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Digital In Arbeit

Keine Profilneurose mehr

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Die diesjährige Vollversammlung des österreichischen Cartellverban-des, die am Sonntag in Baden zu Ende ging, stand unter dem Motto „Gesellschaftspolitik durch Grundsatzreform“. Dies wurde nicht nur durch ein mit Experten aus dem In-und Ausland besetztes Symposion unterstrichen, sondern insbesondere auch durch die programmatischen Erklärungen, die die neugewählte Verbandsspitze abgab.

Während das letzte Arbeitsjahr unter dem Präsidenten Rotter (Ame-lungia) unter anderem den Schwerpunkt „Repolitisierung“ des CV, hatte, so bekräftigte der neue Präsident des Studentenverbandes, Michael Metzler (Norica), daß man auf der Grundlage dieser Arbeit weiterarbeiten wolle.

Darüber hinaus will sich der Car-tellverband im Arbeitsjahr 1976/77 mit Fragen der „Chancen und Gefahren für die Demokratie im politischen System Österreichs“ auseinandersetzen, wobei' insbesondere die' folgenden Aspekte beleuchtet werden sollen:

• Sozialpartnerschaft (Problematik der Machtverlagerung in außerparlamentarische Bereiche),

• Parteiensystem (Problematik der Durchdringung aller Lebensbereiche durch die Parteien, freies Mandat — Klubzwang, Persönlichkeitswahl — Verhältniswahlrecht usw.),

• Entideologisierung der Politik (Gefahr für die Demokratie, da diese in einer Wahlmöglichkeit über sachliche Alternativen und nicht im periodischen Abstimmen über Personen bestehen soll),

• Funktion der Medien im österreichischen Demokratiesystem.

Zu jedem dieser Themenkreise ist die Herausgabe einer Broschüre, die Durchführung von Arbeitskreisen sowie die Veranstaltung von Podiumsdiskussionen vorgesehen.

In zwei Resolutionen wandte sich der Kartellverband an eine breite Öffentlichkeit. Zur Familienpolitik wurde festgestellt, daß die derzeitige Situation in Österreich durch „das Bemühen des Staates gekennzeichnet sei, die Familie in ihren traditionellen und bewährten Strukturen auszuhöhlen“. In diesem Zusammenhang werden „umfassende und entschiedene Maßnahmen gefordert, damit die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgabe im Dienste der Person und der Gesellschaft voll unterstützt werden kann“, wobei der Cartellverband an diese grundsätzliche Erklärung einen Forderungskatalog anschließt.

In einer zweiten Resolution („Kirche und Gesellschaft“) wird postuliert, daß es „Aufgabe aller Katholiken ist, Kirche in der Gesellschaft von heute präsent zu machen“. Ge-mefnSäm',mir'5aeT' Förderung nach stärkerer Präsenz der Kirche in der Gesellschaft wurde jedoch auch auf den Umstand hingewiesen, daß „der österreichische Katholizismus in der von seiner Vergangenheit her durch einen verzweigten Partikularismus geprägt ist, den zu überwinden als das Gebot der Stunde scheint, sollen seine Anliegen in der Öffentlichkeit entsprechendes Gehör finden.“

Darüber hinaus diente diese jährlich einmal durchgeführte Generalversammlung von Österreichs größtem Akademikerverband auch zur ausgiebigen Behandlung der Ver-bandsinterna, die in der Regel für die Öffentlichkeit von untergeordnetem Interesse sind. Dieses Jahr verhält es sich anders: Der Cartellver band hat nämlich letztes Wochenende ein rund 80 Seiten starkes Strukturänderungskonzept mit großer Mehrheit beschlossen. Sinn dieser Reform, der über zweijährige Vorarbeiten vorausgegangen waren, ist es, die jahrzehntelang fast unverändert beibehaltene Verbandsstruktur den geänderten Realitäten anzupassen. “ Ein Tagesordnungspunkt,'der seit Jahren auf Kartellversammlungen herumgeistert, wurde mit großer Mehrheit im „ökumenischen Geist“ (so ein Funktionär) gelöst. Zwar besteht für Nicht-Katholiken ex defini-tione nach wie vor keine Möglichkeit der Aufnahme in den katholischen Akademikerverband, doch wurde auf dieser CW beschlossen, mit der Austria-Sagitta (einer protestantischen Studentenverbindung, die im Laufe des letzten Jahres gegründet wurde) ein „freundschaftliches Verhältnis“ zu pflegen. Damit dürfte diese im Kartellverband immer wieder hochgespielte Frage langfristig gelöst worden sein.

An Personalia bleibt lediglich nachzutragen, daß der verdiente Leiter der Bildungsakademie des ÖCV, Dozent Wolfgang Mantl, der der Bildungsarbeit im ÖCV in den letzten Jahren entscheidende Akzente verliehen hatte, aus beruflichen Gründen sein Amt niederlegte und seinem einstimmig gewählten Nachfolger, Gerhard Hartmann, ein wohlbestelltes „Bildungshaus“ übergeben konn-^tev ' 17 r,ao,m*i™'9 maooran

Mit der Leitung der Verbandszeitschrift „Academia“ wurde deren langjähriger Chefredakteur Peter Hof bauer beauftragt.

Der scheidende Präsident Rotter äußerte sich über diese CW nicht ohne Wehmut; es sei erfreulich, daß die Behandlung mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen im Verband heute derart unumstritten sei, daß auch in den nächsten Jahren auf dieser Grundlage weitergearbeitet werden könne.

Baden vermittelte den Anschein, daß die noch vor Jahren für den CV charakteristische Profilneurose einem soliden Selbstbewußtsein gewichen ist.

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