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Kein Erfolg für Anschluß-Freunde

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Wie eine Bombe platzte die Nachricht von dem versuchten Anschluß der CSSR-Kirche an das Moskauer Patriarchat. Dieser Beitrag basiert auf Meldungen der Katholischen Presseagentur.

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Wie eine Bombe platzte die Nachricht von dem versuchten Anschluß der CSSR-Kirche an das Moskauer Patriarchat. Dieser Beitrag basiert auf Meldungen der Katholischen Presseagentur.

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„Das II. Vatikanische Konzil veröffentlichte ein Dekret über die ökumenischen Beziehungen, das sich für mehr Gebet um die Wiedervereinigung aller Christen, die Förderung verstärkter gegenseitiger Beziehungen unter den christlichen Kirchen und die Abhaltung gemeinsamer theologischer Konferenzen ausspricht. Für diese Aufgabe wurde eigens das .Sekretariat für die Einheit der Christen' geschaffen. Weil uns unter allen getrennten Kirchen die orthodoxe Kirche am nächsten ist, haben wir auch die intensivsten Beziehungen zur russischorthodoxen Kirche. Das bedeutet aber nicht, daß dies dazu führen kann, daß sich die katholische Kirche der CSSR an die russischorthodoxe Kirche anschließen kann."

Diese nach der „Kathpress" zitierte, zunächst harmlos klingende Passage erhält ihr volles Gewicht erst dadurch, daß es sich um die von den beiden tschechischen Oberhirten Kardinal Frantisek Tomasek (Prag) und Bischof Jo-zef Feranec (Banska Bystrica) veröffentlichte Klarstellung einer dezidierten Absage an „Los-von-Rom"-Gerüchte handelt.

Die Behandlung der Frage, „ob ein Anschluß der katholischen Kirche in der CSSR an die russisch-orthodoxe Kirche denkbar ist", gibt freilich noch im nachhinein den unter den Gläubigen kursierenden diesbezüglichen Befürchtungen ihre Begründung.

Mit der offiziellen Erklärung von Kardinal Tomasek und Bischof Feranec sollten aber nicht nur Priester und Gläubige beruhigt werden, die durch die Anschlußgerüchte im höchsten Maße verunsichert waren. Gleichzeitig wurden damit auch die Versuche der Gruppierung um den moskautreuen Parteiideologen Vasil Bilak gestoppt, eine von Rom losgelöste katholische Nationalkirche in der CSSR ins Leben zu rufen.

Schon in der Stalin-Ära war der Versuch einer Eingliederung der katholischen Kirche in die Ortho-

doxie gescheitert, nachdem unmittelbar nach der Machtübernahme in der Tschechoslowakei rund 300.000 griechisch-katholische Gläubige unter dem Druck der Behörden der russisch-orthodoxen Kirche zugeführt worden waren.

Die politischen Intentionen einer Union mit dem Moskauer Patriarchat zielen — so Kathpress — direkt gegen Papst Johannes Paul II. und gegen sein 1982 verfügtes Verbot von Priestervereinigungen mit politischen Zielsetzungen.

Damals hatte das CSSR-Regi-me die von Kardinal Tomasek als Folge des römischen Verbots geforderte Auflösung der Priestervereinigung „Pacem in terris" abgelehnt. Die mit der Regierung zusammenarbeitenden „Pacem in terris"-Exponenten blieben weiter in Schlüsselpositionen.

Als weitere gegen Johannes Paul II. gerichtete Handlung, die ebenfalls den Kreisen um Bilak entstammt, wird die aus Anlaß des 1100. Todestages des Slawenapostels Method beabsichtigte Einladung an den russisch-orthodoxen Patriarchen Pimen gewertet — anstelle der von Kardinal To-

masek ausgesprochenen, von der, Regierung höchst unerwünschten Einladung an den Papst.

Die Voraussetzungen für eine solche Einladung an Patriarch Pimen waren durch den Besuch einer offiziellen katholischen Delegation unter Bischof Feranec in Moskau im März dieses Jahres hergestellt worden, zu dem Kardinal Tomasek weder eingeladen, noch über ihn informiert worden war. Es sei freilich höchst unwahrscheinlich, so Kathpress-In-formationen, daß* Andeutungen über die erwünschte Loslösung der CSSR-Katholiken von Rom während dieser sehr herzlich verlaufenen Besuchsreise erfolgten.

Erst Ende Juni wurden die Spitzenvertreter von „Pacem in terris" bei einer Klausurtagung in der Hohen Tatra mit den Vorschlägen der Bilak-Gruppierung konfrontiert. Die Protestreaktionen der regierungsfreundlichen Priester sind für die Regimevertreter aber unerwartet heftig ausgefallen.

In der Folge sickerten Informationen über die Vorgänge bei dieser Klausurtagung an die Öffentlichkeit. Trotz vielfacher Dementis in der CSSR-Presse waren die Katholiken alarmiert.

Die eingangs zitierte Klarstellung, die sicher nicht unzensuriert in der Kirchenzeitung „Katolicke Noviny" erfolgt ist, kommt — so meinen Informierte — einer Absage der Regierung an die kirchenpolitischen Intentionen der Gruppierung um Vasil Bilak gleich. Sie weist auf eine realistischere Einschätzung des zu erwartenden Widerstandes der Katholiken gegenüber allen solchen Loslösungsbestrebungen hin.

Weder massive Behinderungen noch behördliche Schikanen halten die Gläubigen in der CSSR davon ab, ihre Treue zum Glauben, zur Kirche zu bekunden. Die in den letzten Wochen bekannt gewordenen Repressalien reichen von Anklagen wegen Schmuggels religiöser Bücher und Tonbandkassetten gegen drei junge Slowaken bis zur Suspendierung eines Priesters wegen unerlaubter Diavorführungen im Religionsunterricht, von unbegründeten Einreiseverweigerungen für bischöfliche Mitbrüder aus dem Westen — zuletzt den Basler Bischof Otto Wüst betreffend — bis zu Straßensperren, Beherbergungsverboten oder Kontrollen von Beichtpriestern nach ihren Zulassungen zu, der jüngsten Wallfahrt zum slowakischen Marienheiligtum Le-voca im vergangenen Juli. ■ Daß Glaube und Religiosität auch für die jeweilige nationale Identität gerade unter den Bedingungen „östlicher Brüderlichkeit" einen hohen Stellenwert einnehmen, kann wohl nur diejenigen verwundern, denen die Religion nicht mehr ist als ein Rechenfaktor im Kampf um die absolute Macht über die Menschen. Unabhängig von nach Lehrinhalten gegebenen Ubereinstimmungen und Differenzen zwischen katholischem und russisch-orthodoxem Glauben verwundert der augenscheinliche Mangel an Einfühlungsvermögen und historischem Bewußtsein gerade jener, deren regierungsamtliche Aufgabe die Kontakte mit den Religionsgemeinschaften in kommunistischen Ländern sind. L. R.

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