Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Kein schwankendes Charakterbild
Da die Festivitäten zum Achtziger von Otto Habsburg allem Anschein nach bis knapp vor seinen 81. Geburtstag weitergehn dürften, erlaube ich mir, in einer Art Zwischenbilanz, folgendes festzustellen: Der alte Herr, der gar nicht alt wirkt, wird immer lockerer, je älter er wird. Jüngst bemerkte er zum Beispiel in einem Interview, daß er eigentlich ganz froh sei, kein Monarch sein zu müssen, denn als Europa-Parlamentarier könne er es sich leisten, „einen Idioten auch einen Idioten zu nennen".
Man muß nicht mit allem einverstanden sein, was der Habsburger politisch äußert, aber eines kann man ihm nicht vorwerfen: daß sein Charakterbild in der Geschichte schwankt.
Es sei fast unausweichlich, Ärger zu verursachen oder jemanden gegen sich aufzubringen, meinte er einmal, „wenn man sich selbst treu bleiben will, ob dies den andern paßt oder nicht". Seit 1979 wirkt er im Europa-Parlament und ist dort in manchen Sturm geraten, den er nicht selten selbst entfacht hat. Er war zum Beispiel so frühzeitig, daß es rechtzeitig gewesen wäre, für eine Anerkennung Sloweniens und Kroatiens - und er hat immer wieder vor einer Wiedergeburt des Balkan „in seiner unangenehmen Bedeutung des Wortes" gewarnt.
An Mut zu dem, was heute Anachronismus genannt wird, hat es ihm nie gefehlt, etwa wenn er barsch und selbstverständlich forderte, daß ein Politiker gläubig sein müsse, „weil nur ein solcher weiß, daß er sich für seine Taten an höherer Stelle verantworten muß". Otto Habsburg ist sich seiner Grundsätze so sicher, daß er Gespräche nicht fürchtet. Eine Ausnahme freilich gibt es: „Ich habe in meinem ganzen Leben nur eine einzige Konversation abgelehnt, das war 1933, als Hitler mich sprechen wollte." Da hatte Otto Habsburg nämlich bereits „Mein Kampf gelesen...
Von seinem amerikanischen Exil aus versuchte er, die Pläne zu Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei zu verhindern, und auch für Österreich nach 1945 hat er einiges getan. Der Undank des Vaterlandes war ihm gewiß. Das hat ihn als CSU-Abgeordneten im europäischen Parlament nicht gehindert, auch österreichische Interessen zu vertreten, wenn es notwendig schien.
Otto Habsburg versagte auch dem gefürchteten Interviewer Andre Müller ein Gespräch nicht. Und dem teilte er eine Erfahrung seines langen Lebens mit: „Der Mensch überschätzt sich ein bissei. Das letzte Wort hat er nicht." Er fügte dann noch hinzu, daß Gott „sich nicht lumpen" lasse, wenn jemand nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tue.
Das klang so selbstgewiß, wie Otto Habsburg eben ist.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!