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Keine Eingriffe ins Erbgut

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Schon heute existieren mehr als 200 Rechtsvorschriften, die bei Arbeiten mit der Gentechnik beobachtet werden müssen, aber nur in der Novelle zum Arzneimittelgesetz 1988 ist davon ausdrücklich die Rede. Jetzt soll ein eigenes Gentechnikgesetz Rahmenbedingungen schaffen und Lücken schließen.

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Schon heute existieren mehr als 200 Rechtsvorschriften, die bei Arbeiten mit der Gentechnik beobachtet werden müssen, aber nur in der Novelle zum Arzneimittelgesetz 1988 ist davon ausdrücklich die Rede. Jetzt soll ein eigenes Gentechnikgesetz Rahmenbedingungen schaffen und Lücken schließen.

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Der Entwurf des Gesundheitsministeriums für ein Gesetz „über Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit des Menschen einschließlich seiner Nachkommenschaft und der Umwelt vor Schäden durch gentechnologische Eingriffe" - kurz: „Gentechnikgesetz" - will in drei Bereichen die Nutzung und Anwendung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten kategorisch verbieten.

Verbot Nummer eins betrifft Eingriffe in die Keimbahn des menschlichen Erbgutes. Ein Ausnahme soll nur im Rahmen der somatischen Therapie gelten, beispielsweise für Diabetes: Während die konventionelle Medizin da ein Leben lang Insulin über Injektionen zuführen muß, kann die Genbehandlung die Zellen der Bauchspeicheldrüse so adaptieren, daß sie selbst wieder beginnen, Insulin zu synthetisieren.

Verbot Nummer zwei betrifft ausnahmslos „gentechnische Arbeiten zur Erforschung, Entwicklung und Herstellung biologischer Waffen".

Verbot Nummer drei bezieht sich auf „genetische Ausleuchtung" von Menschen: „Es ist verboten", heißt es im Entwurf, „Genomanalysen von lebenden Menschen durchzuführen, solche Genomanalysen oder die Vorlage deren Ergebnisse im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen, vordem Abschluß oder während der Dauer von Arbeitsverträgen (öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse) sowie vor dem Abschluß und während der Laufzeit von Versicherungsverträgen zu verlangen. Der Versuch ist strafbar." Die Weigerung eines Arbeitnehmers, über Aufforderung seines Arbeitsgebers eine Genomanalyse durchführen zu lassen, soll auch kein Grund zur Entlassung sein dürfen.

Mißbrauch verhindern

Aus Deutschland ist bekannt, daß 17 Unternehmen in der Vergangenheit Mitarbeiter derartigen Analysen unterzogen haben, mit unterschiedlichen Konsequenzen: Diese reichten von der bloßen Information der Betroffenen, über die Versetzung und Schutzmaßnahmen bis hin zur Entlassung.

Und daß die Versicherungswirtschaft, die schon heute den Gesundheitszustand und familiäre Krankheitsbelastungen des Versicherungsnehmers zur Risikoabschätzung abklärt, ein Interesse hätte, einen geziel-

ten Blick in die Zukunft des Kunden zu werfen, liegt auf der Hand.

Gegen einen gesellschaftlich verträglichen Einsatz hat der Gesetzentwurf hingegen- keine Einwände: Genomanalysen sollen „im Zuge von Heilbehandlungen der individuellen ärztlichen Untersuchungen" dannzu-lässig sein, wenn dies entweder der Patient verlangt oder wenn dies zur Diagnose einer Krankheit aus ärztlicher Sicht zweckmäßig erscheint. Denn fraglos kann die genetische Diagnostik in der Vorsorgemedizin und in der Früherkennung von Krankheiten - auch von Erbkrankheiten (momentan sind 400 Erbleiden bekannt) -, lange bevor eine Erkrankung tatsächlich einsetzt, wertvolle Hilfe leisten. ,

Darüber hinaus soll das Gentechnikgesetz, das sich an den ein-

schlägigen EG-Richtlinien vom 23. April 1990 orientiert, zwei weitere Bereiche regeln:

1. die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, also in Labors, und

2. die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt, also etwa den Verkauf und die Aussaat von gentechnisch verändertem Getreide-Saatgut.

Insgesamt baut der Entwurf auf fünf Prinzipien auf:- auf dem Vorsorge prinzip („gentechnologische Eingriffe sind nur zulässig, wenn dadurch nach dem Stand der Wissenschaft die Gesundheit des Menschen und seiner Nachkommenschaft nicht gefährdet wird"), auf dem ökologischen Prinzip (das Ökosystem darf nicht gefährdet werden), auf dem demokratischen Prinzjp (Information und Mitwirkung der Öffentlichkeit bei der Vollzie-

hung des Gesetzes), auf dem Zukunftsprinzip (unter Berücksichtigung aller Prinzipien keine „unangemessenen Beschränkungen" für die Forschung in Österreich) und auf dem Stufenprinzip (die Freisetzung von genetisch veränderten Organismen darf nur Schritt um Schritt ausgeweitet werden, „wenn die Bewertung der vorangegangenen Stufe ergibt, daß die nachfolgende Stufe mit dem Vorsorgeprinzip und dem ökologischen Prinzip vereinbar erscheint").

Grundsätzlich unterscheidet der Entwurf zwischen risikoarmen und risikoreichen genetisch veränderten Organismen, wobei als risikoarm vereinfacht jene Organismen gelten, bei denen aufgrund von Erfahrung und Stand der Wissenschaft ausgeschlossen werden kann, daß sie Schäden am Menschen oder seiner Umwelt her-

vorrufen. Für solche Fälle sollen relativ einfache Anmelde- und Schutzvorschriften gelten.

Vertraulichkeit von Daten

Hingegen sollen für gentechnisch veränderte Mikroorganismen mit erhöhtem oder unbekanntem Risiko sowohl für die Anlagen wie auch für die Arbeiten, ebenso für die Freisetzungen und wie für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Produkten strenge Sicherheitsvorschriften gelten. Das beginnt bei einer umfangreich und detailliert zu dokumentierenden - öffentlich zugänglichen - Anmeldung vor Beginn der Arbeiten, Teile können allerdings als geheim eingestuft werden, schließt eigene Sicherheitsbeauftragte in den Firmen ein, und reicht bis zur Schaf: fung einer Gentechnik-Kommission, die über die Einhaltung des Gesetzes wachen soll.

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