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Kein Ruhmesblatt

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Obwohl zahlenmäßig die stärkste Minderheit, ist die kroatische Volksgruppe im Burgenland von der österreichischen Bundesregierung keineswegs gerecht behandelt worden.

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Obwohl zahlenmäßig die stärkste Minderheit, ist die kroatische Volksgruppe im Burgenland von der österreichischen Bundesregierung keineswegs gerecht behandelt worden.

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FURCHE: Wie lange gibt es schon Kroaten im Burgenland, wie stark ist die Volksgruppe heute und wie schätzen Sie ihre weitere Entwicklung ein?

IVAN MULLER: Im Jahre 1983 feierten die burgenländischen Kroaten im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen das 450-Jahr-Jubiläum ihrer Ansiedlung in jenem Raum, in dem sie heute noch leben.

Während im Jahre 1923 noch rund 42.000 Kroaten (15 Prozent der Gesamtbevölkerung) und rund 15.000 Ungarn (5,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) im Burgenland lebten, fielen diese Zahlen nach den Ergebnissen der Volkszählung 1981 in den sechzig Jahren der Zugehörigkeit zu Österreich auf rund 18.600 Kroaten und rund 4.100 Ungarn.

Es wird im Burgenland jedoch von niemandem bestritten, daß es im Burgenland 25-30.000 Kroaten gibt.

Es ist deshalb für uns als anerkannt loyale Volksgruppe umso schmerzlicher, daß uns gegenüber — auch dreißig Jahre nach dem Staatsvertrag!—keine einzige wesentliche Verpflichtung aus dem Artikel 7 erfüllt wurde.

FURCHE: Wie sind burgenländische Kroaten organisiert? Gibt es einen kroatischen Dachverband in Österreich?

MULLER: Als Organisationen, deren Wirkungsbereich sich auf das gesamte Bundesland erstreckt, bestehen: Der „Kroatische Kulturverein im Burgenland“ als älteste, mitgliederstärkste und auch international anerkannte Volksgruppenorganisation; der „Kroatische Presseverein“, der unter großen Opfern seiner Mitglieder für die Herausgabe der kroatischen Wochenzeitung, des reichhaltig gestalteten Kalenders und zumindest eines Buches pro Jahr sorgt; die relativ junge „Volkshochschule der burgenländischen Kroaten“ mit einem beachtlichen Angebot an Sprach-und Hobbykursen sowie Fachvorträgen in kroatischer Sprache; das „Präsidium der Bürgermeister und Vizebürgermeisterkonferenz kroatischer und gemischtsprachiger Gemeinden“.

In Wien arbeiten: Der „Burgen-ländisch-kroatische Kulturverein“, der „Kroatische Akademikerklub“ und ein „Komitee für die Rechte der burgenländischen Kroaten“. Es gibt zwar keinen eigenen Dachverband der burgenländischen Kroaten, doch stimmen die meisten Volksgruppenorganisationen in allen wichtigen Fragen der Volksgruppe ihre Vorgangsweise miteinander ab.

FURCHE: Wie ist das Verhältnis der burgenländischen Kroaten zur alten Heimat? Gibt es einen kulturellen Austausch mit der Sozialistischen Republik Kroatien?

MULLER: Wegen der relativ großen Entfernung und der ungünstigen Verkehrsverbindungen kann von einer Zusammenarbeit mit Kroatien erst ab den fünfziger Jahren gesprochen werden.

Resultate dieser Zusammenarbeit sind: Das „Deutsch-burgen-ländischkroatisch-kroatische Wörterbuch“, dem im Jahre 1986 das „Burgenländischkroatisch-kroatisch-deutsche Wörterbuch“ folgen soll, die Veranstaltung und der Austausch von Ausstellungen, Gastspiele von Theater- und Folkloregruppen, von Sportvereinen usw.

FURCHE: Sehen Sie, Hr. Dr. Müller, die Verwirklichung des Artikels 7 im Burgenland?

MULLER: Die Nichtdurchfüh-rung des Artikels 7 für unsere Volksgruppe ist wahrlich kein Ruhmesblatt der österreichischen Minderheitenpolitik und der völkerrechtlichen Vertragstreue.

Nach dem Artikel 7 wird die kroatische Sprache in den Bezirken mit kroatischer und gemischtsprachiger Bevölkerung zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. Obwohl die Situation bei uns im Burgenland wesentlich einfacher ist als in Kärnten (so haben auch nach der Gemeindezusammenlegung 19 kroatische und gemischtsprachige Gemeinden kroatische Bürgermeister), ist unsere Muttersprache als Amtssprache nicht zugelassen, auch wenn in vielen Gemeinden alle Gemeinderäte und auch die Amtsmänner Kroaten sind, und es gibt auch keine zweisprachigen Aufschriften.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des Volksgruppenbeirates?

MULLER: Entscheidend für unsere Zustimmung bei der Bildung des Volksgruppenbeirats war die Erklärung der Behörden-und Parteienvertreter, daß notorische Assimilanten nicht in den Volksgruppenbeirat einziehen können.

Bald aber mußten wir feststellen, daß parteipolitische Interessen stärker wogen als klarer Gesetzestext und eindeutig abgegebene Zusagen. Man wollte notorische Assimilanten als Mitglieder des Volksgruppenbeirates bestellen.

Erst nach der Erklärung, daß die profiliertesten Befürworter der Assimilation aus dem „Präsidium“ nicht in den Volksgruppenbeirat einziehen dürfen, nach dem Abschluß eines Ubereinkommens zwischen den zwei traditionellen Gruppen der burgenländischen Kroaten („Kroatischer Kulturverein“ und „Präsidium“) und nach der Erfüllung gewisser Vorleistungen durch den

Bundeskanzler haben wir unsere Vertreter in den Volksgruppenbeirat im März 1985 nominiert.

FURCHE: Gibt es im Burgenland eine kroatische Presse? Wie steht es mit den Rundfunk- und Fernsehsendungen in der kroatischen Sprache?

MULLER: Bis vor kurzem wurde die vom Presseverein herausgegebene Wochenzeitung „Hrvatske Novine“ (Kroatische Nachrichten) unter großen finanziellen Opfern von ehrenamtlichen Mitarbeitern gestaltet.

Nun haben wir in der Gestalt einer „lebenden Subvention“ einen hauptamtlichen Redakteur, wodurch uns eine große Last abgenommen wurde.

Die Diözese Eisenstadt gibt wöchentlich den „Crikveni glasnik“ (Kirchenbote) heraus, hat aber auch ständig mit personellen und technischen Problemen zu kämpfen.

Der einzige Erfolg im Ringen um die Durchführung des Artikels 7 war die Einführung kroatischer Sendungen im Hörfunkprogramm des Landesstudios Burgenland.

FURCHE: Aus welchen Mitteln wird die kulturelle und politische Tätigkeit der kroatischen Vereine bestritten? Gibt es Förderungsmittel für die kroatische Volksgruppe?

MULLER: Wenn man bedenkt, daß wir ab dem Jahre 1964 bis zur Installierung der Regierung Dr. Kreisky durchschnittlich

S 450.000,- bis 500.000,- vom Unterrichtsministerium im Jahr erhalten haben und heuer nur S 140.000,-, dann kann man ermessen, wie „großzügig“ wir nun „gefördert“ werden.

Ivan Müller ist Vorsitzender des Kroatischen Kulturvereines Burgenland.

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