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Kein Platz für Innitzer

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Zum 100. Geburtstag des einstigen Wiener Erzbischofs wurde im Dezember 1975 eine Theodor-Kardinal-Innitzer-Gesellschaft gegründet. Vorstand und Mitglieder setzen sich überwiegend aus Teilnehmern an jener Rosenkranzandacht vom 7. Oktober 1938 zusammen, bei der Tausende junge Wienerinnen und Wiener mit ihrem Bischof ein mutiges Bekenntnis zum Glauben ablegten. Heute, genau 40 Jahre später, hat Kardinal Innitzer als einziger Bischof Wiens noch immer kein Denkmal in Form einer Straßen- oder Platzbenennung erhalten. Die Gesellschaft hat eine solche am 14. Juni 1976 beantragt und bis heute darauf keine offizielle Antwort des Magistrates erhalten. Wir veröffentlichen im folgenden kommentarlos eine Darstellung des Präsidenten der Innitzer-Gesellschaft, Professor Kurt Dieman, Fernsehautor, Publizist und Mitglied der Wiener Mehrheitsp'artei: Dokumentation nicht eines Konfliktes zwischen Kirche und Sozialismus, sondern eines Ringens angesehener Bürger dieser Stadt mit einer Amts- und Parteibürokratie.

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Zum 100. Geburtstag des einstigen Wiener Erzbischofs wurde im Dezember 1975 eine Theodor-Kardinal-Innitzer-Gesellschaft gegründet. Vorstand und Mitglieder setzen sich überwiegend aus Teilnehmern an jener Rosenkranzandacht vom 7. Oktober 1938 zusammen, bei der Tausende junge Wienerinnen und Wiener mit ihrem Bischof ein mutiges Bekenntnis zum Glauben ablegten. Heute, genau 40 Jahre später, hat Kardinal Innitzer als einziger Bischof Wiens noch immer kein Denkmal in Form einer Straßen- oder Platzbenennung erhalten. Die Gesellschaft hat eine solche am 14. Juni 1976 beantragt und bis heute darauf keine offizielle Antwort des Magistrates erhalten. Wir veröffentlichen im folgenden kommentarlos eine Darstellung des Präsidenten der Innitzer-Gesellschaft, Professor Kurt Dieman, Fernsehautor, Publizist und Mitglied der Wiener Mehrheitsp'artei: Dokumentation nicht eines Konfliktes zwischen Kirche und Sozialismus, sondern eines Ringens angesehener Bürger dieser Stadt mit einer Amts- und Parteibürokratie.

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Offizielle Eingabe an die Magistratsabteilung VI (Amt für Kultur und Volksbildung), 14. Juni 1976 (Auszug):

„Im Sinne des Vereinszweckes, das Andenken des großen Kirchenmannes zu pflegen, das historische Bild seiner Persönlichkeit ins rechte Licht zu rük-ken und seine hervorragenden Leistungen und Verdienste auch als Gelehrter, als Minister für soziale Verwaltung und Rektor der Wiener Universität der Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen, hat mich der Vorstand beauftragt, an die Stadt Wien sein Ansuchen heranzutragen, die Benennung einer Verkehrsfläche nach Theodor Kardinal Innitzer in die Wege leiten zu wollen .. . Die bevorstehenden großen Feiern zur 25. Wiederkehr der Domeröffnung im April 1977 wären immerhin ein schöner Anlaß, daß offensichtlich Versäumte endlich nachzuholen.“

Vorsprache bei Stadtrat Nittel, 7. Juli 1976:

Stadtrat Nittel wird von Prof. Diemann über den offiziellen Antrag informiert und um freundliche Unterstützung gebeten. Der Stadtrat äußert sich positiv.

Telefonate am 10. September 1976:

Bei Urgenzen in der zuständigen Magistratsabteilung werden, hinhaltende Auskünfte erteilt: Es müsse zunächst ein „historisches Fachgutachten“ über den Lebenslauf des Kardinals eingeholt werden, ehe ein offizieller Antrag im Gemeinderat gestellt werden könne.

