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Kein Mißtrauen mehr den andern gegenüber

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„Jesus Christus und die Religionen“ war das Generalthema der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen. In der Vorwoche stellte die FURCHE die Frage, ob und wie weit sich die in dieser Themenformulierung immer noch zum Ausdruck kommende Vorrangstellung des Christentums allen anderen Religionen gegenüber angesichts der weltweiten Begegnung der Religionen und der daraus resultierenden Situation eines nicht mehr rückgängig zu machenden religiösen und weltanschaulichen Pluralismus überhaupt noch aufrecht erhalten läßt.

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„Jesus Christus und die Religionen“ war das Generalthema der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen. In der Vorwoche stellte die FURCHE die Frage, ob und wie weit sich die in dieser Themenformulierung immer noch zum Ausdruck kommende Vorrangstellung des Christentums allen anderen Religionen gegenüber angesichts der weltweiten Begegnung der Religionen und der daraus resultierenden Situation eines nicht mehr rückgängig zu machenden religiösen und weltanschaulichen Pluralismus überhaupt noch aufrecht erhalten läßt.

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Die entscheidende Frage, die sich heute im Hinblick auf die weltweite Begegnung der Religionen und auf den religiösen Pluralismus stellt, ist nun die, wie das Christentum auf diese Herausforderung reagiert; wie seine schöpferische Antwort auf diese Herausforderung lauten muß. Daß dafür die traditionelle Formel von der Absolutheit des Christentums nicht mehr ohne weiteres geeignet ist, steht heute für die Mehrzahl der christlichen Theologen völlig außer Frage.

In der Tat befinden sich heute die christlichen Kirchen und insbesondere, die katholische Kirche an einem historischen Wendepunkt ihrer Theologiegeschichte, wenn sie sich nunmehr nach einer fast 2000jähri-gen Vergangenheit zum ersten Mal offen und im Bemühen um Fairneß den nichtchristlichen Religionen zuwenden.

Diese Zuwendung wird nicht mehr getragen von Mißtrauen und Verachtung, nicht mehr von jenem kämpferischen Willen, der im NichtChristen den dezidierten Feind erblicken zu müssen glaubte, um ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Mehr noch: In der Öffnung der “christlichen Kirchen den nicht-christh^hen Religionen gegenüber werden nach und nach auch die Strukturen eines neuen Ansatzes des eigenen christlichen Religionsverständnisses sichtbar.

Auf dem Boden des Prinzips der Religionsfreiheit, zu dem sich heute die christlichen Kirchen vorbehaltlos bekennen, wurde eine neue theologische und heilsgeschichtliche Deutung der nichtchristlichen Religionen entwickelt und zu diesem Zweck die vergleichende Religionswissenschaft in die christliche Theologie integriert.

Immerhin ist diese Öffnung auch mit Problemen, ja Gefahren verbunden. Als besonders bedenklich bezeichnete Univ.-Prof. Ansgar Paus die verbreitete wissenschaftliche Behauptung, wonach der Vergleich der geschichtlich gewordenen historischen Religionen vor vornherein jede wertende Beurteilung verbiete, so daß es also nicht möglich sei, einer einzigen von ihnen eine Vorrangstellung zuzuerkennen.

Im Gegensatz dazu kann man auch fragen, ob der Dialog mit den nicht-christlichen Religionen nicht immer noch allzu einseitig aus dem Blickwinkel des Christentums geführt wird, indem es von sich aus alle Fragen und Themen vorbestimmt und eben dadurch den nichtchristlichen Gesprächspartnern die Möglichkeit nimmt, aus ihrer Perspektive das Christentum in Frage zu stellen.

Weiters wäre zu fragen, ob es demgegenüber nicht ganz entscheidend darauf ankäme, endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, wie die nichtchristlichen Weltreligionen ihrerseits das Christentum sehen, wenn aus einem dialogisch verbrämten Monolog ein echter Dialog werden soll. Diese für die Zukunft des interreligiösen Gesprächs entscheidende Frage stand im Mittelpunkt eines von Univ.-Prof. Hans Waldenfels geleiteten Seminars.

