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Keine Handlanger

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„Was, Neger sollen Priester werden? So reagierten viele Leute vor 70 Jahren, und zwar nicht bloß in Europa, sondern selbst in den Missionen. Man meinte: Wie sollen die studieren können? Wie sollen die ein eheloses Leben führen können?

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„Was, Neger sollen Priester werden? So reagierten viele Leute vor 70 Jahren, und zwar nicht bloß in Europa, sondern selbst in den Missionen. Man meinte: Wie sollen die studieren können? Wie sollen die ein eheloses Leben führen können?

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Diese „Besserwisser“ wußten nicht, daß man im 16. Jahrhundert noch ganz anders dachte und gleich nach den ersten Kontakten mit Afrika eine Schar Kongolesen nach Portugal brachte, um sie zu Priestern heranzubilden, von denen einer, Dom Heinrich, am 5. Mai 1518 sogar zum Bischof geweiht wurde.

Aber solches vorurteilsloses Denken war inzwischen vom Kolonialdenken verdunkelt worden, das sich keinen Negerpriester mehr vorstellen konnte.

Trotzdem gab es Missionare und Bischöfe, die an diese Möglichkeit glaubten und sich für diese Idee ednsetzten, die übrigens von den besten Vertretern der Kirche nie aufgegeben worden war.

Der Gründer der Heilig-Geist-Missionare, Pater Libermann, der 1843 seine ersten Patres nach Dakar gesandt hatte, schrieb ihnen im folgenden Jahr: „Ich komme immer mehr zur Überzeugung, daß man unbedingt alle nur möglichen Mittel anwenden muß, um einen einheimischen Klerus heranzubilden …“ Und der Gründer der Weißen Väter, Kardinal Lavigerie, prägte seinen Missionaren ein: „Das wichtigste Werk ist unbestritten die Erziehung eines einheimischen Klerus. Dieses vom Heiligen Vater so unablässig betonte und geforderte Werk, das für den Fortbestand der Missionen unerläßlich ist, muß trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten so schnell wie möglich in Angriff genommen und unentwegt fortgesetzt werden, auch wenn anfangs nicht der geringste Erfolg zu sehen wäre…“ Kühne Ideen! Leitideen!

In Kisubi (Uganda) versuchten zwi schen 1892 und 1900 rund 400 Burschen das Studium. Nur vier sind schließlich Priester geworden, 97 sind Krankheiten erlegen, 100 waren den sittlichen Anforderungen nicht gewachsen, bei 100 versagten die Ta-

lente, die letzten 100 sind aus verschiedenen Gründen ausgetreten, meist deshalb, weil sie nicht daran glaubten, daß so etwas für sie überhaupt möglich sei.

Und doch ist es möglich geworden. In den der Kongregation zur Evangelisierung der Völker unterstehenden Gebieten gab es 1922 94 afrikanische Priester, 1939: 338, 1949:1096 und 1961: 2277. Heute sind es weit mehr als 3000. J

Genaue Angaben werden nicht mehr geliefert, da man nicht mehr zwischen „weißen“ und „schwarzen" Priestern unterscheidet.

Vor 50 Jahren verteidigte man in vielen Kreisen noch folgende Auffassung: Wenn man schon afrikani sche Priester heranbilden will, müssen diese dann wirklich den ganzen Ballast von Philosophie und Theologie auf sich nehmen wie die Theologen in Europa? Könnte nicht eine einfachere Ausbildung genügen, so daß sie doch wenigstens Katechismus- unterricht geben und die Sakramente spenden könnten?

Papst Benedikt XV. gab in der Enzyklika „Maximum illud“ 1919 klare Antwort: „Es ist notwendig, die einheimischen Priester gut zu bilden und zu formen. Es genügt keineswegs eine bloß stückweise und primitive Schulung, so etwa, daß sie gerade geeignet wären, den priesterlichen Dienst zu übernehmen. Die Ausbildung soll so vollkommen sein, wie sie den Priestern bei den Kulturvölkern gegeben zu werden pflegt.

Also: nicht bloß Priester zweiter Kategorie!

Man glaubte lange, daß die afrikanischen Priester die gewöhnliche Seelsorge auf ausgebauten Stationen bewältigen können, aber Sonderaufgaben noch lange den europäischen Missionaren vorzubehalten seien. Auch diese Auffassung ist heute überholt. Man bemüht sich, die afrikanischen Priester so rasch wie möglich auch in Spezialfächern, in Theologie, Kirchenrecht, Pädagogik, Soziologie usw. auszubilden, damit sie alle verantwortlichen Ämter übernehmen können.

Wer Afrika früher kannte und heute wieder besucht, wird wohl als auffallendstes Merkmal auf dem kirchlichen Sektor feststellen, daß die Kirche in Afrika nun afrikanische Kirche geworden ist. Früher fand man überall Kirchen und Statuen europäischen Stils, sang man überall Kirchenlieder europäischen Ursprungs, traf man überall die Verantwortlichen mit weißer Hautfarbe. Wohl gab es bereits afrikanische Priester und Bischöfe. Aber sie fühlten sich wie eine Minderheit, verhielten sich schweigend, waren sich bewußt, daß noch der weiße Mann das Land und auch die Kirche beherrsche. Mission galt weitgehend als eine Angelegenheit der Missionare. Man ließ als gläubiger Mensch das Werk der Kirche an sich geschehen, aber trug selber wenig dazu bei.

Diese vielleicht unvermeidliche, aber unglückliche Phase geht nun sichtlich ihrem Ende entgegen. Schon fast in ganz Afrika hört man heute afrikanische Kirchenlieder — und mit welcher Freude und Spon- tanäität werden sie gesungen! Aber was wichtiger ist: die afrikanischen Priester und Bischöfe führen heute das Wort, vertreten die Kirche vor der Regierung, ermuntern das Volk zum Mitmachen und auch zur finanziellen Mithilfe an „ihrer“ Kirche.

Die Kameraden dieser Priester und Bischöfe haben die volle Verantwortung im Staat übernommen — und nicht wenige von ihnen gingen auch durch das Kleine und einige Jahre durch das Große Seminar. Das hat automatisch auf die Priester abgefärbt. Sie sind ihrer Sache sicherer, ihrer Verantwortung bewußter.

Die Großzahl der Missionare sieht das nicht ungern. Sie erkennen, daß sie eigentlich nur Vorläufer waren und sie das Wort auf sich anzuwenden haben: „Ich muß abnehmen, jener muß wachsen.“

(Die Kirchensammlung zu Epiphanie 1971 dient der Heranbildung einheimischer Kräfte, afrikanischer und asiatischer Priester, Schwestern und Katechisten.)

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