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Digital In Arbeit

Keine ORF-Konkurrenz

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Es gibt unzählige Abhandlungen über mögliche Auswirkungen der neuen elektronischen Medien auf die Gesellschaft, insbesondere auf das Verhalten des einzelnen Menschen. Die Vielfalt der Gesichtspunkte ist nahezu unerschöpflich; das Spektrum der Meinungen reicht von ernst zu nehmenden Warnungen bis zu euphorischen Hoffnungen.

Unbestritten ist: wir stehen vor einer großen Herausforderung! Für die reale Medienpolitik gilt es, eine verantwortbare Mitte zu suchen und zu finden - eine Synthese zwischen den oft unheimlichen Phänomenen der Medientechnologien unserer Zeit und dem Anspruch des Menschen, in Freiheit seine Persönlichkeit zu entfalten.

Das Wort von der notwendigen „Medienökologie“ ist in die gesellschaftspolitische Diskussion gekommen. Zurecht, wie ich meine, da Informationslawine und Informationsauswahl, Quantität und Qualität, Konsumideologie und Selektionsfähigkeit mit der Zunahme neuer Medientechniken in direktem Zusammenhang mit dem Menschen, mit der Verträglichkeit für die menschliche Gemeinschaft stehen.

Es stellt sich zweifelsohne die Frage nach dem gesellschaftlichen Bedarf von noch mehr Fernsehen (Kabel, Satellit, Bildschirmzeitung, Fernsehspiele etc.). Gleichzeitig wissen wir, daß diese Diskussion eine notwendige und wichtige ist, jedoch eher theoretisch bleiben muß, da die neuen elektronischen Medien ein Ergebnis menschlichen Erfindungsgeistes und damit gesellschaftliche Wirklichkeit sind.

Angesichts globaler Fernsehkommunikation und des Satellitenfernsehens, das ja auch für Österreich wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt eine Realität sein wird, muß es eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage nach den Chancen der kleinräumigen Kommunikation geben. Dabei geht es nicht um die Pflege einer small-is-beau- tiful-Ideologie, sondern um die Sicherung von Kommunikationsfähigkeit der Menschen überhaupt. Es geht in einer für den einzelnen Bürger kaum begreifbaren Medienwelt um jenes menschliche Maß, das für die Humanität der Gesellschaft unabdingbar ist.

Aus dieser Perspektive sollten die Konsequenzen gezogen werden, zu denen die neuen elektronischen Medien herausfordern. Das heißt konkret:

Künftiges Kabelfernsehen hat nur dann einen wirklichen Sinn, wenn über den Empfang von ausländischen Programmen hinaus die regionale und lokale Lebenswirklichkeit einfließt.

Nachdem in allen österreichischen Bundesländern in unterschiedlicher Gesellschaftsform am Aufbau von Kabelnetzen gearbeitet wird, sollte der Bundesgesetzgeber sehr bald ein Kabelrundfunkgesetz beschließen, das die eigenständige Produktion regionaler und lokaler Kabel-Fernsehprogramme möglich macht.

Nicht sinnlose Konkurrenz zum ORF-Monc>poI kann dabei das Ziel sein - das Kabelrundfunkgesetz sollte ohnehin die gleichen Kriterien der Objektivität, Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt beinhalten -, sondern die Erweiterung der regionalbezogenen Kultur, Information und Kommunikation.

^Schon jetzt erscheint es mir notwendig, darauf hinzuweisen, daß Kabelgesellschaften, die einmal Programmproduktion durchführen und Programmverantwortlichkeit übertragen erhalten, sinnvollerweise mit dem ORF in Kooperation treten sollten. Dies vor allem im Hinblick auf die Regionalisierungskonzeption des ORF und die steigende regionale Leistungsfähigkeit der ORF-Landesstudios.

Immerhin hat bei den Linzer Mediengesprächen 1981 der oberösterreichische Landeshauptmann bereits von der Einspeisung von Kulturbeiträgen aus seinem Bundesland ins künftige Sa- telliten-Fernsehen geträumt.

Die vielleicht bedeutsamste Perspektive des Kabel-TV liegt im Kommunalbereich. Hier böte sich auch die konkreteste Chance, nicht nur dezentrale Information zu praktizieren, sondern tatsächlich Zweiwegkommunikation - also aktive Einbeziehung des Bürgers - zu realisieren. Auf der Kommunalebene ist auch der Sinn der neuen Technologie am besten erkennbar: Jederzeit abrufbare Informationen von Sozialdiensten bis zur Verkehrslage; von der Gemeindeverwaltung bis zu Ablesesystemen für Strom, Gas, Wasser und so weiter.

Schließlich wäre jener Aspekt anzuführen, der mit Medienpädagogik und einem neuen elektronischen Medienverständnis zu tun hat: Die Abkehr von einer Perfektionismus-Ideologie (die auch immer mehr kostet) bei gleichzeitiger bewußter Förderung von alternativen Medieninitiativen, wie Videogruppen. Solchen Aktivitäten liegt die positive Tendenz zugrunde, daß Produktionen unter Beteiligung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen entstehen, deren gesellschaftliche Position im professionellen Medienbereich nur allzu oft einen geringen Stellenwert besitzt (z.B. Arbeitswelt, alte Menschen, Jugend und deren wirkliche Probleme).

Bisherige Pilotprojekte der Videoinitiative Graz, wie etwa der Film „Stahlsplitter“ oder die Videoinitiativen „Ziegenburg“ (eine Arbeitersiedlung in Mürzzuschlag), können als praktischer Hinweis dienen.

Die Abkehr von der Mystifikation und einer damit verbundenen, oftmals falschen Faszination („Glotzzwang“) bei gleichzeitiger Tendenz zur Selektion und kontrollierten Selbstverständlichkeit wäre ein medienpädagogisches Ziel, insbesondere im Hinblick auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gegenüber jungen Menschen, die in dieser Medienwelt ihre Persönlichkeit zu entwickeln haben.

Ich sage dies, weil wir um die Konsumation des Fernsehens durch Kinder wissen, und weil wir nicht blind sein dürfen für jene Auswirkungen, die eben nicht auf der Positivliste der elektronischen Medien gesetzt werden können.

Dieser Problemstellungen hat sich die Politik anzunehmen. Politik nicht als Exklusivzirkel einiger weniger Medienexperten verstanden, sondern als ein Prozeß der Bewußtseinsbildung zur Wahrung und Erneuerung menschlicher Werte.

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