6812272-1972_41_06.jpg
Digital In Arbeit

Keine Konservativen

Werbung
Werbung
Werbung

Man kann es nicht leugnen, er ist ein Jung-Intellektueller — und ein Soziologe überdies: auf zwei Begriffe stößt man hier, die in der ÖVP noch immer beliebte Schimpfwörter sind. Und treten diese beiden Bezeichnungen gemeinsam auf, wie bei dem 24jährigen Hochschulassistenten Josef Höcht! aus Niederösterreich, so kann der VP-Altfunktionär nur noch mit Nestroy verzweifelt ausrufen, daß die Welt auf keinen Fall mehr lang stehe. Eben jener jungintellektuelle Soziologe Höchtl wurde nämlich am vergangenen Wochenende zum Bundesobmann der österreichischen Jugendbewegung — neuerdings auch Junge ÖVP — gewählt.

Doch zu übertriebener Furcht besteht kein Anlaß. Höchtl wird dem Chronisten kaum als Brandstifter bei Herrn Biedermann im Haus Kärntnerstraße 51 Schlagzeilen liefern. Ja, es steht nicht einmal zu erwarten, daß er dem Bundesparteiobmann Knallfrösche unter den Schreibtisch legt — wie man das heute von bösen Parteibuben so erwartet. Wenn er etwas legt, so stets Papiere — und diese nicht unter, sondern auf Schreibtische. Wie er in der diesjährigen Saure-Gurken-Zeit seine Forderung nach Pillen vom Schularzt unter die Leute brachte.

Trotz der inkriminierenden Pille provoziert dieser Magister Josef

Höchtl mit seinem stets adrett zurückgekämmten schwarzen Haupthaar, das die bürgerliche Toleranzgrenze von der Länge her nicht überschreitet, und in den von ihm bevorzugten smarten dunklen Anzügen eher das Bild von Muttis großgewordenem Liebling.

Dieses äußere Erscheinungsbild und die stark schaumgebremste Freude am Umsturz ändern freilich nichts daran, daß er sich „dagegen wehren würde, als Konservativer bezeichnet zu werden“.

So soll denn auch das Verhältnis der nun von Höchtl geführten „Jungen ÖVP“ zur Gesamtpartei eine Änderung erfahren, die in erster Linie daraufhin sogenannte Weinbauregelungsgesetze durch, die zur Folge haben, daß die Weinbaufiäche Österreichs so gut wie überhaupt nicht mehr vergrößert werden kann. Diese Fläche ist, laut einer Statistik der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, ohnehin von 36.000 Hektar im Jahre 1961 auf 46.000 Hektar im Jahre 1971 gestiegen. Weiter schlössen sich die Bauern noch enger an die Winzergenossenschaften an, und diese wiederum sorgten in einem gigantischen Aufbauprogramm dafür, daß mehr Lagerraum — große Weintanks — geschaffen wurde, in dem man überschüssigen Wein aufheben konnte. darin liegen wird, daß man nicht mehr die von der Partei bereits gefaßten Beschlüsse der Jugend schmackhaft machen will, sondern im innerparteilichen Entscheidungspro-zeß als „Anwalt der gesamten jungen Generation“ auftritt. Die logische Konsequenz daraus: „Nicht mehr bedingungslose Loyalität, sondern kritische Solidarität“.

Höchtl steht damit nicht allein, denn die ihm zur Seite gewählten Bundesobmannstellvertreter Gottfried Kneifel (OÖ), Hannes Moik (Kärnten), Bernd Ressler (Steiermark) und Dr. Barbara Wicha (Salzburg) repräsentieren auch eine neue Spezies des bisher eher imagegeschädigten Jugendfunktionärs. Dies gilt vor allem für den kühl kalkulierenden Manager Ressler, der unter anderem in der Grazer „Akademie für Führungskräfte“ für' organisatorischen Schwung sorgt und den nicht unintellektuellen Pragmatiker Moik, der in den nächsten Wochen auch in den Kärntner Landtag einziehen müßte.

Was sich neuerdings gebessert zu haben scheint, ist die Beziehung der Parteijugend zu den jungen Parteihoffnungen. So weilten etwa Alois Mock, Sixtus Lanner und Erhard Busek am Wochenende gemeinsam beim Bundestag der Jugend in Mat-tersburg — und die ihnen dargebrachten Ovationen zeigten, wem derzeit die Sympathien innerhalb der Parteijugend gehören.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung