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Keine Privatangelegenheit mehr

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Bruno Kreisky ist ein oft merkwürdiger Mann. Er ist jüdischer Abstammung und versteht es dennoch, scheinbar gerade jene zu hofieren, die vor 30 und mehr Jahren einem Regime Treue geschworen haben, das einige Millionen Juden nach Auschwitz, Dachau und Mauthausen verschickt hat. Auch dem Privatmann Bruno Kreisky würde man ein derartiges Verhalten nicht entschuldigen können; noch weniger dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Österreichs und schon gar nicht dem Bundeskanzler der Republik Österreich; dem Bundeskanzler eines Landes, das — seinerzeit und gemessen an seiner Bevölkerungszahl — die meisten KZ-Wärter stellte.

Nicht irgendwem (und das wäre nicht minder schlimm), sondern dem Bundeskanzler der Republik Österreich gefiel es, einem israelischen Journalisten gegenüber zu behaupten: „Wenn die Juden ein Volks sind, so ist es ein mieses Volk.“

Der Bundeskanzler der Republik Österreich hat mittlerweile Gelegenheit erhalten, seinen Ausspruch und damit seine grundsätzliche Haltung zu revidieren. Er hätte vor aller Öffentlichkeit sagen können, daß das dem Journalisten weder so gesagt wurde, noch so gedacht war. Doch nein, darauf angesprochen, ob er dabei bleibt, daß „die Juden ein mieses Volks sind“, sagte er: „Ich habe mir einmal vorgenommen, Journalisten nicht zu dementieren. Und dabei bleibe ich.“

Es ist sehr zu fürchten, daß Bruno Kreisky, Vorsitzender der Sozialistischen Partei Österreichs und Bundeskanzler eben dieser Republik, auch noch stolz auf sein antisemitisches Bekenntnis ist. Geht es doch für ihn ganz offensichtlich darum, mit sich selbst fertig zu werden. So gründlich, daß selbst die Ehemaligen sagen können: er hat den rechten Glauben an das Vorurteil von

Menschen erster, zweiter und dritter Klasse.

Wo sind die Motive für Bruno Kreiskys Standpunkte aber wirklich angesiedelt? Übertüncht wird das nur von larmoyanten Bekenntnissen zu den Donauauen, zum Kahlenberg und zu Gustav Mahler, die ihm nicht nur aus ästhetischen Gründen besser gefallen als die Wüste Negev, Massada und israelische Folklore.

Wann je hat man von Bundeskanzler Kreisky gehört, er wolle einen „Fall durchziehen“? Immer wieder hat er mit Vor- und Einwän-

Bundeskanzler Kreisky, Moshe Dayan (1973 in Tel Aviv):

„ ... ein mieses Volk“? Photo: AP den so geschickt hantiert, bis sachpolitische Probleme sich von selbst erledigt haben. Nun aber will er „einen typischen Fall durchziehen“, den Prozeß mit Simon Wiesenthal, dessen Vorwürfe gegen den FP-Par-teiobmann Friedrich Peter jedenfalls der Beschuldigte nicht entkräften konnte. Bruno Kreisky ist für Peter eingesprungen, weil er glaubt, daß man ihm als Kanzler schaden will.

Niemand, der sich zu Ergebnissen demokratischer Abstimmungen bekennt, will das; schon aus der recht eigennützigen Überlegung heraus, daß ein „geschädigter“ Bundeskanzler nicht gleichzeitig ein guter sein kann. Und ein „guter“ Bundeskanzler sein, heißt, überlegt handeln und agieren.

In der „Judenfrage“ überlegt und handelt Bruno Kreisky keineswegs unbefangen, sondern von einer unerklärbaren Haltung bestimmt. Wäre Bruno Kreisky nicht Vorsitzender der Sozialistischen Partei und Bundeskanzler der Republik Österreich, so wäre das auch nicht seine Privatangelegenheit, weil es vom Gesetzgeber dieser Republik beschlossene Verdikte gegen jede Form der pauschalen „Diskriminierung“ gibt.

Oder ist das dadurch zu entschuldigen, daß mehrere Mitglieder seiner Familie seinerzeit in Gaskammern umgekommen sind?

Mit seiner so intensivere Setbstbe-schäftigung erweist Bruno Kreisky weder sich, seiner Partei noch der Republik Österreich einen guten Dienst. Alle jetzt im Ausland ihm gegenüber mehr oder weniger offen ausgesprochenen Vorwürfe des Antisemitismus treffen auch Österreich, das zu führen und zu repräsentieren er durch Wählerauftrag bestimmt wurde.

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