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Kein Parvenü in Wien

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König Pfemysl Ottokar II. von Böhmen ist für den österrei^ eher eine Unperson. Der Österreicher hat ihn vollkommen aus seinem historischen Bewußtsein verdrängt, obwohl dieser Herrscher rund ein Viertel jähr hundert lang über weite teile Österreichs regierte.

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König Pfemysl Ottokar II. von Böhmen ist für den österrei^ eher eine Unperson. Der Österreicher hat ihn vollkommen aus seinem historischen Bewußtsein verdrängt, obwohl dieser Herrscher rund ein Viertel jähr hundert lang über weite teile Österreichs regierte.

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1251, noch als Kronprinz von Böhmen, wurde er durch seine Hochzeit mit der viel älteren Margarethe von Österreich, der letzten Babenberge-rin, einer Tochter des Herzogs Leopold des Glorreichen und Witwe nach dem deutschen König Heinrich VI. Herzog von Österreich,

1252 Herzog von Steiermark und 1269 Herzog von Kärnten und Krain.

1253 bestieg er den böhmischen Königsthron.

Seine Regierung war für Österreich von großer Bedeutung. Unter ihm entstand der größte Teil des romanischen Stephansdomes; nach den Zerstörungen von 1945 fand man die Grundmauern dieses ursprünglichen Bauwerks. Ottokar gründete in Wien eine Lateinschule, das heute noch bestehende humanistische Gymnasium im 1. Bezirk. Er schuf das erste große Wiener Bürgerspital und übergab dieses dem von seiner Tante, der seligen Agnes von Böhmen, gegründeten Kreuzherren-Orden. Er gründete die Städte Leoben und Bruck, und wegen einer besseren Verbindung von Wien dorthin, schuf er die auch heute noch bestehende Bundesstraße 17. Er teilte Niederösterreich in die bis heute existierenden Viertel. Durch die Geschichtsforschung ist erwiesen, daß er ein großer Förderer des Gewerbes und der Künste war. Hinter dem Rokokovorbau der Wiener Minoritenkirche verbirgt sich ein frühgotisches Tor, das diesen bedeutenden Herrscher als Stifterfigur zeigt. War er doch, der Tradition seiner Familie gemäß, ein großer Freund der Franziskaner. In dieser Kirche wurde er auch nach seinem Tod in der Schlacht bei Dürnkrut aufgebahrt und zunächst beigesetzt.

Das schlechte Bild, das die Österreicher von Ottokar haben, richtiger gesagt: die totale Unkenntnis seiner Tätigkeit als Herrscher, geht auf den Hofrat Grillparzer zurück, der mit „Köllig Ottokars Glück und Ende“ diesen Mann völlig verzeichnete. Allerdings ist Grillparzers Dichtung ja eine Art von Schlüsselroman, denn in Wirklichkeit schrieb Grillparzer damit ein Stück gegen den Parvenü Napoleon, der vor dem alten Kaisergeschlecht der Habsburger, das ihn überwunden hatte, in Schmach und SChande versinken sollte.

Parvenü war nun wieder Pfemysl Ottokar keineswegs. Väterlicherseits entstammte er dem uralten tschechischen Herrschergeschlecht, seine Mutter war eine Hohenstaufin, seine Großmutter eine Arpädin. Die heilige Elisabeth von Thüringen war seine Tante und die heilige Hedwig von Schlesien seine Großtante.

Neben dem Stephansdom erinnert aber auch noch ein anderes Gebäude an die Zeit dieses Herrschers: der Schweizerhof der Hofburg in Wien. Die Babenberger residierten, seit sie sich in Wien niedergelassen hatten, „Am Hof“ und ihre Burg befand sich dort, wo heute das Gebäude der Länderbank steht. Pfemysl Ottokar. erbaute sich seine Residenz an der Stelle des heutigen Schweizerhofes und Reste seiner Residenz stecken auch noch im heutigen Gebäude, das, wie eben die Burgen der damaligen

Zeit, von vier Türmen flankiert war, ähnlich der Burg von Wiener Neustadt oder dem Schloß Orth im Marchfeld. Einer dieser Türme ist deutlich zu erkennen, allerdings nur im Innern der Hofburg: es ist die sogenannte Zehrgadenstiege, die innerhalb des verbauten Turms emporführt.

Die Burg Ottokars hatte ein großes Eingangstor, samt Zugbrücke über den umgebenden Graben. Als

Ferdinand f., der Bruder Karls V., nach Wien kam, konnte er mit den bescheidenen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen (der Türkenkrieg verzehrte alle Einnahmen), nur wenig zur Verschönerung seiner heuen Hauptstadt tun, die seit 1526 auch der ehemaligen Pf emyslidischen Burg, in die er inzwischen eingezogen war, eine Art von Metropole für die drei zusammengeschlossenen Reiche Österreich, Böhmen und Ungarn geworden war. Ferdinand I. hatte kein Geld, aber er wollte doch ein sehr signifikantes Bauwerk hinterlassen, das die Nachwelt an ihn erinnern sollte. Und so ließ er das bereits bestehende Tor umbauen und verschönern. 1552 und 1553 ließ er das Portal sowohl an der Außen-, wie auch an der Innenseite samt der Torhalle verzieren und im Stil seiner Zeit mit Wappen und Grotesken bemalen. Den Hauptschmuck bildet seither das Wappen Ferdinands I. selbst, das ihn als Römischen König ausweist. Ihm gliedern sich die Wappen von Tirol, Flandern, Österreich, Kastilien, Burgund, Ungarn und Böhmen an. Links und rechts von seinem Wappen ließ Ferdinand alle seine Titel anführen. Wer Wappen nicht lesen kann, ersieht somit aus der Inschrift, daß Ferdinand Römischer König (der zu Lebzeiten des Römisehen Kaisers gewählte Nachfolger) war, dazu König von Deutschland, Ungarn und Böhmen, Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Infant von Spanien usw. In der Wölbung des Torbaues finden sich noch die Wappen von Oberösterreich, Steiermark, Kärnten und Krain. Da Ferdinand, wie erwähnt, nur wenig Geld hatte, mußte er billigen Quarzsandstein verwenden, der von nur geringer Wetterbeständigkeit ist. Das machte zahlreiche Restaurierungen im Laufe der Zeit notwendig. 1949 ist das Tor, dank der Munifizenz eines Auslandsösterreichers, neuerlich restauriert worden, aber die Farben waren zur damaligen Nachkriegszeit miserabel und verblaßten bald. Aus Anlaß des Jahres des Denkmalschutzes ermöglichte nun die Erste österreichische Spar-Casse durch eine großzügige Spende die jüngste Restaurierung, die vor kurzem vollendet wurde. Da jetzt wesentlich besseres Material verwendet werden konnte, ist zu hoffen, daß diese Restaurierung für lange Zeit die letzte sein wird. Im übrigen waren die Kosten der Wiederherstellung gar nicht so hoch. Sie betrugen rund eine Viertelmillion Schilling. Einheimische und Fremde, die jetzt am Schweizer Tor (so benannt, weil unter Maria Theresia hier die Schweizer Garden Dienst machten) vorübergehen, sollten nicht versäumen, einen Blick auf dieses einfache, aber prachtvolle Monument, das sich Ferdinand I. setzte, zu werfen. Und sie sollten darüber nachdenken, ob dieses Beispiel eines modernen Mäzenatentums nicht des öftern Nachahmung finden könnte.

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