In einer solchen Perspektive stellt sich die Frage nach den Konsequenzen eines religiösen Pluralismus, der über ein bloßes Nebeneinander weit hinausgeht, für das eigene christliche Religionsverständnis. Stehen wir hier vor einer neuen kopernikani-schen Wende und wenn ja, wie ist dieses neue Bewußtsein mit dem christlichen Universalismus vereinbar? Wird sich das christliche Selbstverständnis und Wahrheitsverständnis in Zukunft in entscheidender Weise wandeln?

Es ist nicht nur der religiöse und weltanschauliche Pluralismus, durch den sich heute das Christentum in entscheidender Weise herausgefordert sieht. Nicht minder beunruhigend ist auch die außerordentliche Dynamik, mit der sich heute der Aufbruch bis vor kurzem noch stagnierender Weltreligionen vollzieht und die alle Prognosen über das Ende der Religionen ad absurdum führt.

Ungeachtet der positiven Bewertung, die der Islam in der Erklärung des Ü. VättkaniscHerf Konzils über die nichtchristlichen Religionen gefunden hat, ist dieser immer noch von einem tiefen Mißtrauen gegen das Abendland erfüllt, das trotz aller Bemühungen um einen christlich-islamischen Dialog nicht ohne weiteres abgebaut werden kann.

Dennoch kann man heute schon von einem tiefgreifenden Wandel des Verhältnisses der beiden monotheistischen Weltreligionen zueinander sprechen, nachdem nun von christlicher Seite die jahrhundertelange Ära der offenen Konfrontation beendet wurde.

Nicht minder tiefgreifend ist der Wandel des Verhältnisses zwischen Christentum und Judentum, über das der Wiener Judaist Prof. Kurt Schubert referierte. Für die Christen ist und bleibt das hartnäckige Pochen des auserwählten Volkes auf seine heilsgeschichtliche Mission und die Leugnung Jesu Christi als Messias und Sohn Gottes ein Ärgernis.

Die Juden wiederum sehen in ihrer Degradierung zum bloßen „Vorläufer“ des Christentums, wie sie etwa in der heilsgeschichtlichen Relativierung der hebräischen Bibel zum „Alten Testament“ zum Ausdrück kommt, eine grobe Verkennung ihrer heüsgeschicHäieheh1 Sendung,'r“an der auch das Auftreten des Christentums nichts geändert habe.

Wie aus dem Vorangegangenen deutlich geworden sein dürfte, ist das Gespräch zwischen den drei monotheistischen Religionen durchaus nicht leicht. Es wird noch wesentlich schwieriger, wenn die femöstlichen Religionen des Hinduismus und des Buddhismus ins Spiel kommen. Ganz abgesehen von der totalen Andersartigkeit der geistigen Welt dieser Religionen, besteht hier die Herausforderung vor allem darin, daß für viele westliche Menschen, die des Christentums überdrüssig geworden sind, das Licht heute „aus dem Osten“ kommt. Man kann von einem geistigen Einbruch dieser Religionen in den christlichen Raum sprechen -man denke nur etwa an die Faszinationskraft der fernöstlichen Meditationspraktiken.

DalDei ist es nur von untergeordneter Bedeutung, ob dieser Einbruch von einer organisierten Mission getragen wird oder nicht. Viel schwieriger ist die Tatsache, daß die fernöstlichen Religionen des Hinduismus und des Buddhismus einen Universalitätsanspruch erheben, d,er jenem des Christentums durchaus analog ist.

Wie kann also das Christentum heute auf die Herausforderung der konkurrierenden Ansprüche der Religionen und Weltanschauungen reagieren, ohne damit seinen eigentlichen Universalitätsanspruch preiszugeben? Alle großen Religionen sind in letzter Hinsicht auf das Heil des Menschen bezogen, sosehr auch Inhalt und Wege voneinander abweichen mögen.

In einem Colloquium über die „Vorstellungen vom Heü in den Religionen und das Heil in Jesus Christus“ beschäftigte sich Prof. Heinrich Fries (München) mit den Heilsvorstellungen und Heilswegen des Hinduismus und des Buddhismus. Auf die Frage, wie sich diese Heilsvorstellungen zur universalen Heilsbedeutung der Person Jesu Christi verhalten, antwortete Fries mit dem Hinweis auf die Nicht-Exklusivität des Christus, der alle Werte der religiösen Menschheitstradition in sich vereinigt.

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