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Keine Lebenslügen

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Zunächst drei Zitate eines österreichischen Politologen - eines Wissenschaftlers also - aus dem „Extrablatt“:

„Herausgeber, Eigentümer halten sich eine Zeitung, entweder weil sie damit Profit machen wollen oder weil sie damit Politik machen wollen.“ - „Unabhängigkeit und Objektivität sind die Lebenslügen der österreichischen Medien.“ -„Verdrängt werden die Fragen der Qualität, der Pluralität, der Legitimität der Medienlandschaft.“

So einfach ist das also! Bequem wäre es nun, zu sagen: „Sehen Sie, Herr Professor, da ist eben die FURCHE ganz anders!“ So groß auch das Unbehagen mit Österreichs Medienlandschaft sein mag, diese schlichten, aber apodiktischen Feststellungen sind bar jeder Differenzierung. Sie könnten die Geburtsstunde eines neuen Kollektivschuldmythos für Österreichs Verleger und ein paar hundert Journalisten signalisieren.

Mit der Neukonzeption unseres Blattes vor zwei Jahren wurde für dieses eine Breitbandträgerschaft innerhalb des österreichischen Katholizismus gefunden, und gerade daraus ergeben sich seine unverwechselbaren Aufgabenstellungen. Die Christen sind in unserer Zeit

mehr denn je zu bedrängten Gliedern eines bedrängten Ganzen, der Kirche, geworden. Darum will und muß die FURCHE erstens und vor allem ein Forum des Suchens und geistigen Ringens im Inneren sein.

Sie hat die Dienstfunktion, jener Art zu sein, wo die Christen miteinander reden und ringen, wo sie suchen, aber auch finden wollen. Jede Eigenschaft, die sich selbst nekroti-sieren möchte, strebt nach der Konsolidierung im Geist. Die Welt, die mündige Welt, wartet oft mehr und begehrender, .als die Christen, es wahrhaben, auf ihre Standpunkte.

Damit sind wir in der Weltver-antwortung einer Gesinnungszeitung angekommen. Die FURCHE ist ein Artikulationsinstrument der Christen. Gerade die Kirche.müßte sagen, was sie für richtig empfindet, meinte jüngst ein österreichischer Meinungsforscher. In unseren freien Gesellschaften nimmt das Maß an persönlicher Verantwortung des einzelnen zu und das allgemeine Wertbewußtsein ab. Die Orientierungsdefizite steigen beträchtlich. Daher hat sich ein Blatt wie die FURCHE nicht zu scheuen, unentwegt ethische Aufrüstung für eine enorm gewordene Verantwortungskapazität des einzelnen Christen, aber auch der Kirche als ganzes zu besorgen, also Sorge zu tragen!

Und damit vollzieht sie drittens zu einem entsprechenden Anteil das öffentliche Auftreten der Kirche mit. Eine stumme Kirche ist eine sistierte Kirche! Helmut Schelsky sagte einmal: „Mit dem Christentum kommt heute nicht eine neue Wahrheit in eine alte Welt, sondern eine alte Wahrheit hat sich in einer neuen zu behaupten“. Ohne Zweifel ein nachdenkenswertes Wort. Angewandt auf die FURCHE, bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, als daß sie für die Regeneration und den Fortschritt des Menschen mitverantwortlich ist.

Zwei Jahre neue FURCHE liegen hinter uns. Die Antwort auf dieses Bemühen hat die Öffentlichkeit gegeben: die Auflage stieg und steigt beträchtlich, die FURCHE wird heute häufig und häufiger zitiert, die FURCHE ist Stichwortbringe-rin und Orientierungshilfe für viele Entscheidungs- und Verantwortungsträger geworden. Die Redaktion konnte weiter ausgebaut werden; die Skeptiker von 1976 schweigen. Künftig hat die FURCHE noch entschlossener zur Hoffnung aller im Geist Bemühten zu werden. Qualität, Unabhängigkeit und Objektivität sind nicht und können nie ihre Lebenslügen sein.

Mitherausgeber

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