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Keine Angst vor einer Krise"

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Wirtschaftsminister Schüssel zu den Folgen des Golfkrieges für Österreich

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Wirtschaftsminister Schüssel zu den Folgen des Golfkrieges für Österreich

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FURCHE: Herr Minister, welche Auswirkungen kann der Krieg am Golf auf unsere Wirtschaft haben?

WIRTSCHAFTSMINISTER WOLFGANG SCHÜSSEL: Schwer zu sagen. Keiner weiß: ist der Krieg in einem Monat vorbei, beginnt dort ein halbjähriger Krisenherd zu schwelen oder ist das der Beginn des Dritten Weltkrieges? Daher sind auch Prognosen sehr schwer.

FURCHE: Wann beginnt es auch für uns kritisch zu werden?

SCHÜSSEL: Unmittelbare Auswirkungen gibt es keine. Die Erdöllager der Welt sind randvoll. Es wird immer noch mehr produziert, als notwendig ist. Das Überangebot führte demnach auch zu der paradoxen Situation, daß sich mit Ausbruch des Krieges der Rohölpreis gegenüber dem Höchststand fast halbiert hat. Selbst wenn dieser Konflikt die ganze Golfregion erfassen sollte, könnten wir mit den Vorräten sicherlich ein bis zwei Jahre ohne weiteres durchhalten. Die Frage stellt sich aber nicht, denn Saudi Arabien und der Iran fördern weiterhin Öl.

Die Lebensmittelversorgung

wäre ebenfalls kein Problem, da Österreich notfalls Selbstversorger sein könnte. Von der Industriegüterseite her ist ebenfalls kaum eine Beeinträchtigung zu erwarten. Die Region ist kein lebenswichtiger Handelspartner für uns.

FURCHE: Schon vor Ausbruch des Krieges hat vor allem in den USA die Wirtschaft an Schwung verloren. Kann sich Österreich diesem Sog entziehen?

SCHÜSSEL: Inwieweit die allgemeinen Konjunktureinflüsse auf uns durchschlagen, ist derzeit ebenfalls schwer zu beurteilen. Es kommen ja mehrere Dinge zusammen. Einerseits gab es im letzten Quartal 1990 einen Rückgang des amerikanischen Wirtschaftswachstums zwischen zwei und vier Prozent, andererseits droht ein internationales Finanzierungsproblem aufgrund der großen Verschuldung des Ostens.

Auch die Kosten des Krieges dürfen nicht vernachlässigt werden, denn es ist ein Unterschied, ob man Milliarden quasi in einem „Videofeuerwerk" verpulvert, oder ob damit langfristige Investitionen

getätigt werden.

Ein längerer Golfkrieg würde auch wieder die psychologischen Faktoren an den Aktienbörsen und am Rohölmarkt verschlechtern.

FURCHE: Bis zu welcher Höhe verträgt die Wirtschaft Ölpreisstei-gerungen?

SCHÜSSEL: Ich habe immer die These vertreten, daß der Ölpreis seit Jahren international zu niedrig ist und die Weltkonjunktur eigentlich ungerechtfertigt alimentiert. Daher wäre eine maßvolle, also keine radikale Erhöhung der Ölpreise durchaus verträglich und langfristig gesehen gar nicht schlecht. Ein Anstieg des Ölpreises über 30, 35, 40 Dollar oder darüber, hätte allerdings negative Auswirkungen auf die gesamte Weltkonjunktur.

FURCHE: Dieser Krieg macht wieder einmal unsere Öl-Abhängigkeit deutlich. Nach Alternativen zu suchen ist wieder naheliegend. Gibt es diesbezügliche Projekte Ihrerseits?

SCHÜSSEL: Nein. Wir machen ein bißchen etwas bei der Fernwärmeförderung, bei Holzschnitzel und

Biomasse.Doch alles hängt zu stark am' Ölpreis. Bei einem Ölpreis von 15 bis 20 Dollar richten Sie mit Alternativenergien gar nichts aus. Es ist daher, wie ich schon sagte, gar nicht so schlecht, wenn der Ölpreis wieder auf ein höheres Niveau ansteigt. Dann rechnen

sich Energiesparmaßnahmen und Alternativenergie auch wieder.

Realistischerweise muß man aber damit rechnen - zumindest in dieser Dekade -, daß wir mit den konventionellen Energievorkommen das Auslangen finden müssen.

FURCHE: Die Vorbereitungen für die nächste Etappe der Steuerreform mit dem Schwerpunkt Verringerung der Steuerlast für Unternehmen, Arbeitnehmer und Familien sollen zügig vorangetrieben werden. Können bei einem langsameren Wirtschaftswachstum diese Vorhaben „unter den Hammer" kommen?

SCHÜSSEL: Sicherlich nicht. Tatsache ist, daß wir imMitteleuro-pa so etwas wie eine Konjunkturinsel haben. Deutschland und Österreich „boomen" weiter, auch in Norditalien gibt es keine Probleme. Natürlich sind wir alle vom Umfeld rund um uns abhängig. Aber man sollte schon auch sehen, daß wir keinen Grund haben, uns in die Krise hineinzureden.

FURCHE: Eine neuerliche Ankurbelung der Wirtschaft durch die

Steuerreform?

SCHÜSSEL: Die erste Etappe hat deutlich gezeigt, daß eine richtig angelegte Steuerreform geradezu eine „Frischzellenkur" für die Staatseinnahmen ist. So komisch es klingt, die Absenkung der Steuersätze hat das „Geldbrünnlein" erst so richtig fließen lassen. Der Finanzminister weiß ja gar nicht mehr, woher plötzlich die unerwarteten Milliarden kommen.

FURCHE: Bleibt auch das Ziel, das Budgetdefizit zu senken, beim Nachlassen der Konjunktur realistisch?

SCHÜSSEL: Der Budgetkurs baut auf normalen Entwicklungen auf, basiert auf Status-Quo-Bedin-gungen. Bei Verschlechterung der Konjunktur oder wenn internationale Risken abgedeckt werden müssen, ändert sich auch der Kurs. Der Budgetfahrplan ist kein Gebetbuch. Ein Spielraum bleibt immer bestehen.

FURCHE: Wie sollen sich die Österreicher jetzt verhalten?

SCHÜSSEL: Ich habe schon öfter betont, man sollte mit Energie sehr sparsam umgehen. Ein Grad weniger Raumtemperatur bringt schon sechs bis sieben Prozent Energieeinsparung, die richtige Reifen- und Zündkerzeneinstellung, richtiges Abstimmen des Motors können bis zu 25 Prozent Einsparungen bringen. Das wäre eine geeignete Strategie, die auch von allen anderen Länder gemacht wird. Die Internationale Energie Agentur hat sich verpflichtet, in den nächsten Monaten ungefähr sieben Prozent Energie einzusparen. In Österreich versuchen wir das auf freiwilliger Basis, also durch Appelle, sicherzustellen.

Das Gespräch führte Irmgard Inführ.

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