Vorsprache bei Stadtrat Nittel, 8. Oktober 1976:

Zur Anfrage, was mit dem offiziellen Antrag inzwischen geschehen sei, verspricht Nittel, sich zu erkundigen.

Prof. Dieman an Stadtrat Nittel, 25. November 1976 (Briefauszug):

„Darf ich Dich nochmals bitten,' in Sachen Verkehrsflächenbenennung nach Kardinal Innitzer vorzustoßen. Das Verfahren zieht sich sehr in die Länge. Ich höre, daß man im Rathaus von einem .politischen Problem' spricht.... Es gibt genug historisches Material, so daß ein Fachgutachten der zuständigen Stellen doch auf keine Schwierigkeiten stoßen kann.“

Dieman an Bürgermeister Gratz, 8. Februar 1977 (Briefauszug):

„Namens und auftrags der ,Theo-dor-Kardinal-Innitzer-Gesellschaft' habe ich mit Schreiben vom 14. Juli vergangenen Jahres die Bitte an die Magistratsabteilung VII gerichtet, eine Verkehrsfläche in Wien nach Kardinal Innitzer zu benennen. Irgendeine schriftliche Rückäußerung ist mir bis heute nicht zugegangen. Ich habe nur inoffiziell erfahren, daß die Entscheidung jetzt bei Ihnen, Herr Bürgermeister, und einem Sie beratendem Kreis von SPÖ-Mandataren liegt.

Dieman an Stadtrat Nittel, 8. Februar 1977 (Briefauszug):

„In Sachen ,Kardinal-Innitzer-Verkehrsflächenbenennung' habe ich noch immer keinen Bescheid - keinen positiven, denn einen anderen könnte ich gar nicht erwarten. Mit gleicher Post schreibe ich dem Herrn Bürgermeister ... Darf ich Dich nochmals um Deine Hilfe bitten ...“

Stadtrat Nittel an Dieman, 14, Februar 1977 (Briefauszug):

* „Deinen Brief vom 8. 2. 1977 habe ich erhalten. Wie ich Dir bereits persönlich mitgeteilt habe, ist Bürgermeister Gratz über Deinen Wunsch informiert. Er will über diese Angelegenheit mit Kardinal König sprechen. Auf jeden Fall werde ich mit. dem Bürgermeister noch einmal reden.“

Gespräch mit Bürgermeister Gratz, 1. März 1977, im „Club 45“:

Bürgermeister Gratz wird höflich, aber entschieden vorgehalten, daß in der Angelegenheit keinerlei offizielle Stellungnahme zu erhalten ist und daß auch zahllose Bitten um ein persönliches Gespräch vom Bürgermeisterbüro immer wieder abgewimmelt wurden. Der Bürgermeister verweist auf seine schwere Arbeitsüberlastung.

Dieman an Stadtrat Nittel, 27. März 1977 (Briefauszug):

„Noch einmal bitte ich Dich in Erinnerung an unsere freundschaftliche Zusammenarbeit um Deine Intervention ... Ende April jährt sich zum 25. Mal der Tag, da der Stephansdom nach den Kriegszerstörungen wieder zur Gänze den Wienern aufgeschlossen werden konnte. Auch an diesem für den Aufstieg Wiens symbolischen Aufbauwerk hatte Kardinal Innitzer seinen Anteil. Dieses Domjubiläum böte einen schönen Anlaß, die Verkehrsflächenbenennung durchzuführen.“

Dieman an Zentralsekretär Karl Ble-cha, 27. März 1977 (Briefauszug):

