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Kein Faktor der Instabilität

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Das Ministerium für internationale Beziehungen der Slowakei ist ein junges Ministerium, gegründet im August 1990. Ressortchef ist zur Zeit Pavol Demes. Er residiert in einem Gebäude im Preßburger Stadtteil Börik hoch über der Donau, das von den Kommunisten seinerzeit für ein fernöstliches Konsulat gedacht war. In unmittelbarer Nähe liegt das frühere KP-Bonzen-Hotel „Börik", zwei Häuser weiter blickt der amerikanische Generalkonsul Paul Hacker ins österreichische-ungarische-slowakische Grenzgebiet.

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Das Ministerium für internationale Beziehungen der Slowakei ist ein junges Ministerium, gegründet im August 1990. Ressortchef ist zur Zeit Pavol Demes. Er residiert in einem Gebäude im Preßburger Stadtteil Börik hoch über der Donau, das von den Kommunisten seinerzeit für ein fernöstliches Konsulat gedacht war. In unmittelbarer Nähe liegt das frühere KP-Bonzen-Hotel „Börik", zwei Häuser weiter blickt der amerikanische Generalkonsul Paul Hacker ins österreichische-ungarische-slowakische Grenzgebiet.

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FURCHE: Steht Ihr Ministerium in Konkurrenz zum Prager Außenamt?

PAVOL DEMES: Natürlich nicht. Wenn in Kürze auch bei der tschechischen Regierung ein eigenes Ministerium für internationale Beziehungen eingerichtet sein wird - es ist vom Parlament schon abgesegnet -, wird man diese von ausländischen Journalisten am meisten gestellte Frage nicht mehr so häufig an mich richten. Dann wird auch institutionell richtig dokumentiert, wie es in der Tschechoslowakei aussieht, daß es sich um einen Staat handelt, der eben aus zwei Republiken besteht; ein Staat, der nach außen mit einer einheitlichen Außenpolitikrepräsentiert wird, zusammengestellt aus den Meinungen beider Republiken. Unsere beiden Ministerien werden dann versuchen, die Außenpolitik zu machen, die der gesamten CSFR entspricht.

FURCHE: Wie wird man dies gegenseitig abstimmen?

DEMES: Unsere Vorstellungen sind nicht futurologisch, sondern es ist heute schon Wirklichkeit, daß unser Ministerium dem föderalen Außenministerium sehr viele Anregungen gibt; und alle Entscheidungen, die einen zwischenstaatlichen Vertrag betreffen, gehen heute bereits durch beide Republiken. Ich lege meiner Regierung immer wieder Material vor, das sich mit solchen Dingen befaßt. Wir bereiten für die slowakische Regierung Unterlagen vor, damit sie qualifiziert entscheiden kann. Dann wird dieser Entschluß dem Außenministerium übergeben.

FURCHE: Ihre Kompetenzen?

DEMES: Unser Ministerium befaßt sich mit den Aktivitäten der Slowakischen Republik nach außen, mit der Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten - zum Beispiel mit der Troika Ungarn, Polen und CSFR. Wir verstehen diese Troika als Vereinigung von drei Staaten mit vier Nationen. So sieht es auch Polens Außenminister Skubiszewski, mit dem ich mich vor kurzem getroffen habe.

Die Slowakische Republik versucht Kontakte zu anderen Staaten und Regionen in Europa herzustellen. Verträge haben wir mit Wallonien und Bayern geschlossen, mit Bayern haben wir die aktivste Kooperation. Die Slowakische Republik hat das Recht, Verträge mit europäischen Regionen und Bundesstaaten zu schließen. Wir möchten in weiterer Folge die Kompetenz bekommen, auch mit Staaten Verträge zu machen.

FURCHE: Das geht zunehmend in Richtung souveräne Republik.

DEMES: Es geht auch ohne Bedingung der Anerkennung. Sehen Sie, wir koordinieren auch die Auslandshilfe, die sich zunächst an die föderale Ebene richtet. Dort wird alles geteilt - und für den slowakischen Teil ist unser Ministerium zuständig. Wir sind auch für Kontakte zu den Auslandsslowenen zuständig. Während des Krieges in Jugoslawien haben wir in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und anderen Organisationen Tausende Kinder aus Kroatien in die Slowakei gebracht. Momentan sind noch immer 500 Kinder da. Zu Beginn waren es Kinder von Slowaken, die in Kroatien leben, später auch kroatische Kinder.

Nicht zuletzt geht es bei uns um die Propagierung der Slowakei im Ausland. Protokollarisch befassen wir uns mit allen Auslandsbesuchen auf höchster Ebene. Vergangenes Jahr waren sieben Staatschefs und 47 Delegationen auf Regierungsebene in der Slowakei, mehr als in Österreich. Das zeigt, daß die Slowakei schon als selbständiger Teil unseres Staates anerkannt wird.

FURCHE: Warum hat man Ihr Ministerium gebildet?

