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Kein Wahl budget? Desto schlimmer!

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Es werde im kommenden Jahr kein Budget der Wahlgeschenke, sondernein Sparbvdget geben, versicherte dieser Tage der Finanzminister. Wenn das stimmt, desto schlimmer. Nicht daß die Unmanier, wichtige Wählergruppen im Wahljahr durch „Geschenke“ korrumpieren zu wollen, der bisher alle Regierungen — sehr häufig mit negativem Erfolg — nadihingen, in Schutz genommen werden soll. Aber wenn nach Meinung von Hannes Androsch ein Sparbudget so aussieht wie dasjenige, welches er uns im kommenden Jahr bescheren will, dann dürfen wir uns auf einiges gefaßt machen, sollte er einmal nicht „sparen".

Offenbar rechnete der Finanzminister damit, daß das, was er mit unverwüstlichen Sunnyboy-Charme im Fernsehen dem Publikum zu suggerieren versuchte, von diesem auch als bare Münze genommen werde, daß sich niemand die Zahlen, die er so nebenbei durchsickern ließ, näher überprüfen werden. Wer dies uncharmanterweise trotzdem tat, dem lief es kalt über den Rücken; der Etat 1975 werde 187 Millmrden Schilling „nicht übersteigen“. Ist das wirklich beruhigend? Gegenüber dem Ausgaben-Präliminare für dieses Jahr (159,4 Miliarden Schilling) bedeutet dies einen Anstieg um mehr als 27 Milliarden oder um 17 Prozent. Deutschland hingegen will mit ungefähr 7 Prozent Zunahme auskommen und sogar das strukturell ungünstiger gelagerte Frankreich mit nicht ganz 14 Prozent

Ein solcher Anstieg des Ausgabenrahmens wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es keinen oder nur eine ganz minimale Inflation gäbe und wenn in den vorhergegangenen Jahren eisern gespart worden wäre. Wie aber sieht die Realität aus? Österreich hat eine Inflationsrate von 10 Prozent, und die Budgetausgaben im Verlauf der Regierung

Kreisky waren ein einziger imposanter Aufgalopp.

1970 — also im letzten von der Regierung Klaus erstellten Budget — machten die Ausgaben 101,6 Milliarden Schilling aus. Damals war man — mit Recht — darüber entsetzt, daß das Budget bereits die 100-MilUarden-Grenze überschritten habe. Nicht zuletzt deswegen wurde die Regierung Klaus abgewählt, denn „Kreisky und sein Team“ versprachen, neben vielem anderen, eine bessere, sparsamere Budgetpolitik.

Dann aber ging es richtig los: 1971 machten die Ausgaben bereits 112,6 Milliarden Schilling aus, 1972 nicht weniger als 127,9 Milliarden Schilling — und so weiter bis zu den stolzen 187 Milliarden Schilling für das kommende Jahr.

Was immer man dieser Regierung auch Gutes nachsagen mag, in der Budgetpolitik hat sie leider versagt.

Rückblickend, erscheint heute die Budgetpolitik der Regierung Klaus im rosigen Licht. Stellt man Vergleiche mit dem seither Erlebten an, so fühlt man sich an einen Ausspruch erinnert, den Präsident Peron in einer Anwandlung von Selbstkritik kurze Zeit vor seinem Tode getan haben soll: Sein früheres Regime sei gar nicht so gut gewesen, aber alles, was ihm nachfolgte, war so schlecht••■

Die Budgetexpansion unter Kreisky wird gern mit der Inflation entschuldigt. Abgesehen davon, daß die staatliche Ausgabensteigerung sogar die Inflationsrate weit hinter sich ließ, wird hier der Kausalnexus verkehrt: Die Budgetexpansion ist keine Folge der Inflation, sondern die Inflation ist zu einem beträchtlichen Teil eine Folge der Budgetexpansion.

Die hohen Budgetdefizite der Regierung Klaus wurden seinerzeit von der sozialistischen Kritik besonders stark unter Beschuß genommen. Als dann die SPÖ an die Macht kam, konnte sie nicht genug unter den von den ÖVP-„Schuldenmachern“ geerbten Lasten stöhnen. Noch heute unterstreicht der Finanzminister vorwurfsvoll, daß von den 17 Milliarden des für 1975 präüminierten Defizits ungefähr 7 Milliarden Schilling auf den Schuldendienst entfallen (wobei offenbleibt, wieweit es sich dabei schon um Schulden aus seiner Ära handelt). 1970 war aber jedenfalls das Defizit samt Schuldendienst kleiner als allein die programmierte Neuverschuldung 1975. Eine düstere Bilanz.

Diese Zeitung ist um Objektivität bemüht und stets bestrebt, die positiven Leistungen der Regierung anzuerkennen. Erst vor kurzem ergriff sie beispielsweise in der Frage des Umweltschutzes im Straßenbau eindeutig die Partei der Regierung und lehnte die Stellungnahme der Volkspartei als „Oppositon um der Opposition willen“ ab. Auch an der Misere im Fremdenverkehr gab sie keineswegs — wie andere Kritiker — einzig und allein der Regierung schuld: Das aber, was sich die Regierung in Sachen Budgetpolitik leistet, ist durch nichts zu beschönigen und zu rechtfertigen. Hier kann nur an sie die Bitte gerichtet werden, sich die Sache noch einmal gründlich zu überlegen, und an die Opposition die Aufforderung, alle parlamentarischen und publizistischen Möglichkeiten zu nutzen.

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