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Kein Verrat an UNO-Grundsätzen

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Eine „Fiktion” ist für Außenminister Alois Mock die Überlegung, mit einer Art „Überstaat” - nach der de facto Dreiteilung - Bosnien-Herzegowina zu retten. Österreich wird dabei nicht mitmachen. Außerdem könnte sich Mock für eine Reaktivierung der KSZE auf neuer Grundlage erwärmen.

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Eine „Fiktion” ist für Außenminister Alois Mock die Überlegung, mit einer Art „Überstaat” - nach der de facto Dreiteilung - Bosnien-Herzegowina zu retten. Österreich wird dabei nicht mitmachen. Außerdem könnte sich Mock für eine Reaktivierung der KSZE auf neuer Grundlage erwärmen.

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Die im Owen-Stoltenberg-Friedensplan für Bosnien-Herzegowina vorgesehene - vom bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic in Genf abgelehnte - Dreiteilung des zerstörten Landes ist für Außenminister Mock „keine Realität”. In einem Telefoninterview mit der FURCHE wies er daraufhin, daß man „auf alle Fälle damit rechnen muß, daß der Konflikt als solcher weitergeht”.

Die de facto-Dreiteilung steht - so Mock - im Widerspruch nicht nur zu den Grundsätzen der UNO-Charta, der KSZE, sondern auch zu dem, „was durch zwei Jahre hindurch von der internationalen Gemeinschaft verkündet wurde: keine ethnischen Vertreibungen, keine Anerkennung der gewaltsamen Veränderungen der Grenzen”. „Es ist also überhaupt kein Grund vorhanden, sich mit einer solchen Lösung auseinanderzusetzen, die außerdem - wenn sie unterschrieben würde - eine völlig ungerechte ist.”

Mit scharfen Worten geißelt Mock die in diesem Teilungsplan enthaltene „Fiktion von einer Art Überstaat”, der wahrscheinlich auch nur eine Übergangsphase wäre: „Stellen Sie sich eine Regierung für Gesamtbosnien vor - bei diesem Zustand des Landes -, in der der Präsident alle sechs Monate wechseln soll, der Ministerpräsident und der Außenminister alle vier Monate; wobei sie nur die Kompetenz für Außenhandelspolitik und Außenpolitik haben. Kein Mensch weiß zudem, wo sie das Geld herbekommen sollen. Da kann man doch nicht wirklich annehmen, daß das die Lösung des Problems mit sich bringt.”

Österreich habe nicht die Absicht, die Grundsätze: „keine gewaltsamen Grenzveränderungen”, „Gleichbehandlung aller Minderheiten” und „massiver Minderheitenschutz” zu verraten. Mock fordert eine „Generalevaluierung” des Konfliktes, bei der sich herausstellen werde, „daß es zu nichts führt, wenn man alle sechs Monate nicht nur von dem abrückt, was man selbst verkündet hat - sei es im Sicherheitsrat oder in Genf - .sondern auch Prinzipien aufgibt, die wir 40 Jahre lang aufgebaut haben”. Lob kommt von Mock für die französischen Intellektuellen, die die serbische Aggression in Bosnien am kritischesten beurteilten, „auch wenn sich zugegebenermaßen diese Standpunkte in der praktischen Politik noch nicht durchgesetzt haben”.

Mock bestätigt in diesem Zusammenhang, daß die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsmechanismen der UNO, des Sicherheitsrates, und der KSZE in der Öffentlichkeit „massiv gelitten hat”. Es müßten „gemeinsame Interessen” zwischen der UNO-Charta und einigen der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, allen voran den USA, bestehen, nur dann könne wirksam geschützt und geholfen werden. „Alles andere ist Illusion.”

Maschinerie überdenken

Dem Gedanken, die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) auf neuer Basis und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten seit 1989 zu reaktivieren, kann Außenminister Mock einiges abgewinnen. Er verweist diesbezüglich auf die KSZE-Ministerkonferenz Ende November in Rom, die sich mit der Effizienz der KSZE befassen wird. Die Einrichtung eines KSZE-Generalsekretärs in Wien weise in diese Richtung. „Jetzt müßte man praktisch die Gesamtmaschinerie überdenken.”

Hinsichtlich des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Ex-Ostblockstaaten und deren Drängen in die NATO (Deutschlands Verteidigungsminister Rühe macht den Polen seit Jelzins „Freie-Fahrt”-Signal diesbezüglich Avancen) betont Mock, daß der Westen dafür viel Verständnis aufbringe.

Es gebe auch Hinweise auf Erweiterung der schon vorhandenen politischen Zusammenarbeit mit Oststaaten im NATO-Kooperationsrat: in den nächsten Jahren wolle man im technischen Bereich die Zusammenarbeit vorantreiben. Was aber niemand laut sage, so Mock, sei, daß der Zeitpunkt für eine Vollmitgliedschaft von Ex-

Warschauer-Paktstaaten in der NATO im Sinne von gegenseitigen formellen Sicherheitsgarantien „noch beträchtlich weit weg ist”.

Österreich mache keine Vorstöße in Richtung NATO, momentan konzentriere man sich auf eine pragmatische Zusammenarbeit mit der Westeuropäischen Union (WEU). Und jede formelle Entscheidung darüber wird überhaupt erst möglich, wenn Österreich Vollmitglied der EG ist. „Daher gilt es die gesamte sicherheitsstrukturelle Entwicklung genau zu beobachten, um möglichst gut informiert zu sein, und dort, wo es gewünscht wird, auch praktisch zusammenzuarbeiten.”

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