuch, dies durch Auferlegung von Wirtschaftssanktionen herbeizuführen, dennoch eine komplexe und schwierige Angelegenheit, die viel Gebet und Nachdenken erfordert. Sanktionen sind nämlich eine politische Strategie, über die Christen berechtigterweise verschiedener Meinung sein können.

Das Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen, betrifft Wirtschaftssanktionen als ein

Mittel, Änderungen im Apartheidsystem zu erzwingen. Es gibt dabei zwei Hauptgesichtspunkte, unter denen man die Rolle der Wirtschaft betrachten kann:

a) „Konstruktives Engagement“ als friedliches Mittel, zu einem Wandel zu überreden,“

b) Wirtschäftssanktionen als Druckmittel zur Herbeiführung einer Veränderung.

Von einem christlich-ethischen Standpunkt kann man beide Wege ins Auge fassen und beide bedürfen einer genaueren Untersuchung. Das „konstruktive Engagement“ ist der Versuch, durch Investitionen sowie Handels- und andere Wirtschaftskontakte bessere Bedingungen und Anreize für grundsätzliche Veränderungen des Apartheidsystems zu schaffen.

Es stimmt, daß dieser Weg in einigen Fällen zu besseren Bedingungen für die Arbeiter geführt hat. Es stimmt auch, daß führende Wirtschaftsleute auf eine Änderung des Apartheidsystems dringen und daß einige wichtige Veränderungen schon stattgefunden haben, z. B. die Entstehung unabhängiger Gewerkschaften, die Aufenthaltsbewilligung für die schwarze Bevölkerung in den Städten, mehr Budgetmittel für die Schulbildung, die Öffnung von Geschäftsvierteln für alle Rassen, die Abschaffung des Gesetzes über Mischehen und von Teilen des Immorality Act.

Das Wirtschaftswachstum kann aber keineswegs nur als Nährboden für Reformen angesehen werden. Es hat ebenso die Verankerung der weißen rassistischen Strukturen durch die Regierung, den Aufbau der größten Armee auf dem afrikanischen Kontinent und die Errichtung vieler physischer Ausdrucksformen der Apartheid ermöglicht.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß die südafrikanische Geschäftswelt auch nur einen Gedanken an die Herbeiführung eines Wandels verschwendet hätte, wären nicht der Druck der Schwarzen, das drohende Chaos, die schwarzen Gewerkschaften, die' Unruhen in den schwarzen Townships und die Drohung mit Wirtschaftssanktionen gewesen.

Wirtschaftssanktionen werden dagegen als ein alternativer Weg zu Veränderungen angesehen, ohne daß das Land in einem Blutbad versinkt.

Die Frage ist, ob solche Sanktionen bei der südafrikanischen Regierung und ihren Anhängern überhaupt etwas bewirken würden. Obwohl dies eine Verallgemeinerung ist, glaube ich mit Sicherheit feststellen zu können, daß der südafrikanischen Regierung praktisch jedes Zugeständnis in Richtung auf eine Lockerung des unterdrückerischen Systems durch die Ausübung von Druck und der Drohung von Aktionen abgerungen wurde.

Gegner von Wirtschaftssanktionen glauben, daß Sanktionen nicht nur der Wirtschaft schaden würden, sondern daß sie dem Volk noch größeres Leid bringen würden. Tatsächlich würden effektive Sanktionen die Wirtschaft schädigen und für die gesamte Bevölkerung Südafrikas negative Folgen haben. Das Ausmaß des Leidens der Schwarzen würde davon abhängen, welche Sanktionen verhängt würden, wie wirksam sie wären, ob sie zusammen mit anderen notwendigen Maßnahmen verhängt würden und wie lange sie angewendet würden, bevor annehmbare politische Veränderungen eintreten.

Da bis jetzt alle Versuche fehlgeschlagen sind, die südafrikanische Regierung mit moralischen Argumenten zu einer Veränderung zu bewegen, scheint es, daß etwas Wirkungsvolleres notwendig ist, und dazu könnten auch solche gewaltfreien Maßnahmen wie Boykotte, passiver Widerstand und wirtschaftlicher Druck (Divestment, Disinvestment und Wirtschaftssanktionen) gehören.

Es ist uns klar, daß auch gewaltfreie Maßnahmen nur so verfolgt werden dürfen, daß sie ein Minimum an Leiden mit sich bringen. Aber wir sind uns in Südafrika schmerzlich bewußt, daß in jeder uns möglichen Alternative das Leiden unvermeidlich enthalten ist. Meinungsumfragen und die Äußerungen der größeren Gewerkschaften und der schwarzen Führer zeigen eine steigende Bereitschaft, die Verhängung von Sanktionen zu akzeptieren.

Was das unterdrückte Volk Südafrikas sucht, ist die Unterstützung für ihr Anliegen, sich selbst zu befreien. Wenn eine Änderung sinnvoll und allumfassend sein soll, muß das Volk selbst dabei eine echte Rolle spielen und mitbestimmen können,' welche' Art von Veränderung es wünscht und wie diese vor sich gehen soll. Eine solche Reform darf nicht nur kosmetisch oder eine Täuschung zur Erhaltung des Status quo sein (wie dies bisher der Fall war), sondern muß eine umfassende, strukturelle Veränderung des Systems sein.

Für eine solche grundlegende Veränderung ist es notwendig, wirtschaftlichen Druck gleichzeitig mit der Herstellung von engen Kontakten zu den Menschen, die darunter leiden werden, auszuüben. In diesem Zusammenhang habe ich folgende Vorschläge:

1. Die südafrikanische Kirche muß für alle sichtbar die Armen und Unterdrückten umfassend und unmißverständlich unterstützen, damit diese ihren Kampf in einem christlichen Zusammenhang sehen können.

2. Die Menschen in Südafrika müssen von verantwortungsvollen Autoritäten außerhalb des Landes über die Unterstützung informiert werden, die ihnen die internationale Gemeinschaft in ihrem Kampf zukommen läßt.

3. Führungspersönlichkeiten aus anderen Ländern sollten persönliche Kontakte mit den schwarzen Führern Südafrikas aufnehmen.

4. Ausländische politische und kirchliche Führungspersönlichkeiten sollten auf der höchsten Ebene einen offenen Dialog mit südafrikanischen Führern im Exil aufnehmen.

6. Die internationale Gemeinschaft sollte die Bemühungen der schwarzen Gewerkschaften in Südafrika unterstützen und ihnen bei der Stärkung ihrer Institutionen behilflich sein.

7. Der passive Widerstand gegen die unterdrückerischen und daher unmoralischen Gesetze des Apartheidregimes muß unterstützt werden.

In all unseren Bemühungen dürfen wir nicht das Ziel aus den Augen verlieren: Es geht nicht darum, die südafrikanische Regierung zu stürzen, sondern darum, das Apartheidsystem abzuschaffen. Es geht um die Uberwindung eines Übels von einer solchen Größenordnung, daß die Intervention aller Menschen guten Willens voll gerechtfertigt ist, die zu einer Veränderung im christlichen Sinn führt.

Der Autor ist der (weiße) Präsident des südafrikanischen katholischen Laienrates. Er ist von Beruf Rechtsanwalt und Konsulent einer großen Exportfirma. Der Artikel ist ein Auszug aus seinem Referat vor der Frühiahrs-konferenz der Katholischen Männerbewegung Österreichs.

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