6929500-1982_23_16.jpg
Digital In Arbeit

Kein Wunderteam

Werbung
Werbung
Werbung

„Meine sehr geehrten Damen und Herren, Rudi Daumen senior begrüßt Sie herzlich aus dem Hallenstadion an der Wiener Ringstraße. Hier ist gerade eine wilde Fußballschlacht zwischen den Superproletariern Österreichs, kurz SPÖ, und der österreichischen Vereinigung der Probega-lopper, kurz ÖVP, im Gange.

Eines muß man feststellen, die beiden Mannschaften schenken einander nichts, weder die im traditionellen Rot agierenden SPÖ-Spieler noch die ÖVP im gewohnten schwarz-grünen Dreß. Da gibt es gestellte Beine, harte Bandagen, gelegentlich auch Tritte und Schreiduelle.

Das Schiedsrichterteam hat demnach alle Hände voll zu tun. Immer wieder erhalten Spieler einen Anpfiff von dem im Stil eines Oberlehrers agierenden Schiedsrichter Norbert Steger, der aber zunehmend Mühe hat, die Dressen seines eigenen, blau gewande-ten Teams sauber zu halten.

Seinen Assistenten an der Linie, Harald Ofner und Jörg Haider, fehlt leider oft der Überblick, da sie sich ständig nur auf der rechten Seite des Spielfeldes aufhalten. Zudem wachelt Ofner manchmal zu früh mit seiner Fahne, nämlich bevor er überhaupt gesehen hat, ob und was gerade passiert ist.

Der Spielstand ist nach wie vor 0:0, da offenbar beide Mannschaften nur imstande sind, die Gegner anzuschießen, aber nicht ins Tor zu treffen. Der Kapitän der SPÖ, Bruno Kreisky, trifft zwar häufig ins Schwarze, aber eben nur ins Schwarze des gegnerischen Dresses.

Es gibt gerade eine kleine Spielunterbrechung, der Ball hat die

Outlinie überschritten, und die SPÖ kommt zum Einwurf. Das Leder ist in den Händen von Kurt Steyrer, den seine Mannschaft am liebsten nur Einwürfe aus dem Out machen läßt, obwohl er sicher genausoviel Durchschlagskraft hätte wie Linksverbinder Alfred Dallinger, der jetzt an den Ball kommt, aber hängenbleibt — er träumt wahrscheinlich schon wieder von einer Urlaubswoche ...

Jetzt ist die ÖVP am Leder, Herbert Kohlmaier führt das Leder über die Mittellinie, will abspielen — aber, ja das war ein Kohlmaier-Fehlpaß direkt zum Spielmacher der SPÖ, Bruno Kreisky. Kreisky geht in seiner unnachahmlichen Art sofort aus der Defensive in die Offensive, bricht durch, überspielt einen Gegner, zwei Gegner, wird jetzt hart genommen von Heribert Steinbauer — das dürfte einen Freistoß geben, jawohl — Schiedsrichter Steger hat abgepfiffen.

Kreisky legt sich das Leder am 34er auf, das ist seine Spezialdistanz, ÖVP-Kapitän und -Tormann Alois Mock dirigiert die Mauer, Schuß — und bravourös abgewehrt von Mock, der wieder einmal durch eine tolle Parade einen Fehler eines seiner Mitspieler ausgebessert hat..-

Aber noch ist die Gefahr für die ÖVP nicht gebannt — es kommt zu einem Eckball von der linken Seite, und wieder macht sich Kreisky zum Schuß bereit. Jener Kreisky, von dem wir wissen, daß er ein Spezialist für Eckbälle ist, weil er sie nicht nur von der Ecke, sondern auch direkt in die Ecke schießen kann, bevorzugt in die klerikale!

Schuß - und gehalten! Jetzt können die ÖVP-Anhänger aufatmen, Alois Mock hält den Ball, er hält ihn sicher, er hält ihn warm — und wirft nun das Leder zu Walter Schwimmer. Der gerät jetzt — wie die Sozialversicherung — etwas ins Schwimmen, spielt schnell ab zu Josef Höchtl. Höchtl bricht in der Mitte durch, kommt zu Fall - ja, er ist nicht der erste

Schwarze, den Günther Haiden zu Fall gebracht hat.

Das Spiel ist unterbrochen. Freistoß für die ÖVP, SPÖ-Libe-ro Christian Broda gibt letzte Weisungen für die Mauer, er gibt ja bekanntlich überhaupt gerne Weisungen. Und wir wissen ja auch, daß er jeden Strafraum möglichst leerhalten will.

Auch Karl Sekanina im SPÖ-Tor zeigt nun volle Konzentration. Weil man bei ihm nie weiß, ob und wo er gerade zurücktritt, wurde er ins Tor gestellt, damit er niemandem bei einem Zurücktreten auf die Zehen steigen, sondern nur weich im Netz landen kann.

Jetzt läuft Ludwig Steiner für die ÖVP an - Schuß - Tor! Nein, ich muß korrigieren, der Ball ist ins Außennetz gegangen. Ja, das kommt davon, wenn man einen Fachmann für auswärtige Angelegenheiten schießen läßt.

Abstoß vom Tor der SPÖ. Der Ball kommt zu dem an der Mittellinie postierten Günther Wiesinger von der ÖVP, und schon wieder Unterbrechung! Handspiel! Wiesinger ist leider die Faust ausgekommen.

Sie hören schon, meine Damen und Herren—ein unterbrechungs-, reiches, ein ruppiges Spiel. Zum Glück fahren wir mit anderen Spielern zur Weltmeisterschaft nach Spanien.

Inzwischen ist auch schon der Schlußpfiff gefallen, SPÖ und ÖVP trennen sich also 0:0. Rudi Daumen senior verabschiedet sich von der Wiener Ringstraße. Ich bitte noch um Entschuldigung, daß wir statt der angesetzten Parlamentsdebatte dieses Spiel übertragen haben, die Änderung lag nicht am ORF, sondern einzig und allein an den Akteu-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung