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Keine „Pensionopolis" in Tirol
Bei der Landeshauptleutekonferenz am 8. Oktober wird ein „Staatsvertrag" zwischen Bund und Ländern unterzeichnet, der den Weg freimacht für die neuen Landesgesetze zur Regelung des Grundstücksverkehrs. Damit können die Länder - auch mit Blick auf die EG-Bürger - den Ausverkauf der letzten schönen Grundstücke verhindern.
Bei der Landeshauptleutekonferenz am 8. Oktober wird ein „Staatsvertrag" zwischen Bund und Ländern unterzeichnet, der den Weg freimacht für die neuen Landesgesetze zur Regelung des Grundstücksverkehrs. Damit können die Länder - auch mit Blick auf die EG-Bürger - den Ausverkauf der letzten schönen Grundstücke verhindern.
Die Bedenken vieler Österreicher gegenüber der EG sind unverkennbar. Einer der Gründe dafür liegt in der Sorge, daß es durch einen Zustrom der dann gleichberechtigten Bürger anderer EG-Länder zu einer „Überfremdung" in den schönen Gegenden Österreichs, vor allem der westlichen Bundesländer, kommen könnte. Derzeit ist Ausländern der Erwerb eines Grundstückes oder Hauses für einen Zweitwohnsitz vielfach erschwert, da und dort sogar weitgehend verwehrt.
Die geltenden Gesetze müssen deshalb so geändert werden, daß sie unerwünschte Entwicklungen eindämmen und zugleich den EG-Vorschriften entsprechen. Schon durch die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), den es im kommenden Jahr geben wird, ist dies notwendig, wenn auch mit einer dreijährigen Ubergangsfrist. Spätestens 1996 - wenn nicht sogar Österreichs EG-Beitritt früher wirksam wird -müssen deshalb im Grundverkehrsrecht die erforderlichen Anpassungen vollzogen sein.
Bauland sichern
Ein im heurigen Frühjahr beschlossenes Verfassungsgesetz sieht die Übertragung von Kompetenzen in den Bodenordnungen vom Bund an die Länder vor, und zwar für behördliche Beschränkungen beim Verkehr mit bebauten oder bebaubaren Grundstük-ken. Damit das Gesetz wirksam werden kann, ist aber erst noch ein „Staatsvertrag" nach Artikel 15a der Bundesverfassung zwischen dem Bund und den Ländern abzuschließen; da geht es vorwiegend um die Einheitlichkeit der einschlägigen Bestimmungen im Zivilrecht, für das ja weiterhin der Bund zuständig ist. Die Vorarbeiten für diesen Vertrag sind, wie man auf Landesebene betont, dank guten Engagements der Minister Weiss und Michalek und deren Mitarbeiter so problemlos vor sich gegangen, daß er am kommenden Donnerstag (8. Oktober) im Rahmen der-diesmal zum Abschied von Landeshauptmann Ludwig in Perchtoldsdorf stattfindenden - Landeshauptleutekonferenz unterzeichnet werden kann. Damit ist dann der Weg frei für die neuen Landesgesetze.
Was soll erreicht werden? Es geht vor allem darum, daß Bauland für die ansässige Bevölkerung und für Personen, die auf Dauer ganz zuziehen wollen, gesichert bleibt und daß eine Dämpfung der Nachfrage die Bodenpreise nicht weiterhin unerträglich steigen läßt. Das Problem liegt somit in hohem Maße bei Zweitwohnungen, die nicht beruflich benötigt werden, sondern zeitweilig als Ferienoder Alterssitz gedacht sind. Schon jetzt ist in manchen schön gelegenen Gemeinden der Ausländeranteil sehr groß. In bestimmten Regionen Tirols, etwa im Raum Kitzbürfel, hat er ein überaus hohes Ausmaß erreicht. Das Interesse von meist begüterten Deutschen oder Italienern, die von der hohen Lebensqualität der Alpengebiete und teilweise auch von der Sicherheit einer derartigen Kapitalanlage in Österreich angezogen sind, ist stark spürbar, und dieser Andrang dürfte in Zukunft kaum nachlassen.
Aus Gründen der Siedlungspolitik und der Raumordnung wollen die Tiroler dieser Tendenz selbst in Gemeinden, wo es noch Baulandreserven gibt, nach Möglichkeit einen Riegel vorschieben. Das Gespenst
einer „Pensionopolis Tirol" geistert herum.
