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Kein Recht mehr, gespalten zu sein
Der 30. November 1979 wird in die Geschichte des Ökumenismus eingehen. Am Fest des Heiligen Andreas, des „erstberufenen Apostels“, wie man im Phanar den Patron des Patriarchats von Konstantinopel stolz nennt, unterzeichneten Papst Johannes Paul II. und Patriarch Dimitrios I. gemeinsam ein Dokument, in welchem sie feierlich bekräftigen, „alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um den Tag schnellstens herbeizufuhren, an welchem die volle Kommuniongemeinschaft zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche wiederhergestellt sein wird und wir endlich gemeinsam die Eucharistie feiern können.“ Außerdem gaben Johannes Paul II. und Dimitrios I. offiziell bekannt, daß der theologische Dialog vor seinem Anfang stehe und daß die Liste der mit diesem Dialog beauftragten katholisch-orthodoxen Kommission veröffentlicht werde.
Um den Fortschritt in den ökumenischen Bemühungen zu unterstreichen, nahm Johannes Paul II. als erster Papst seit dem großen Schisma von 1054 an einer griechisch-orthodoxen Patriarchal- und Synodal-Li- turgie teil. Daß der „Patriarch des Abendlandes“ mit dem „ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel“ noch nicht konzelebrieren konnte, wurde als schmerzlich empfunden und findet in den Worten des Papstes seinen Ausdruck: „Die Christen von heute müssen sich vor allem die Frage stellen, ob sie überhaupt noch das Recht haben, gespalten zu sein.“
„Der Dialog der Liebe geht nunmehr in einen theologischen Dialog über!“ Auf diesen Satz stoßen wir in den zahlreichen Stellungnahmen, Kommentaren und Interviews der letzten Wochen immer wieder. Was ist darunter zu verstehen? Wie steht es mit der Vollmacht des Patriarchen von Konstantinopel, im Namen der gesamten Orthodoxie mit der katholischen Kirche einen offiziellen theologischen Dialog zu beginnen?
Die tatsächliche Stärke dieses Patriarchats ist gering. Dimitrios leitet in der Türkei nur einige tausend griechisch-orthodoxe Christen. In Europą, in Nord- und Südamerika und in Australien bekennen sich in einer losen Verbindung etwa eineinhalb Mi- lionen Orthodoxe, meist Emigranten, zu seinem Patriarchat.
Der „Dialog der Liebe“ hatte vor allem das Bemühen im Auge, zwischen den durch über 900 Jahren entfremdeten Kirchen ein neues Klima zu schaffen. Paul VI. und Athenagoras I. unternahmen in vielen kleinen, erst zögernden Schritten, den Anfang. Man mußte erst abtasten, wie die Christen in den 14 autokephalen und autonomen Kirchen der „byzantinischen Tradition“ reagieren. Mit ihnen eint uns der gemeinsame Glaube, wie er in den sieben ersten Konzilien der Kirchengeschichte grundgelegt ist.
Auf der Dritten Panorthodoxen Konferenz, die im Herbst 1964 auf Rhodos stattfand, stellten sich diese Kirchen die Frage, ob die Zeit reif sei, der katholischen Kirche einen ökumenischen Dialog auf der Ebene der gesamten Orthodoxie anzubieten. Man kam zum Ergebnis, daß vorerst die einzelnen Kirchen mit der katholischen Kirche in ähnlicher Weise einen „Dialog der Liebe“ aufnehmen sollten, wie dies bereits der Patriarch von Konstantinopel getan hatte. Einen gewissen Höhepunkt erreichte dieser Dialog 1967 durch die Besuche Papst Pauls VI. in Konstantinopel und des Patriarchen Athenagoras I. in Rom.
1975 einigten sich die 14 orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition, den ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, der bis heute in ihren Reihen einen Ehrenvorrang einnimmt, zu bevollmächtigen, in ihrem Namen der Katholischen Kirche einen Dialog anzubieten. Diese Entscheidung überreichte eine Delegation des Patriarchen am 14. Dezember 1975 im Vatikan.
Im Rahmen einer Zeremonie in der
Sixtinischen Kapelle nahm Papst Paul VI. dieses Angebot an und setzte ein überraschendes Zeichen. Er ging auf den Leiter der Delegation, den Metropoliten Męliton von Chalkedon zu, kniete vor ihm nieder und küßte seine Füße zum Ausdruck des Bedauerns für alle Fehler, die die Katholische Kirche an ihren orthodoxen Brüdern begangen hatte und zum Ausdruck dafür, daß der Primat zuerst und vor allem, ein demütiger Dienst an der Christenheit sei.
Eine neue Phase in den ökumenischen Bemühungen hat nun begonnen. Man bildete eine gemeinsame (nicht gemischte) Kommission, welche Themen und Arbeitsweise des theologischen Dialogs vorbereiten sollte. Der „Osservatore Romano“ veröffentlichte die Liste der Mitglieder, die mit der Führung des theologischen Dialogs beauftragt sind. Die Orthodoxe Kirche weist entsprechend der ihr eigenen Betonung der einzelnen Kirchen eine ausgewogene Vertretung der 12 von 14 autokephalen und autonomen Kirche der byzantinischen Tradition auf.
Die katholische Kirche legte in der Auswahl stärkeres Gewicht auf die fachtheologische Kompetenz. Kardinal Josef Ratzinger, Hermann Vogt, Professor der Patrologie an der Universität Tübingen, sowie Ernst Suttner, Professor für Patrologie und Ostkirchenkunde an der Universität Wien, befinden sich unter ihnen.
Über ökumenische Zukunftsperspektiven äußern sich offizielle katholische Sprecher zwar zuversichtlich, aber auch zurückhaltend. Von orthodoxer Seite ist vor allem ein Interview mit Metropolit Damaskinos, dem Sekretär der Vorbereitungskommission des panorthodoxen Konzils, interessant. Nach seiner Meinung wird es vor allem auf die Behandlung zweier Themen ankommen: der Eucharistie und der Frage der Ausübung des Petrusam- tes. Während der Metropolit in der Frage der Eucharistie große Chancen einer Einigung sieht, scheint ihm die Lösung des zweiten Problems als sehr schwierig.
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