„Auftrags des Vorstandes der Kar-dinal-Innitzer-Gesellschaft habe ich mich an den Wiener Magistrat mit dem Ansuchen gewendet, eine Verkehrsfläche nach Kardinal. Innitzer zu benennen . . . Nicht einmal eine Einlaufbestätigung haben wir erhalten . . . Bürgermeister Gratz versprach mir vor Wochen ein Gespräch in dieser Angelegenheit. Dutzende Bitten um einen Termin blieben erfolglos. Ein paar liebe Entschuldigungsworte des Stadtoberhauptes im ,Club 45' helfen mir nicht aus einer Läge, die mich dazu zwingt, einer Gemeinschaft durchwegs honoriger.Österreicher zu einer anständigen.Behandlung ihrer Bitte zu verhelfen ... Darum bitte ich um Deine Hilfe und Deine Vermittlung.“

Gespräch mit Bürgermeister Gratz, 31. März 1977, im Rathaus:

Der Bürgermeister wird gebeten, wenigstens bis zum 7. Oktober 1978 die Angelegenheit einer positiven Erledigung zuzuführen. Der Bürgermeister erklärt seihe Bereitschaft, diesem verständlichen Wunsch nachzukommen, bittet aber um publizistische Unterstützung in der Öffentlichkeit, da Widerstände radikal Denkender in der Partei, vor allem der Jungsoziälisten, zu befürchten seien. Dem Bürgermeister wird versprochen, eine solche Unterstützung in Form von Publikationen in Presse und Rundfunk im Interesse der Sache zu gewähren. Bürgermeister Gratz empfiehlt Redakteur Kurt Stimmer, den Beauftragten für eine historische Kommission 1938, als Verbindungsmann zur Fortsetzung der Gespräche.

Stadtrat Nittel an Dieman, 20. Juni 1977 (Briefauszug):

„In Angelegenheit Kardinal-Innit-zer-Platz hat mir der Herr Bürgermeister mitgeteilt, daß er die Absicht hat, im Jahre 1978 eine Kommission zu schaffen, die über das Jahr 1938 in Wien Aussagen machen soll. In diesem Zusammenhang soll auch gleichzeitig auf die Haltung des Kardinals Innitzer hingewiesen werden, eine Platzbenennung könnte das Ergebnis sein. Ich bitte Dich noch vorläufig um etwas Geduld.“

Aus dem Protokoll der Generalversammlung der Innitzer-Gesellschaft, 1. Dezember 1977, im Erzbischöflichen Palais:

Herr Redakteur Stimmer überbringt die Grüße des Bürgermeisters von Wien, der sich gegenüber der Gesellschaft bereit erklärt, eine Verkehrsflächenbenennung im Jahre 1978 durchzuführen. Es ergibt sich, so betont Herr Redakteur Stimmer, nur eine gewisse Problematik'aus dem Umstand, daß nur eine neue Verkehrsfläche benannt werden kann, weil Umbenennungen auf unüberwindbare technische Schwierigkeiten stoßen würden, Herr Hofrat Markus Bittner regt an, den Kirchenplatz in Jedlersdorf (21. Bezirk), wo eine neue Kirche erbaut wird, nach Kardinal Innitzer zu benennen. Der Vorschlag findet allgemein Zustimmung.

Dieman an Bürgermeister Gratz, 4. Jänner 1978 (Briefauszug):

„Auftrags des Vorstandes der Theo-dor-Kardinal-Innitzer-Gesellschaft erlaube ich mir, den herzlichsten Dank auszusprechen für. die liebenswürdige Entsendung des Herrn Redakteurs Stimmer zu unerer Generalversammlung sowie für die uns durch Herrn Stimmer überbrachte Zusage unseres Stadtoberhauptes, eine Verkehrsflächenbenennung nach Kardinal Innitzer im Gedenkjahr 1978 in die Wege zu leiten.“

Dem Brief an den Bürgermeister wird das Sitzungsprotokoll beigelegt.

Mehrere Telefongespräche mit Redakteur Stimmer in Frühling 1978:

Es wird immer wieder höflich erklärt, daß die Angelegenheit „im Laufen“ sei.

