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Familie und Staat - Konkurrenz oder Ergänzung? Das war die Fragestellung der ,,Salzburger Studientagung 84". Durchgehender Tenor: Den Schutz für die Familie verstärken!

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Familie und Staat - Konkurrenz oder Ergänzung? Das war die Fragestellung der ,,Salzburger Studientagung 84". Durchgehender Tenor: Den Schutz für die Familie verstärken!

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Die Soziallehre der Kirche geht gerade in ihren neuesten Aussagen über die Familie von der Tatsache des tiefgreifenden Wandels aus, in dem sich Ehe und Familie befinden. Dieser Wandel betrifft sowohl die innere Struktur der Familie wie auch ihren gesellschaftlichen Standort. Dieser Wandel enthält eine Reihe positiver Aspekte, bedeutet aber zugleich eine Herausforderung und Gefährdung der Familie.

Wenn nach dem Standort der Familie in der Soziallehre der Kirche gefragt wird, dann geht es dabei nicht zuerst um eine theologische Aussage, sondern um eine gesellschaftspolitische. Das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. über die Familie formuliert dieses Anliegen folgendermaßen:

„In einem geschichtlichen Augenblick, in dem die Familie Ziel von zahlreichen Kräften ist, die sie zu zerstören oder jedenfalls zu entstellen trachten, ist die Kirche sich bewußt, daß das Wohl der Gesellschaft und ihr eigenes mit dem der Familie eng verbunden ist, und fühlt um so stärker und drängender ihre Sendung, allen den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verkünden, um deren volle Lebenskraft und menschlichchristliche Entfaltung zu sichern und so zur Erneuerung der Gesellschaft und des Volkes Gottes beizutragen."

Aus dieser Besorgnis formuliert die Soziallehre der Kirche ihre wesentlichen Leitsätze für die Stellung der Familie in der Gesellschaft von heute:

1. Die Familie ist das naturnächste Sozialgebilde, das nicht so wie eine Reihe anderer Sozialgebilde beliebig abgeändert oder abgelöst werden kann. Sie gehört zum Grundbestand der menschlichen Gesellschaft.

2. Als naturnächstes Sozialgebilde erfüllt die Familie eine unablösbare Aufgabe in der Grundlegung und Formung der menschlichen Person. Im Raum der Familie vollzieht sich immer wieder das Geheimnis der „Menschwerdung", das durch kein anderes Sozialgebilde abgelöst werden kann.

3. Die Familie ist aber gleichzeitig „Grund und Lebenszelle der Gesellschaft". Das heißt: Die Fa-

milie schafft durch die Grundformung der menschlichen Person und durch die Vermittlung der grundlegenden zwischenmenschlichen Werte die Voraussetzung und ständige Ermöglichung einer menschenwürdigen Gesellschaft.

4. Darum verlangt die Soziallehre der Kirche von der Familie, daß sie sich nicht in den Privatraum zurückzieht, sondern ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt: „Der gesellschaftliche Auftrag der Familien darf sich nicht auf Zeugung und Erziehung beschränken. (...) Sie sollen die Verantwortung für die Veränderung der Gesellschaft übernehmen, sonst werden die Familien die ersten Opfer jener Übel sein, die sie vorher nur gleichgültig betrachtet haben."

5. Von Seiten der Gesellschaft aber verlangt die Soziallehre der Kirche die Sicherung des Lebensraumes der Familie. In der „Charta der Menschenrechte der Familie" stellt sie eine Reihe von Forderungen auf, die diesen Lebensraum sichern.

Aus dieser grundsätzlichen Sicht der Bedeutung der Familie lassen sich Imperative im Blick auf das Jahr 2000 formulieren:

1. Die selbstverantwortliche Familie: Es gab Zeiten, wo die Familie von der Gesamtgesellschaft so geschützt und getragen wurde, daß ihre Sicherheit nicht ernstlich in Frage gestellt war. Diese Situation gibt es nicht mehr. Die Familie ist heute vielmehr zum direkten Selbstschutz aufgerufen.

2. Die gezielte Sozialpolitik für die Familie: Unsere Industriestaaten werden in den kommenden Jahren zu tiefgreifenden sozialpolitischen Entscheidungen gezwungen werden. Die Gründe dafür sind bekannt. Man wird Prioritäten setzen müssen. Welchen Stellenwert wird und muß die Familie einnehmen?

3. Die „Inkulturation der Kirche": Es ist interessant, daß das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. selbst dieses Wort gebraucht. Es gab Zeiten, wo die Kirche so in die Familie eingewurzelt war, daß ihre Gegenwart nicht in Frage stand. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Kirche wird sich in den kommenden Jahrzehnten ganz neu mit ihrer Aufgabe für die Familie auseinandersetzen müssen.

Der bekannte Gregoriana-Profei or referierte zu diesem Thema bei der „Salzburger Studientagung" am 16. April 1984.

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