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Keine geschlossene Gesellschaft
Viel zu wenig haben unsere Massenmedien zur Kenntnis genommen, was Geoffrey, Rippon, der anläßlich der Umweltkonferenz Ende März in Wien war, vor der österreichischen Presse äußerte. Der Minister des britischen Kabinetts, der für England „Mister Europa“ ist und die Verhandlungen mit der EWG zu einem glücklichen Ende führte, hat nämlich zur kommenden Europapolitik seines Landes Wesentliches zu sagen gewußt. Nicht nur werde Großbritannien, so betonte er, alles tun, um die EWG auszubauen und auszuweiten. Ebenso wichtig sei es, den Europarat aufzuwerten, um ihn zu einem wirklichen Instrument der Politik des Erdteiles zu machen.
Viel zu wenig haben unsere Massenmedien zur Kenntnis genommen, was Geoffrey, Rippon, der anläßlich der Umweltkonferenz Ende März in Wien war, vor der österreichischen Presse äußerte. Der Minister des britischen Kabinetts, der für England „Mister Europa“ ist und die Verhandlungen mit der EWG zu einem glücklichen Ende führte, hat nämlich zur kommenden Europapolitik seines Landes Wesentliches zu sagen gewußt. Nicht nur werde Großbritannien, so betonte er, alles tun, um die EWG auszubauen und auszuweiten. Ebenso wichtig sei es, den Europarat aufzuwerten, um ihn zu einem wirklichen Instrument der Politik des Erdteiles zu machen.
Wer immer in letzter Zeit Gelegenheit hatte, mit führenden britischen Regierungsmigliedern zu sprechen, weiß, daß diese Äußerungen Rippons nicht nur seine persönliche Meinung wiedergeben. Sie sind auch Ausdruck der Regierungspolitik.
Gewiß ist heute die EWG das stärkste Element unseres Erdteiles. Ihre wirtschaftliche Macht ist groß und ist eine feste Grundlage für politische Entwicklungen. Anderseits hat aber gerade der harte Weg, den England und seine Partner gehen mußten, bewiesen, daß die Ausweitung der Brüsseler Organisation auf keinen Fall leicht und schnell sein kann. Bei einem Wirtschaftskörper muß man nämlich auf eine Unzahl von Einzelinteressen und technischen Problemen achten. Dadurch wird der Fortschritt zwangsläufig gebremst.
Ganz anders ist die Lage beim Europarat. Dieser hat mehr Mitglieder als die EWG. Als politische und kulturelle Körperschaft ist er nicht so sehr durch Einzelheiten und Interessenvertretungen gehemmt. Er kann daher viel flexibler handeln. Dazu kommt, daß der Europarat schon immer bestrebt war, keine geschlossene Gesellschaft zu bilden. Insbesondere bezüglich der Verbindung zu Staaten, die derzeit noch am Rande Europas leben, hat Straßburg ganz Beachtliches geleistet. Wenn auch viele dieser Länder heute noch nicht die Möglichkeit haben, Vollmitglieder zu werden, ist es ihnen doch möglich, in einzelnen Kommissionen oder als Beobachter mitzuwirken und sich damit langsam in ihre kommende Rolle einzuarbeiten.
Somit ist der Europarat ein guter Ausgangspunkt für politische Arbeit und nicht zuletzt für den Kontakt mit jenen Völkern, die heute noch durch die unglückseligen Beschlüsse
von Jalta von uns getrennt sind. Zumindest kann der Europarat jene geistigen Brücken aufrechterhalten, die einmal bei günstigeren Bedingungen beschritten werden können.
Die Aufwertung des Europarates ist demnach ein durchaus berechtigtes Begehren. Die Tatsache, daß dieses nunmehr auch durch Großbritannien in energischer Weise aufgegriffen wird, ist bezeichnend. Nicht nur Nixon hat 1973 das „Jahr Europas“ genannt. Genauso wichtig, wenn nicht mehr, war das, was der britische Ministerpräsident Edward Heath in seiner Rede in Hampton Court am 4. Jänner 1973 gesagt hat. So gesehen, dürfte die zweite Hälfte dieses Jahres politisch sehr bedeutsam werden, um so mehr, als Paris nach den französischen Wahlen nun wieder handlungsfähig geworden ist. England und Frankreich arbeiten in der Europapolitik eng zusammen. Die Tatsache, daß nunmehr beide Partner gleichermaßen freie Hand haben, erlaubt ihnen, weittragende Initiativen zu ergreifen.
Für Österreich wiederum hat diese kommende Neuorientierung in der Europapolitik größte Bedeutung. Es ist uns derzeit schwer möglich, Vollmitglied der EWG zu werden. Zwar hat sich die Lage Österreichs in Brüssel seit dem jüngsten Abkommen entscheidend gebessert. Es bleibt aber noch sehr viel zu tun, ganz besonders in Österreich selbst. Denn es stellt sich nicht nur die Frage des guten Willens der europäischen Organisationen; vielleicht noch wichtiger ist die Entschlossenheit Wiens, eine Politik der Europareife auf allen Gebieten zu verfolgen.
Das würde planmäßige Vorbereitung auf kommende Agrarverhand-lungen bedeuten, nicht minder als eine erneute Besinnung auf den wahren Inhalt unserer Neutralitäts-
erklärung, so wie sie seinerzeit Julius Raab erdacht hatte: nicht als eine Zwangsjacke, sondern als ein Instrument der österreichischen Po-' litik.
Österreich ist Mitglied des Europarates. Jede Aufwertung dieser Organisation würde demnach dem Lande zugute kommen. Um diese Möglichkeiten zu nützen, ist es allerdings auch für Österreich notwendig, aktiv zu werden. Denn in der Weltpolitik, wie im Leben des einzelnen, wird uns nichts geschenkt.
In diesem Sinne ist das, was Rippon zu den Journalisten in Wien gesagt hat, als Mahnung aufzufassen. Der englische Minister bekräftigt, was europäisch orientierte Menschen schon seit Jahren betont haben, wofür sie verlacht und kritisiert wurden. Was geschah, beweist erneut, daß Realismus nicht bedeutet, dem Heute Ewigkeitswert zu geben, sondern sich vorausschauend auf die großen Kräftelinien der geschichtlichen Entwicklung einzustellen.
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