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Keine Rückkehr der Kommunisten
Der 20-Prozent-Stimmenanteil für die ex-kommunistische Sammelbewegung SLD bei den polnischen Parlamentswahlen am Sonntag war für viele ein Schock. Ein Wahlsieg der Postkommunisten wurde zwar erwartet (FURCHE 37/1993), aber nicht in diesem Ausmaß.
Der 20-Prozent-Stimmenanteil für die ex-kommunistische Sammelbewegung SLD bei den polnischen Parlamentswahlen am Sonntag war für viele ein Schock. Ein Wahlsieg der Postkommunisten wurde zwar erwartet (FURCHE 37/1993), aber nicht in diesem Ausmaß.
Der Krakauer Philosoph und Theologe, Jozef Tischner, ideologischer Mitbegründer von „Solidarnosc", spricht von einer „paradoxen Situation": „Das zutiefst katholische Polen wird im Parlament keine Gruppierungen haben, die imstande wären, die religiösen und gesellschaftlichen Rechte der Katholiken zu verteidigen."
Gegenüber der FURCHE gab Tischner zu bedenken, daß die wesentlichen Ministerien - für das Schulwesen sowie für Inneres und Polizei - in den Händen der Ex-Kommunisten liegen werden. Die Linke - neben der SLD liegt die Bauern-blockpartei PSL mit etwa 15 Prozent an zweiter Stelle - wird sich nach Meinung Tischners jedoch auf keinen Konflikt mit der Kirche einlassen, sie eher zunächst hofieren. Erst allmählich werden die grundsätzlichen Widersprüche zum Vorschein kommen.
In diesem Zusammenhang hält Tischner eine Neudiskussion des Abtreibungsgesetzes und der Bestimmungen über den Religionsunterricht an den Schulen für möglich. Auch das jüngst erst geschlossene Konkordat könnte berührt werden, das zwar keinerlei Rechte des Staates beschneide, jedoch die Kontrolle des Staates über Bi-
schofsernennungen beendet habe. „Ob die Linken diesen Umstand akzeptieren werden, ist eher fraglich", gibt sich Tischner skeptisch.
Von den sechs Parteien, die in den Sejm einziehen werden, liegt die Demokratische Union der Ex-Premierministerin Hanna Suchocka an dritter Stelle. Die Union der Arbeit, die Konföderation für ein unabhängiges Polen sowie Lech Walesas BBWR (Überparteilicher Block für die Unterstützung der Reformen) schafften neben den Minderheitengruppen (für die die Fünf-Prozent-Klausel nicht galt) ebenfalls den Einzug in den Sejm (insgesamt 460 Sitze). Die Demokratische Union möchte auf keinen Fall in eine ex-kommunistisch geführte Regierung eintreten. Die Basis hätte wohl kein Verständnis dafür. Auch der Bauernparteiführer Pazlak hat sich in einem ersten Statement eher zurückhaltend geäußert, ob wohl die Postkommunistenunddie Bauernpartei mit etwa 54 Prozent der Parlamentssitze (34 Prozent der Wählerstimmen) die absolute Mehrheit hätten.
Beobachter der kritischen Krakauer katholischen Wochenzeitung „Tygodnik powszechny" geben sich bedrückt, wenngleich sie keine Rückkehr des Kommunismus befürchten.
Man glaubt an keine drastischen Veränderungen der polnischen Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik. „90 Prozent wird so bleiben wie bisher. Vielleicht wird sich die Privatisierung etwas verlangsamen. Eine soziale Abfederung der marktwirtschaftlichen Veränderungen hat ja auch Hanna Suchocka schon versucht; vergeblich. Polen hat kein Geld. Das werden auch die Postkommunisten zu spüren bekommen."
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