Dieman an Senatsrat Dr. Peter Satra-ba, Präsidialbüro des Bürgermeisters, 19. Juni 1978 (Briefauszug):

„Vor vierzehn Tagen hatte ich das Vergnügen, mit Ihnen telefonisch zu sprechen. Darf ich nochmals höflichst in Erinnerung rufen: Der Herr Bürgermeister hat mir in einem Gespräch im Vorjahr seine Bereitschaft bekundet, das schon über zwei Jahre zurückliegende Ansuchen unserer Gesellschaft positiv zu erledigen. Herr Redakteur Stimmer gab im Auftrag des Herrn Bürgermeisters der Generalversammlung die Versicherung, daß die Verkehrsflächenbenennung noch heuer durchgeführt würde. Seither habe ich trotz mehrfacher Anrufe nichts Konkretes mehr in Erfahrung bringen können.

Telefongespräch mit Redakteur Stimmer, 13. Juli 1978:

Es wird mitgeteilt, daß seitens der SPÖ Floridsdorf gegen das Projekt Jedlersdorf Einwände im Hinblick auf Kardinal Innitzer und das Jahr 1934 (!) erhoben wurden. Es wird dem Präsidenten der Gesellschaft nahegelegt, sich in einem anderen Bezirk umzusehen (wobei nur ein Außenbezirk in Frage käme) und direkten Kontakt mit einem Bezirksvorsteher zu suchen.

Telefongespräch mit Bezirksvorsteher Hans Lackner (Liesing), 17. Juli 1978:

Prof. Dieman fragt an, ob im 23. Bezirk eine geeignete Verkehrsfläche nach Kardinal Innitzer benannt werden könnte. Der Bezirksvorsteher Lackner weist auf den noch nicht benannten Platz vor der Dreifaltigkeits-kriche (Wotrubakirche) auf dem Maurer Georgenberg hin.

Dieman an Bezirksvorsteher Lackner, 21. Juli 1978 (Briefauszug):

„Mit großer Freude habe ich den in der Ferialzeit erreichbaren Vorstandsmitgliedern unserer Gesellschaft von Deiner dankenswerten Bereitschaft berichtet, eine Verkehrsflächenbenennung nach Kardinal Innitzer im 23. Bezirk zu unterstützen ... In diesem Sinne habe ich mir erlaubt, Se. Eminenz, Kardinal König, zu informieren, desgleichen das Büro des Bürgermeisters.''

Telefongespräche mit Präsidialbüro, August 1978:

Senatsrat Satraba ist, obschon vom Urlaub zurückgekehrt, trotz mehrerer Versuche nicht zu erreichen.

Telefongespräch mit Redakteur Stimmer, 24. August 1978:

Kurt Stimmer teilt mit, daß der Herr Bürgermeister die Angelegenheit „nicht forcieren“ wolle, da Widerstände in der Sozialistischen Partei gegen eine Straßenbenennung nach Kardinal Innitzer in Wien vorhanden, seien, die erst mit der Zeit abgebaut werden könnten. Stimmer erklärt sich bereit, in den nächsten Tagen mit Gratz zu sprechen.

Telefongespräch mit Stimmer, 27. August 1978:

Kurt Stimmer teilt mit großem Bedauern mit, daß Bürgermeister Gratz bei der ablehnenden Haltung bleibe.

Telefongespräch mit Senatsrat Doktor Satraba, 29. August 1978:

Senatsrat Satraba erklärt, daß,es leider nicht möglich sei, die Bitte der Gesellschaft so schnell zu erledigen, vielleicht biete sich später noch ein historisches Datum an. Prof. Dieman verweist darauf, daß sowohl das Dpmjubi-läum wie das 40-Jahr-Gedenken des 7. Oktober 1938 ungenützt blieben. Die besten Gelegenheiten seien damit verstrichen und er werde dem Vorstand der Gesellschaft berichten.

Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Vorstandssitzung der Innitzer-Gesellschaft, 8. September 1978:

Der Vorstand beauftragt den Präsidenten, publizistische.Maßnahmen zu ergreifen und den Ablauf der zweieinhalbjährigen Bemühungen um eine Würdigung Kardinal Innitzers durch die Stadt Wien, die offenbar gescheitert sind, in geeigneter Form zü veröffentlichen.

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