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Kein Volk ohne Religion

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Kardinal Königs Buch „Der Glaube der Menschen” ist viel mehr als die Neuauflage des Vorgängerwerkes von 1951 und läßt geistige Weite und Aufgeschlossenheit spüren.

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Kardinal Königs Buch „Der Glaube der Menschen” ist viel mehr als die Neuauflage des Vorgängerwerkes von 1951 und läßt geistige Weite und Aufgeschlossenheit spüren.

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„Im Jahre 1951 erschien im Verlag Herder, Wien, ein Handbuch der Religionsgeschichte in drei Bänden, herausgegeben von dem damals in Salzburg lehrenden Universitätsprofessor DDr. Franz König, an dem namhafte Wissenschaftler mitgearbeitet haben. Nach dieser Ausgabe, die wissenschaftlichen Charakter hatte und seit zwei Jahrzehnten vergriffen ist, bestand immer wieder Nachfrage. So hat sich der Verlag entschlossen, das reichhaltige Material in neuer Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als Herausgeber konnte der damalige Herausgeber, der jetzige Erzbi-schof von Wien, Franz Kardinal König, gewonnen werden” (Vorwort).

Die drei, 1951 erschienenen Bände hatten den Obertitel „Christus und die Religionen der Erde”, der in der vorliegenden Neubearbeitung als Untertitel erscheint. Der alte Untertitel „Handbuch der Religionsgeschichte” wurde durch „Der Glaube der Menschen” ersetzt. Gerade in dieser Neuformung wird auch die Neuorientierung des Werkes sichtbar. Das erste Werk war von Gelehrten für Gelehrten, sondern der Mensch, der sich über die Weltreligionen angegeben. Das jetzt vorliegende Werk ist nicht etwa bloß ein Auszug aus dem alten, sondern eine völlige Neuschöpfung. Angesprochen wird nicht mehr die Welt der Gelehrten, sondern der Mensch, der sich über die Weltreligionen informieren will.

Die Hauptarbeit leistete Gottfried Hierzenberger, der bei seiner Arbeit Kardinal König und andere Fachgelehrte zu Rate zog. Was hier nun vorliegt, ist tatsächlich ein Wegweiser durch die großen alten und noch lebenden Religionen der Menschheit. Auf die Besprechung der einzelnen Religionen näher einzugehen, würde den Rahmen einer Besprechung überschreiten. Wir geben daher nur die Kapitelüberschriften an, die als solche schon einen Einblick in die Fülle des Dargebotenen aufzeigen: 1. Der Glaube der Menschen - 2. Der Glaube der „ältesten Menschen” - 3. Der Glaube in der vorgeschichtlichen Zeit — 4. Der Glaube in den alten (geschichtlichen) Hochkulturen — 5. Der Glaube der Chinesen, Japaner und Koreaner - 6. Der Glaube der Inder und Tibeter - 7. Der Glaube der Muslimen - 8. Der Glaube der Juden - 9. Der Glaube der Christen - lo. Herausforderung und Dialog der Religionen.

Welches Ziel angestrebt wird,, sprechen das Vorwort und das Schluß-Kapitel aus der Feder von Kardinal König aus: „Die Religionsgeschichte zeigt uns mit aller Deutlichkeit, daß es, soweit unsre Kenntnis reicht, niemals ein religionsloses Volk gegeben hat.” Wo es keine'Religion gab oder diese verschwand, trat ein Religionsersatz auf. Sowohl die östliche wie auch die westliche Welt weist auf Religionsverlust.

Die Diagnose unserer Zeit lautet daher: „Es wird aber auch deutlich, daß in einer Zivilisation ohne geistige und religiöse Werte destruktive Kräfte ausgelöst werden. Seit geraumer Zeit mehren sich die Stimmen jener .Wissenden', die uns verkünden, daß wir entweder am Ende oder an einer Wende der menschlichen Geschichte stehen. Denn die Kräfte einer areligiösen Zivilisation üben ihren Einfluß auf die nichtchristlichen Religionen aus.”

Die geistige Herausforderung unserer Zeit liegt also darin, sich nicht bloß politisch, sondern vor allem religiös in der Welt zu orientieren. In welcher Gestalt die Religionen auch erscheinen mögen, sie sind doch irgendwie eine Selbstaussage über das Wesen des Menschen. Wie der Mensch der Zukunft sein wird, kann man nur aus dem Rückblick auf die gewesenen und noch heute in der Tiefe des Menschen lebendigen Religionen erschließen.

Nun wäre es an der Zeit, die verschiedenen Wege, welche die einzelnen Religionen durchschritten haben, näher vorzustellen. Dies kann man nicht aus einer Besprechung, sondern nur aus einer nachdenklichen Lektüre verspüren. Unter den großen Ubertiteln verbirgt sich nämlich eine minutiöse Kleinarbeit. So werden unter dem Ubertitel „Hochkulturen” näher behandelt: Der Glaube der alten Bewohner Mesopotamiens— der alten Ägypter - der Indoeuro-päer — der Indoiraner, der alten Griechen — der alten Römer usw. Hier und in den anderen Kapiteln wird zuerst ein historischer Uberblick geboten und dann auf die nähere Ausprägung der Religionen eingegangen.”

Unter den noch heute lebendigen Religionen verdienen die Kapitel über Japan und China, über Hinduismus, Islam, Judentum und vor allem über die Ausformung des Christentums heute besondere Aufmerksamkeit.

Im Schlußkapitel, wieder aus der Feder von Kardinal König, wird der Sinn und die Zielrichtung des ganzen Werkes zusammengefaßt: „Herausforderung und Dialog der Religionen”. Die größte Herausforderung an die Weltreligionen erhebt das Christentum, das bekennt, daß der unfaßbare Gott in der Gestalt des Menschen Jesus von Nazareth erschienen ist. Dadurch werde der universale Dialog mit den anderen Religionen geradezu herausgefordert. Es heißt also nicht, daß alle Religionen gleich sind; der alte Spruch hat noch heute seine Gültigkeit: „Anima humana na-turaliter christiana” (Die menschliche Natur ist von Natur aus christlich), das heißt: zum Dialog auf Christus hin veranlagt.

Schließlich müssen wir noch auf die Ausstattung des Werkes verweisen. Die Religionen werden nicht bloß beschrieben, sondern auch durch eine Auswahl aus Originaltexten verlebendigt.

Wer sich schnell über ein Thema orientieren möchte, findet am Schluß ein „Register religiöser Begriffe” sowie den „Quellennachweis der Texte”, dazu noch den „Quellennachweis der Bilder”.

Gerade an diesem Werk spürt man etwas von der geistigen Weite und Aufgeschlossenheit von Kardinal König und seinen Mitarbeitern. Wir können dieser Neufassung des bewährten alten Werkes „Christus und die Religionen der Erde” die besten Wünsche auf den Weg mitgeben.

DER GLAUBE DER MENSCHEN. Christus und die Religionen der Erde. Herausgegeben von Kardinal Franz König. Redaktion: Gottfried Hierzenberger. Verlag Herder, Wien 1985, 456 Seiten mit 309 einfarb. und 84 vierfarb. Abb. sowie 44 Tafeln, Karten und Tabellen, geb. mit Schutzumschlag, öS 485,-.

Claus Schedl ist emeritierter Univ.-Prof. für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

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