In manchen Kreisen österreichischer Politiker macht man sich Hoffnung auf das dänische Beispiel. Denn Dänemark, das eine starke Zuzugstendenz aus Norddeutschland verspürt, bekam in einem Zusatzprotokoll zum Vertrag von Maastricht ausdrücklich das Recht, seine für Ausländer restriktiven Vorschriften über den Erwerb von Zweitwohnsitzen beibehalten zu dürfen.
Das „dänische Modell ist aber für Österreich ein höchst fragwürdiger Präzedenzfall, heißt es in einem neuen, sehr aufschlußreichen Buch" zum Thema.
Die beiden Autoren kommen im Zuge ihrer eingehenden Analysen des Bodenrechtes der EG, Österreichs und mehrerer EG-Länder zu dem Ergebnis, daß die dänische Regelung schon deshalb kein Vorbild für Österreich sein kann, weil sie teilweise EG-rechtswidrig ist. Sie widerspricht nämlich der sogenannten „Kapitalverkehrsrichtlinie der EG von 1988 und ist eine „verschleierte Diskriminierung", weil sie den Grunderwerb freigibt, wenn jemand fünf Jahre seinen Wohnsitz in Dänemark gehabt hat (auch in der Vergangenheit), was für Dänen wohl die Regel darstellt, nicht aber für EG-Ausländer.
Zwar dürfen laut dem Vertrag von Maastricht bestehende einzelstaatliche Vorschriften in der Frage der Zweitwohnungen aufrechtbleiben, aber nur bis der EG-Rat weitere Vorschriften beschließt und zwar mit qualifizierter Mehrheit. Um so etwas zu verhindern, wären 24 Stimmen not-wendig; Dänemark verfügt aber nur über drei Stimmen, Österreich würde als EG-Mitglied wohl auch drei Stimmen haben. Eine echte Abschottung gegenüber auf Zweitwohnsitze bedachten Ausländern aus anderen EG-Staaten wäre dann höchstens in einer „strategischen Koalition" mit EG-Ländern gleicher Interessenlage (Frankreich, Schweden, vielleicht Italien?) erreichbar.
Die Autoren des genannten Buches unterstreichen aber auch, daß das dem Maastrichter Vertrag beigefügte Sonderprotokoll ausdrücklich nur für Dänemark gilt. Österreich könnte sich rechtlich gar nicht darauf berufen, höchstens diese Ausnahmeregelung als politisches Argument in den kommenden Verhandlungen ansprechen.
In den österreichischen Bundesländern setzt man daher kaum auf das dänische Modell. Man zielt vielmehr darauf ab, die Errichtung von privaten Zweitwohnungen weitgehend zu verhindern, und zwar nicht diskriminierend nur für Ausländer, sondern ganz allgemein. Die Vorarbeiten für die neuen Landesgesetze, in welchen die künftigen Rechtsbedingungen festgelegt werden sollen, sind nicht nur in Tirol schon weit gediehen, sondern, wie man
hört, auch in der Steiermark, in Vorarlberg und Salzburg, offenbar auch in Kärnten. Dabei gibt es neben den grundsätzlichen, die Verflechtungen von Grund verkehr und Raumordnung Rechnung tragenden Bestimmungen noch viele Details zu regeln: etwa wie Vermietungen, mit denen eine Umgehung der Grunderwerbsvorschrif-
ten bezweckt wird, zu verhindern oder zu ahnden sind; oder welche Fristen für die Bebauung von Grundstücken vorgeschrieben werden sollen, damit nicht vorhandenes Bauland unzulässig lange unbenutzt bleibt und dadurch, weil begründeter Bedarf angemeldet wird, der Trend zur Umwidmung von Grün- in Bauland noch mehr verstärkt wird.
Die Landesgesetze müssen dabei natürlich in enger Be-dachtnahme auf die Erfordernisse der einzelnen Gemeinden abgefaßt sein und bei aller Treue zu den abgesteckten Grundsätzen eine flexible Handhabung nach den jeweils gegebenen Umständen erlauben. Man ist jedoch in Fachkreisen überzeugt, daß dies alles EG-konform fertiggestellt und fristgerecht, vielleicht schon im Laufe des kommenden Jahres, wirksam werden kann.
Der Autor ist freier Publizist.
1) RAUMORDNUNG UND BODENRECHT IN EUROPA. Von Waldemar Hummer und Michael Schweitzer. Herausgegeben vom Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung, Signum Verlag, Wien 1992. 393 Seiten, öS 380,-.
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