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Kein Friede für die .Stadt des Friedens4?

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Welche Bedeutung hat Jerusalem für Juden, Christen und Muslims. Auf diese Frage versuchte der israelische Univ.- Prof. R. J. Zwi Werblowsky bei seinem jüngsten Österreich- Besuch Antwort zu geben. Die FURCHE befragte den Religionswissenschafter von der Jerusalemer „Hebrew University" zur Problematik einer etwaigen Internationalisierung der Heiligen Stadt. Das Gespräch führte Linda Elias Bianco.

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Welche Bedeutung hat Jerusalem für Juden, Christen und Muslims. Auf diese Frage versuchte der israelische Univ.- Prof. R. J. Zwi Werblowsky bei seinem jüngsten Österreich- Besuch Antwort zu geben. Die FURCHE befragte den Religionswissenschafter von der Jerusalemer „Hebrew University" zur Problematik einer etwaigen Internationalisierung der Heiligen Stadt. Das Gespräch führte Linda Elias Bianco.

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FURCHE: Sie sagen in ihren Schriften, Jerusalem habe als heilige Stätte seinen Wert in sich selbst und diene Gott als „Vorbild jiirsein himmlisches Jerusalem“ - wie es ja auch im Talmud steht...

PROFESSOR R. J. ZWI WERBLOWSKY: Zion oder Jerusalem - beide Namen stehen für den gleichen Ort: er ist der Lebensnerv des jüdischen Volkes.

Die Christen dagegen haben den Akzent auf das himmlische Jerusalem als Urbild der Kirche verlegt. Für sie hat sich somit im Laufe der Zeit eine „Ent- territorialisierung“ der Heiligen Stadt ergeben.

FURCHE: Die Christen stellen keinerlei territorialen Ansprüche an Israel. Sie möchten nur ein Besuchsrecht für alle religiösen Gedenkstätten und eine Garantie dafür haben, daß der Unterhalt ihrer Kirchen gewährleistet ist.

WERBLOWSKY: Sofort nach dem Sechs-Tage-Krieg hat der damalige Ministerpräsident Levi Eschkol sämtliche Kirchenoberhäupter zu sich gerufen und ihnen feierlich im Namen der israelischen Regierung freien Zugang und freie Verwaltung garantiert.

Das bringt auch manchmal Schwierigkeiten mit sich, wenn etwa die koptische und die äthiopische Kirche bei kirchlichen Streitigkeiten israelische Gerichte zur Schlichtung,anrufen. Israel möchte sich nach Möglichkeit nicht in kirchliche Belange einmischen.

FURCHE: Die heiligen Stätten der Moslems beruhen - im Gegensatz zu Judentum und Christentum - auf Legendenbildungen. Geben sie damit ihren polnischen Ansprüchen etwa eine religiöse Verbrämung?

WERBLOWSKY: Im Gegensatz zur christlichen Tradition, in der Jerusalem ein himmlisches Symbol ist, machten die Moslems niemals einen Unterschied zwischen religiöser und politischer Macht. Daher streichen sie heute den religiösen Nimbus stärker heraus und mißbrauchen ihn für politische Zwecke,

Wenn etwa der verstorbene saudische König Faisal den Wunsch geäußert hatte, einmal in seinem Leben die mohammedanischen Heiligtümer nicht unter israelischer Herrschaft besuchen zu können, frage ich mich, warum er das nicht 20 Jahre vorher tat: nämlich alsfOst-Jerusalem noch unter jordanischer Herrschaft stand.

FURCHE: Warum werfen Sie in einem Pamphlet den Christen Scheinhei ligkeit gegenüber Jerusalem vor? Können Siesich leichter mit der „politischen Weltlichkeit“ der arabischen Ansprüche abfinden?

WERBLOWSKY: Jede Religion hat ihre eigenen Maßstäbe. Diemohammedanische Tradition hat niemals zwischen weltlichen und religiösen Bestrebungen unterschieden.

Wenn daher die Araber aus ihrem Glauben heraus Ansprüche stellen, ist das ihrer Mentalität nach verständlich, wenngleich nicht sympathisch, jedenfalls für mich nicht.

Wenn der Vatikan von Zeit zu Zeit Vorschläge für eine Internationalisierung Jerusalems macht, verfolgt er seine globalen politischen Interessen, inklusive jene, die die christlichen Minoritäten in den arabischen Staaten betreffen.

Er fürchtet, daß eine zu israelfreundliche Haltung des Heiligen Stuhles die Christen in den arabischen Ländern gefährden könnte. Wenn der Vatikan aber etwa den Außenminister der PLO empfängt, weiß er genau, daß Israel deswegen nicht die Kirche oder die Orden drangsaliert.

FURCHE: Wie stehen Sie zur Internationalisierung Jerusalems?

WERBLOWSKY: Durch eine Internationalisierung dieser Stadt kann gar nichts verbessert werden. Die historischen und politischen Erfahrungen mit internationalisierten Städten - nehmen Sie nur das Beispiel Danzig her - sind die denkbar schlechtesten.

Wenn sich die Vereinten Nationen in diese Angelegenheiten einmischen, kann Jerusalem nur zu einem Tummelplatz für Intrigen werden.

Stellen Sie sich nur einmal vor, unter der Grabeskirche müßte eine Kanalisation gebaut werden: Wir müßten dann etwa die DDR oderdie Sowjetunion um ihre Zustimmung fragen. Es ist politisch wesentlich realistischer, wenn Jerusalem unter israelischer Verwaltung belassen wird.

FURCHE: Das könnte aber auch bedeuten, daß Jerusalem, „Stadt des Friedens“, noch mehr Haß, Streit und Kriege über sich ergehen lassen muß.

WERBLOWSKY: Frieden fordert Opfer, Opfer tun weh, dessen sind wir uns bewußt. Aber Selbstmord - das kann man von uns nicht verlangen.

Die Frage der Internationalisierung der heiligen Stätten wurde von der arabischen Welt zu einem Problem aufgebläht; sie ist Bestandteil ihres politischen Kampfes.

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