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Kein Sinn für Sinn?

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„Hoffnung leben, Hoffnung geben": Dieses Katholikentagsmotto sei „offensichtlich eine Spur zu hoch angesetzt", fand Franz Mayrhofer in den Salzburger Nachrichten" (11. Februar), und er darf sich der Zustimmung vieler Mitbürger auch christlicher, gewiß sein.

Man glaubt, wenig Anlaß für Hoffnung zu haben. Hoffnung ist nicht „in", denn „Angst ist die Krankheit des Jahrhunderts", befand der deutsche Theologe Ulrich Hommes. Beifall regnet gewitterschwer auf das Dach seiner Gelehrtenstube.

Wer Zeichen der Hoffnung sammelt, die es in erheblicher Zahl rund um uns gibt, wird zur Seite geschoben. „Hoffnung ist mehr, als was mit Kleingeld erkaufbar wäre", heißt es bedeutungsvoll aus Referentenmund.

Wird die (Beantwortung, nicht das Stellen der) Frage nach dem Lebenssinn als Zentralthema des Katholikentags zur Diskussion gestellt, heißt Sinn", das höre unter Intellektuellen sich gut an, erschrecke aber doch wohl einfachere Leute, denen es um genug Arbeitsplätze, Heurigenproviant und Urlaubsgelder gehe, nicht um Sinn.

Der Befund ist ziemlich eindeutig: Österreichs Katholiken (oder zumindest jene, denen man als Referent, Schreiber, Diskutant begegnet) wollen gar nicht hoffen. Sie möditen hören, daß die Welt ein Jammertal und die Kirche ein Supermarkt der Jenseitsvertröstungen ist.

Das werden sie, wenn es so weitergeht, auf dem Katholikentag denn auch zu hören kriegen.

Dabei gibt es echte Zeichen der Hoffnung rund um uns: Transzendenzsuche; Mühen um Materialismusüberwindung; Partnerschaft von der Zweierbeziehung über Familie, Schule, Wirtschaft bis zum Miteinander von Industriestaaten und Dritter Welt;

Hoffnung auf Qualität statt Quantität in Beziehungen und Leistungen; Streben nach Machtdezentralisierung; nach Ernstnehmen von Eigenart und Andersartigkeit bei Menschen, Völkern, Zivilisationen; gewisse Friedensund Frauenbewegungen.

Natur- und Geisteswissenschafter, Gesellschafts- und Gotteswissenschafter reden miteinander, demütig und bescheiden, wie es sich für alle geziemt, aber

voll Hoffnung, damit zu besseren Resultaten zu kommen. Eines dieser Resultate könnte das zunehmende Erkennen von Sinn auch in der großen Welt, im Kosmos, sein. Unwichtig? Unbedeutend? Unerheblich?

Es scheint so, denn die Reaktion ist ein großes Jammern: über die Schlechtigkeit der Welt, den Jammer mit der Kirche, die Übel „der Gesellschaft", die Mängel „des Systems".

Die Gesellschaft sind wir, und das System hat uns satt, fett und jämmerlich gemacht. Aber allein daß wir jammern können, macht es allen änderen Systemen noch immer überlegen.

Worauf es ankäme, wäre freilich nicht das Jammern, sondern die Suche nach Möglichkeiten, vorhandene Chancen aufzugreifen, die Gesellschaft, das System, uns selbst weiter zu humanisieren.

Dazu muß man freilich aussprechen, woran es fehlt — nicht in Miesmacherabsicht, sondern in Reformintention. Ein Arbeitskreis unter Primarius Univ.-Prof. Heimo Gastager war ungeheuer erfinderisch, als es bei einem Studientag in Salzburg um Hoffnungsvermittlung an Randgruppen der Gesellschaft ging.

Flüchtlinge, Gastarbeiter, Behinderte (trotz aller Mängel geschah noch nie so viel für sie wie heute!) laisierte Priester, Strafgefangene, Strafentlassene, Verwahrloste, Drogenopfer, Sektenopfer, Lebensmüde, Einsame, Slumbewohner, Sandler, Homosexuelle, Prostituierte, Alleinerzieher, Alkoholiker traten ins Blickfeld.

Man merkte: Diese Leute theo-retisieren nicht nur, die tun auch längst schon was! Freilich kam man bei immer neuen Hinzufügungen zu dieser Liste („Dritte Welt" …) bald zu der Erkenntnis, daß längst nicht mehr von „Randschichten" die Rede war.

Die Erkenntnis ist heilsam. Schließlich soll die Kirche ja wirklich allen und nicht nur Randgruppen Hoffnung vermitteln. Aber welche Hoffnung?

Nur die auf ein ewiges Leben, auf nichts sonst, plädierte der bekannte Psychologe und geschätzte FURCHE-Mitarbeiter Wilfried Daim am 10. Februar in der „Kleinen Zeitung". Und man solle „dies auch öffentlich sagen".

Aus eben diesem Grund muß dem Autor auch öffentlich widersprochen werden. Gewiß: Für das „Gelingen" von Welt, Schöpfung, Kosmos, Menschheitsgeschichte gibt es keine Garantien. Aber noch viel weniger gibt es einen Glaubenszwang, den Kultur- und Geschichtspessimismus so vieler Psychologen, Soziologen und anderer -logen mitzumachen.

Natürlich: Man kann auch an einen Gott glauben, der sein Schöpfungswerk schiefgehen sieht und seine Geschöpfe aus Mitleid im Sicherheitsnetz der ewigen Seligkeit auffängt. Mein Gott ist das nicht.

Wer zum Thema Hoffnung Neues, Gutes, Umrthodoxes zu sagen hat, wird nicht, wie geschwätzige Kritiker behaupten, „von oben" herab daran gehindert. Sein Beitrag ist gesucht wie die Stecknadel in einem Heuhaufen.

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