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Kein Weihnachtswunder

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Weil den Vertretern dės Gewerkschaftsbundes das Kompromißangebot der oppositionellen ÖVP nicht ausreichte und die Volkspartei wiederum mit einer Prolongation der Wirtschaftsgesetze für das erste Jahresviertel 1975 nicht einverstanden war, mußte Bundeskanzler Kreisky die letzte „entscheidene“ Parteisitzung um die Verlängerung der Wirtschaftsgesetze ergebnislos abbrechen. Es wird weiterverhandelt. Eine Einigung ist allerdings in Sicht.

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Weil den Vertretern dės Gewerkschaftsbundes das Kompromißangebot der oppositionellen ÖVP nicht ausreichte und die Volkspartei wiederum mit einer Prolongation der Wirtschaftsgesetze für das erste Jahresviertel 1975 nicht einverstanden war, mußte Bundeskanzler Kreisky die letzte „entscheidene“ Parteisitzung um die Verlängerung der Wirtschaftsgesetze ergebnislos abbrechen. Es wird weiterverhandelt. Eine Einigung ist allerdings in Sicht.

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Im Sommer dieses Jahres begann vom ÖGB-Referenten Lachs einge- leitet, vom ÖGB-Präsidenten Benya mit hohem Einsatz gespielt, von dei Regierung akzeptiert, das Pokern um die Wirtschaftsgesetze. Vom Auslaufen der Marktordnung war ebenso wie von verschärften Preisgesetzen die Rede; die ÖVP zuckte zusammen und fand erst wieder zu sich, als si« bemerkte, daß die Regierungspartei gar nicht recht wußte, was sie wollte

Inzwischen aber beherrschte diese; Thema die Massenmedien, die Angelegenheit wurde für alle Beteiligter zu einer Prestigesadle. Bundeskanzler Kreisky, der nachvollzieht, was ÖGB-Präsident Benya vorexerziert hatte dabei das schlechteste Blatt ir der Hand. Da die Wirtschaftsgesetzc nur mit einer Zweidrittelmehrhei’ geändert oder verlängert werder können, mußte er auf jeden Fall unr eine Kompromißformel bemüht sein Mit zunehmender Verschärfung de; innenpolitischen Klimas, die mi einem Autoritätsverfall des Kanzlers nach Vorarlberg und der Steiermark einherging, legte die umworbene ÖVP die Latte für einen Kompromiß immer höher. Dabei kam ihi zu Hilfe, daß in der öffentlichkei’ der Glaube an die Allmacht vor Preisgesetzen in dem Ausmaß sank wie die Tarife in den von sozialistischen Landeshauptleuten regierter Bundesländern stiegen. Schließlid schien allgemein der Eindruck vorzuherrschen, daß die Regierun; einen hohen Einsatz mit schlechten Blatt riskiert. Notorische Bluffe; haben beim Pokerspiel damit selter Erfolg, Bundeskanzler Kreisky ginf es bei den Wirtschaftsgesetzen ähnlich.

In der letzten Phase der Diskussion um die Wirtschaftsgesetze ge wann man den Eindruck, daß dei Bundeskanzler nicht mehr Herr de: Dinge ist; die Sozialpartner hatter das Heft in die Hand genommen Unbeeindruckt von kurzfristiger politischen Überlegungen scheint ir diesem Bereich eine Vorentscheidung bereits gefallen zu sein: Neuwahlen so rasch wie möglich, alse nach einem kurzen und billiger Wahlkampf, Bildung einer Bundes regierung, die von einer breiter parlamentarischen Basis getrager werden soll.

Der negative Ausgang der, wie e hieß, „alles entscheidenden“ Partei enverhandlungen vom 10. Dezembe sowie die Nichtfestsetzung eine neuen Verhandlungstermins wir jene überraschen, die bis zuletzt glaubten, daß eine Einigung um jeden Preis angestrebt werden würde. Zuletzt durfte man tatsächlich glauben, daß etwa die außergewöhnlich starke Straßenbahntariferhöhung in Wien auch den Gewerkschaftsflügel vom Neuwahlrisiko zurückschrecken wird lassen. Da dieser Flügel aber in einer kommenden Koalition der beiden Großparteien weder auf Leopold Gratz noch auf Hannes Androsch, sondern am ehesten auf Christian Broda und unter Umständen auch auf Josef Staribacher setzt, dürfte dieses Argument in den entscheidenden Überlegungen nur eine Nebenrolle gespielt haben.

Bundeskanzler Kreisky, in Fragen einer elastischen Verhandlungsfüh rung mit der ÖVP von seinem Intimgegner Landwirtschaftsminister Weihs unterstützt, ist angesichts der seinen Abschied aus der hohen Regierungspolitik androhenden Entwicklung in den Parteiengesprächen mit Schleinzer & Co auf ein Minimum der ursprünglichen Forderungen zurückgegangen. Er wollte beim Preisregelungsgesetz im wesentlichen alles beim alten lassen (bei „betriebswirtschaftlich ungerechtfertigten Preiserhöhungen“ hätte der Handelsminister die Preise festsetzen sollen, doch wer kontrolliert betriebswirtschaftliche Kalkulationen?), der Milchkrisengroschen wäre beibeihalten worden und beim Fonds-Vertretungsanspruch (Milch-, Vieh- und Getreidefonds) hätte der ÖGB ein wenig Federn gelassen, zum harten Kern wurde das Weisungsrecht des Landwirtschaftsministers gegenüber dem Agrarfonds. Hier durfte der Kanzler nicht zu- ; rückstecken, weil es dem Gewerkschaftsbund nicht paßte.

Im nächsten, bald kommenden Wahlkampf werden die Parteipolitiker, insbesondere auf der Seite der Volkspartei, wahrscheinlich immer wieder hervorheben, daß zuletzt die ■ Sozialpartnerschaft in Österreich in

Gefahr stand. Sie werden weiters darauf verweisen, daß der Fonds- Anspruch des ÖGB diese Sozialpartnerschaft sogar zerstört habe.

Vordergründig mag das stimmen dennoch liegen die Dinge anders Letztlich war es die Ruck-Zuck- Wirtschaftspolitik Österreichs, die für eine teilweise hausgemachte Inflation mit allen damit verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlicher und sozialen Problemen sorgte. Als die Inflation so richtig anlief, meinte Bundeskanzler Kreisky, daß füni Prozent Inflation noch immer besser seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit, am 10. Dezember, am Tag, als es zum Verhandlungsabbruch kam Stellte ÖGB-Präsident Benya ir einer offiziellen Aussendung fest daß Arbeitslosigkeit und Inflation zwei Seiten derselben Medaille seien.

Soweit haben sich die sozialistischen Gewerkschafter von der sozialistischen Regierung im Sachlicher entfernt.

Fazit: Eine Regierung in Österreich ist immer nur so stark, wie es die Sozialpartner im Hinblick aul die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in diesem Land zulassen Oberflächlich besehen, mag auf diese Weise den Sozialpartnern eine zi große politische Rolle zukommen tatsächlich aber war und ist es vor allem ihr Verdienst, daß Österreich die letzten 29 Jahre ohne ernsthaft« Schwierigkeiten bestanden hat.

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