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„Kein Mensch hat einen Überblick“

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Eines war von vornherein klar: Die Gegner der Fristenlösung haben eine große Verantwortung auf sich genommen, denn durch ihr entschlossenes Auftreten haben sie auch die Verpflichtung auf sich genommen, Abtreibungen entgegenzuwirken. Derartige Bemühungen sind vielfältiger Natur und reichen von der Aufklärung über das ungeborene Kind über die Kenntnis der Empfängsnisregelung bis zu konkreten politischen Forderungen und praktischen Hilfseinrich-, tungen.

Selbstverständlich bedarf es immer wieder der Anstöße, Menschen zu neuen Anstrengungen zu motivieren und ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu informieren, mitzutun, mitzuhelfen. Um eine solche Möglichkeit regelmäßig anzubieten, wird in Zukunft der 11. Mai in Österreich zum „Tag des Lebens“ werden. Wie bekannt, wurde am 11. Mai 1977 das Volksbegehren der Aktion Leben mit den Stimmen der Regierungspartei abgelehnt Damit sind die Bemühungen für den Schutz der ungeborenen Kinder und deren Mütter aber keineswegs in einer Sackgasse gelandet

Nein,derll. Mai wird heuer für eine Anzahl von Organisationen und Gruppen engagierter Menschen unter der Federführung der Aktion Leben zu einem Tag, der Gelegenheit geben soll, Ja zum Leben zu sagen; durch Gebet, durch Information, durch eine Tat der Nächstenliebe.

Wie sieht die Abtreibungsszene aus? Kein Mensch hat wirklich einen Überblick. Zwar gibt es eine Reihe von Mo-saiksteinchen, das ganze Bild jedoch kennt niemand. Unbekannt ist, wieviele Eingriffe vorgenommen werden, unbekannt, aus welchen Gründen, unbekannt, wie das Verhältnis Fristenlösung zu Indikationen aussieht. Nicht bekannt sind die Methoden der Abtreibung, nicht bekannt ist, welches die häufigsten Gründe für den Eingriff sind.

Bekannt hingegen ist, daß ein Fonds der Gemeinde Wien Abtreibungen für soziale Notfälle finanziert; offiziell steht auf den Uberweisungsscheinen an die Spitäler „Familienplanung“ und diese Vorgangsweise wird auch empfohlen, wenn die Frau das Kind eigentlich haben möchte. Bekannt ist, daß manche Spitalsärzte den Patientinnen sagen, im Spital sei innerhalb der für sie noch möglichen Frist kein Termin mehr frei, allerdings, in der eigenen Privatordination, da ließe es sich, gegen entsprechendes Honorar, versteht sich, naja, sagen wir übermorgen noch machen...

Allerdings, gelegentlich werden auch im Lager der Befürworter der Fristenlösung Stimmen laut, die meinen, eine Zählung der Abtreibungen wäre sinnvoll, eine Trennung zwischen

beratendem und abtreibendem Arzt wäre ein Schritt weg von der schamlosen Geschäftemacherei, eine Bindung an ein Spital oder einen eindeutig qualifizierten Facharzt läge im Interesse der Gesundheit der Frau.

Zum Bild der Abtreibungsszene gehört auch noch, daß es fast unmöglich ist, für eine schwangere Frau eine Anstellung zu finden, sehr schwer ist, rasch eine Wohnung aufzutreiben und daß sie sehr oft vom Vater des Kindes alleingelassen wird oder die Abtreibung der Preis für die Fortführung der Beziehung ist

Wir haben uns vorgenommen, unser Hilfangebot zu erweitern und eine Wohngemeinschaft für alleinstehende Mütter zu errichten. Sie ist dringend notwendig. Wir werden den 11. Mai dazu benützen, darauf hinzuweisen, wer Hilfe gewährt, daß noch mehr getan werden muß und daß das ungebo-rene Kind auch ein Mensch ist, dem man sein Lebensrecht nicht willkürlich absprechen soll.

Beim Tag des Lebens wird viel Jugend mitmachen. Jugend, die merkt, daß die Welt die sie sich anschickt zu übernehmen, ein recht unwirtlicher Platz wird, und die nicht untätig zusehen möchte, wie ein Wert nach dem anderen vernichtet wird. Der unentgeltlichen Mitarbeit vieler Menschen sind wir also sicher. Aber die Organisation und vor allem auch die Wohngemeinschaft kostet Geld. Dieser Ausgabe der FURCHE liegt ein Zahlschein bei, den wir zu beachten bitten. Auch an der Spontaneität der Spenden soll erkennbar sein, daß sehr viele Menschen zielstrebig helfen.

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