DEMES: Es geht um die klare Artikulation der Slowakischen Republik. Eingerichtet wurde das Ministerium -im August 1990, ich bin der zweite Minister, seit Mai vergangenen Jahres im Amt. In der Anfangsphase hat es viele Diskussionen um die Sinn-haftigkeit gegeben; das Leben hat aber gezeigt, daß unsere Behörde eine Berechtigung hat, daß sie eine sehr praktische Institution des Staatsapparats zwecks intensiver Beziehungen zum Ausland ist. Die Tatsache, daß man auch in der Tschechischen Republik so ein Ministerium schaffen will, bestätigt meine Auffassung. Die gemeinsame CSFR-Außenpolitik wird von der Existenz zweier solcher Behörden nur profitieren.

Meine Beziehungen zur Generaldirektorin des derzeitigen Ausschusses für internationale Beziehungen der Tschechei, Razka, wie auch zu Außenminister Jifi Dienstbier sind sehr gut. Was die Prinzipien der CSFR-Außenpolitik betrifft haben wir gemeinsame Vorstellungen entwickelt und diese den beiden Parlamenten in Prag und Bratislava vorgelegt. Außenpolitik ist kein Stolperstein zwischen den Republiken gewesen.

FURCHE: Was wollen Sie als slowakischer Außenpolitiker?

DEMES: Im Rahmen Mitteleuropas hat die Slowakei eine ganz bedeutende Position inne, sie ist wichtig für die Stabilität dieses Teils Europas. Ich möchte gerne, daß die Slowakei in diesem Raum nicht zu einem Destabilisierungsfaktor wird.

FURCHE: WidersprichtdieseHaltung nicht der nationalistischen Gesinnung vieler Slowaken?

DEMES: Ich habe nicht sehr viele Gegner. Nach den Wahlen werden wir sehen, was passiert. Ich habe jedenfalls die außenpolitischen Sprecher der zehn im Preßburger Parlament vertretenen Parteien zu einem Treffen geladen und ihnen vorher eine Analyse unserer Tätigkeit mit der Bitte um Kritik vorgelegt. Von dieser Begegnung hatten meine Beamten und ich keinen schlechten Eindruck.

FURCHE: Gibt es also einen außenpolitischen Grundkonsens ?

DEMES: Auf jeden Fall. Unser Ministerium ist deshalb so wichtig, um das internationale Bewußtsein in der Slowakei zu kultivieren, nicht nur das der Politiker, sondern das der Bürger. Es legt einen Standard der außenpolitischen Kommunikation vor.

FURCHE: Trotzdem ist - so scheint es mir - vorhin mit dem Hinweis auf die Wahlen eine gewisse Sorge durch-geklungen.Was könnte mit der Slowakei nach den Wahlen im Extremfall passieren?

DEMES: Eine wichtige Frage ist die Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik. Im Moment ist wichtig, welche politischen Gruppierungen die Wahlen gewinnen werden. Von diesen wird es abhängen, ob sie den kultivierten Dialog, der auf demokratischen Prinzipien steht, weiterführen werden. Man kann sich aber sehr gut vorstellen, daß es zu einer Erklärung kommt, zwei staatliche Subjekte zu bilden.

FURCHE: Und das wird immer wahrscheinlicher?

DEMES: Es ist möglich. Wenn es dazu käme, dann aufgrund eines Entschlusses und des Willens der Menschen dieser Region, aufgrund reichlich und gut bedachter politischer Überlegungen, nicht aufgrund undemokratischer Propaganda. Ende der achtziger Jahre gab es eine demokratische Revolutionswelle, jetzt gibt es eine nationalistische Revolution - in Ländern, die Bundesstaaten sind. Ich möchte alles tun, daß die demokratische nicht durch die nationalistische Revolution zerstört wird.

FURCHE: Welche Ratschläge bekommen Sie bezüglich der Selbständigkeitsfrage der Slowakei auf Ihren A uslandsreisen ?

DEMES: Die meisten Außenpolitiker, Außenminister oder Diplomaten, mit denen ich Kontakt hatte, sind der Meinung, daß es für uns besser wäre, mit der Tschechischen Republik in einem Staat zu bleiben. Aber manche fügen auch hinzu - was historisch bedeutsam ist -,daß es an uns liegt, wie wir uns entscheiden. Heute brauchen wir in dieser Angelegenheit nicht nach Moskau, Brüssel oder Washington zu fahren.

FURCHE: Hegen Sie Befürchtungen, nach der Bildung eines selbständigen slowakischen Staates nicht anerkannt zu werden? Kroatien und Slowenien mußten lange warten, in der KSZE sind beide Länder noch immer nicht, Tadschikistan, Usbekistan und andere GUS-Mitglieder sehr wohl.

DEMES: Das ist für mich keine kritische Angelegenheit. Die Mitgliedschaft Kroatiens und Sloweniens in der KSZE ist nur mehr eine Frage der Zeit. Viel wichtiger sind die ökonomischen und sozialen Probleme, die mit der Selbständigkeit der Slowakei verbunden sind. Wenn wir aufgrund verfassungsrechtlicher Schritte selbständig werden, würden wir ja alle Menschenrechte respektieren, es gebe also keinen Grund, uns nicht anzuerkennen. Ökonomische, soziale und Verteidigungsaspekte sind viel wichtiger. Wir dürfen zu keinem Faktor der Instabilität werden.

Mit dem slowakischen Minister für internationale Beziehungen sprach Franz Gansrigier.

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