6978929-1986_04_04.jpg
Digital In Arbeit

Kein Plate für Fremde

19451960198020002020

Die Grenzen in der „Alten Welt" werden dichtgemacht - vor aljem für Flüchtlinge aus Übersee. Der Europarat plant nun eine Initiative und wirbt für mehr Verständnis.

19451960198020002020

Die Grenzen in der „Alten Welt" werden dichtgemacht - vor aljem für Flüchtlinge aus Übersee. Der Europarat plant nun eine Initiative und wirbt für mehr Verständnis.

Werbung
Werbung
Werbung

In der FURCHE (Nr. 51/52 vom 20. Dezember 1985) ist eine Reihe von Artikeln zur Frage des Asylrechts und seiner angeblichen Einschränkung in Österreich erschienen. Diese Darstellungen bedürfen noch einiger Ergänzungen.

In keiner der Darstellungen wurde ein internationaler Vergleich angestellt. Das ist aber deshalb notwendig, weil sich vor al-

lern der Europarat seit geraumer Zeit mit der Frage der Eindämmung der Asylgewährung in vielen seiner Mitgliedstaaten befaßt.

In einer Reihe von internationalen Konventionen, auch sorchen des Europarates, ist das Asylrecht recht gut verankert. Gemeint ist hiebei das Recht, Asyl zu erlangen (Recht auf Asylgewährung, droit ä l'asile, right to asylum), das der Asylwerber hat, nicht das Recht des angepeilten Aufnahmestaates, Asyl zu gewähren. Ein solches Recht (droit d'asile, right to asylum) ist zufolge der Souveränität der Staaten ohnehin selbstverständlich.

Die Asylgewährung darf heute auch keinem Staat als unfreundlicher Akt gegen einen anderen Staat nach dem Völkerrecht vorgeworfen werden. Die Afrikanische Flüchtlingskonvention der OAU (Organisation für afrikanische Einheit) schließt einen solchen Vorwurf ganz formell aus.

Erst seit relativ kurzer Zeit sind in Österreich Erscheinungen der Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) gegenüber Asylbewerbern zu beobachten. Seit einiger Zeit aber erfolgt in zahlreichen Staaten Europas die Asylgewährung nur mehr mit dem Tropfenzähler.

Das trifft nicht nur auf Finnland zu, das auf sowjetischen Druck hin Flüchtlingen aus der Sowjetunion kein Asyl gewährt beziehungsweise gewähren darf,

sie aber nicht zurückschickt, sondern (meist nach Schweden) weiterweist. Kraß ist diese Entwicklung in der Schweiz, aber auch — wegen der „Kreuzberg-Türken" in West-Berlin vor allem - in der Bundesrepublik Deutschland und zunehmend auch in Spanien und in Italien.

Deshalb hat sich der Europarat, Komitee für Wanderung, Flüchtlinge und Demographie, unter der Leitung seines Präsidenten Claude Dejardin (Berichterstatter Wilfried Böhm und der italienische Christdemokrat Franco Fo-schi) seit Beginn 1985 mit diesen Erscheinungen befaßt.

Im Februar und im März 1985 haben vor allem Franco Foschi wie auch der (ebenfalls italienische) Sekretär des Komitees, Roberto La Porta, eine Empfehlung ausgearbeitet betreffend „Lebens- und Arbeitsbedingungen von Flüchtlingen und Asylwerbern" in den Aufnahmestaaten.

Darin werden die Mitgliedstaaten des Europarates aufgefordert, den Asylbewerbern auch tatsächlich Asyl zu gewähren und sie nicht zurückzuschicken (Prinzip des non-refoulement, das heute ein Völkerrechtsgrundsatz ist). Darüber hinaus sollen die Aufnahmestaaten die Asylbewerber nicht als Staatenlose dahinvegetieren lassen, sondern ihnen im Rahmen der Möglichkeiten auch die Staatsangehörigkeit verleihen.

Am 26. September 1985 hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates diese Empfehlung (Doc. 5380 revised) auch nahezu einstimmig genehmigt. Auch der österreichische Vertreter erklärte sich einverstanden.

Daß es in Österreich so gut wie ausgeschlossen ist, daß ein Asylbewerber, der behauptet, aus wohlbegründeter Furcht vor (politischer) Verfolgung nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren zu können, zurückgestellt wird, geht

auch aus der Erklärung von Innenminister Karl Blecha in der FURCHE hervor.

Nicht recht hat Minister Blecha mit seiner Behauptung, dem jugoslawischen Flüchtling widerfahre nichts Nachteiliges in seinem Herkunftsland. Es gibt da nun einmal ein mixtum compositum zwischen Flucht aus wirtschaftlichen und politischen Gründen.

Wer im Mai die alte Kirche auf dem Berg in Zagreb zur Maiandacht besucht, wundert sich wohl, daß dort keine Männer anzutreffen sind, sondern nur (eher viele) Frauen. Erkundigt man sich, so erfährt man aber, daß die Staatspolizei diesen Kirchenbesuch überwacht und männliche Maiandachtsbesucher vermerkt. Diese dürfen dann nicht mehr „u fusu" („im Pfusch") nachmittags ab 14 Uhr nach ihrer regulären Arbeitszeit arbeiten und das dazuverdienen, was sich bei den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Jugoslawien als notwendig erweist.

Uberhaupt ist der Begriff „Wirtschaftsflüchtling" problematisch, wozu auf die Ergebnisse der Parlamentarischen Enquete vom 13. Jänner 1982 (auch in der Staatsdruckerei gedruckt erschienen) hinzuweisen ist.

Stets hat sich Österreich daran gehalten, keinen Asylbewerber (es sei denn, er ist erwiesenermaßen ein „agent provocateur" eines Staatssicherheitsdienstes) zu-

rückzuweisen oder zurückzuschicken.

Selbst in kritischen Referaten, die die Ausführungen von Erhard Busek in der FURCHE zu bestätigen scheinen (wie jenem des Salzburger Völkerrechtlers Michael Geistlinger auf dem Kongreß der AWR - Association for the Study of the World Refugee Problem — in Urbino Ende September 1985), sprach man nur von Schwierigkeiten beim Anerkennungsverfahren in Österreich (nach dem österreichischen Asylgesetz), nie aber von einem Fall des „refoule-ment".

Das Asylrechtsproblem liegt heute in Österreich wie überhaupt in den westlichen Staaten Europas in der eher raschen Zunahme von Asylbewerbern aus außereuropäischen Gebieten.

Es sind dies meist die „refugees in orbit" (weltweite Wanderer oh-

ne Ziel), allenfalls auch „boat people", „schriftenlose Ausländer" (dies ist ein schweizerischer Asylrechtsbegriff) oder ad hoc-Flüchtlinge, vor allem Tamilen aus Südostasien, die bis vor kurzem über Ost-Berlin (Lichterfelde) kamen, jetzt auf anderen Schleichwegen, Somalis, Pakistanis (vielfach Mediziner) und Iraner.

Da deren Integration ungleich schwieriger ist als jene der Jugoslawen, Maghrebinier und sogar Türken - von Polen und Tschechen ganz^abgesehen -, plant man derzeit die Schaffung einer eigenen europäischen Flüchtlingskonvention. Darüber soll im September 1986 in Straßburg beraten werden, unter anderem anhand von Entwürfen der Otto Benecke-Stiftung Bonn.

Der Autor leitet die Forschungsstelle für Nationalitätenrecht und Regionalismus der Universität Innsbruck.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung