6865638-1978_02_04.jpg
Digital In Arbeit

Kessler wackelt -mit ihm die ÖVP?

Werbung
Werbung
Werbung

Wer die politischen Ereignisse in Vorarlberg sorgsam beobachtet, wird bemerken, daß seit einiger Zeit, etwa schon seit einem Jahr, in immer dichterer Folge SPÖ-Spitzenpolitiker nach Vorarlberg kommen, um hier vor verschiedenen Gremien zu sprechen, angefangen von Bundeskanzler Kreisky über Vizekanzler Androsch bis zu Landwirtschaftsminister Haiden (der zwar in Vorarlberg geboren, aber keineswegs ein Vorarlberger ist). Handelsminister Staribacher, der hier durchaus Beachtung findet, ist sozusagen Hauptredner zu Wirtschaftsfragen, weil in Vorarlberg Wirtschaft (und Wirtschafteri) nun einmal ganz groß geschrieben wird. Politiker, von denen man weiß, daß sie hier nicht einmal in der eigenen Partei Anhänger haben, wie Gesundheitsminister Leo-dolter, Wissenschaftsminister Firnberg und Innenminister Lanc, läßt man erst gar nicht auftreten.

Ziel dieser Bemühungen ist die Gewinnung einer möglichst großen Zahl von Wechselwählern, um die absolute Mehrheit der ÖVP im Lande brechen zu können. Die Hoffnung, daß die SPÖ die relative Mehrheit gewinnen und damit vielleicht sogar, je nach der Haltung der in Vorarlberg sehr starken FPÖ, den Landeshauptmann stellen könnte, ist angesichts der auf Majorz und nicht auf Proporz abgestellten Landesverfassung fraglich. Immerhin würde bundesweit eine schwere Niederlage der ÖVP in Vorarlberg weit über die Grenze am Arlberg hinaus Bedeutung haben.

Der SPÖ, die in Vorarlberg nur über sehr wenige profilierte Politiker verfügt- eigentlich nur über den Bluden-zer Bürgermeister Stecher, der sich auch bei der ÖVP größter Achtung erfreut, während der Bregenzer Bürgermeister Fritz Mayer zwar sehr tüchtig, aber doch zu kämpferisch aggressiv und auch durch seine antikirchliche Haltung bei der noch immer vorwiegend ausgesprochen katholischen Bevölkerung unbeliebt ist -, können ihre Bemühungen nur dann gelingen, wenn die herrschende ÖVP Schwächen zeigt.

Daher beginnt jetzt schon die Diskussion über die Persönlichkeiten, die die ÖVP herausstellen wird. Tatsächlich sind dies so grundlegende Fragen, daß daneben selbst die Sachfragen, über die man sich ja einig ist, in den Hintergrund treten. Im Gegensatz etwa zu anderen Bundesländern harmonieren in Vorarlberg ÖAAB, Wirtschaftsbund (und Bauernbund) vollkommen. Die Junge ÖVP allerdings befindet sich seit vielen Jahren im Dauerkrieg mit Landesparteiobmann Herbert Kessler. Die Bruchstellen werden dann entweder zugeklebt oder der Landesobmann der Jungen ÖVP muß wieder gehen. Da bei einer solchen Dauersituation die Schuld nicht nur bei der gelegentlich etwas revoluzzerischen Jungen ÖVP liegen kann, gibt es Anstrengungen, den Landesparteiobmann auf Fehler, die er vielleicht gemacht hat, aufmerksam zu machen. Das gelingt freilich kaum, da er Kritik aus den eigenen Reihen nicht verträgt und auch sonst nicht bereit ist, Entschlüsse, die auf Widerstand stoßen, zu revidieren.

Das hat sich erst kürzlich gezeigt, als er sich entschloß, eine „Alemannische Akademie“ mit Hochschulcharakter unter Heranziehung von Hochschulprofessoren aus der Schweiz, aus dem Elsaß und aus dem Schwabenland zu gründen, ohne vorher mit den in solchen Dingen extrem empfindlichen Schweizern Kontakt herzustellen, denen jede Bindung an Schwaben suspekt ist. Im „Kulturkampf zwischen Bregenz und Feldkirch nimmt der Landeshauptmann auch sehr widersprüchliche Haltungen ein, was schon zu viel Ärger Anlaß gab.

Grundsätzlich wäre es durchaus denkbar, daß die Vorarlberger Volkspartei bereits bei den Landtagswahlen 1979 durch einen neuen Mann angeführt wird. Kandidaten werden sogar schon genannt: Insbesondere Landesrat Siegfried Gasser, der in zunehmendem Maße in der Landespolitik auf nahezu allen Gebieten und nicht nur in seinem Ressort (Schulen) in Erscheinung tritt, gilt als Trumpf der Volkspartei. Es könnte aber durchaus sein, daß für Gasser der Bregenzer Bürgermeistersessel etwas mehr in Reichweite ist. Dem sozusagen mit allen Wassern gewaschenen SPÖ-Bür-germeister Mayer könnten bei den nächsten Gemeinder.atswahlen wohl kaum die in letzter Zeit vorgeschlagenen ÖVP-Kandidaten Alois Kaindl oder Dr. Franz Bernhard Paroli bieten. Bregenz ist zwar ein traditionell der ÖVP zuneigende Landeshauptstadt, doch hatte der frühere ÖVP-Bürgermeister Dr. Tizian durch seine Art und Weise des „Regierens“ gegen die Bevölkerung zuviel Sympathien eingebüßt. Allein Gasser hätte das Zeug dazu, die Bregenzer zu begeistern und die Mehrheit von ihnen wieder ins ÖVP-Lager zurückzuführen.

Hin und wieder wird auch der Feld-kircher Bürgermeister Dr. Heinz Bilz als Kandidat für den Posten des Landeshauptmanns genannt. Er wäre nach wohl einhelliger Ansicht mit Abstand der beste Landeshauptmann, den Vorarlberg haben kann, spricht als einziger Spitzenpolitiker auch im Rundfunk ein makelloses Deutsch, ohne die Mundart preiszugeben (in Vorarlberg ist das ein diffiziles Problem) und versteht es, auf allen politischen Klavieren zu spielen. Weil man das weiß und ihn nicht gern hochkommen lassen wollte, ist er aber bisher nicht in den Landtag nominiert worden. Er könnte sich den Landtagswahlen 1984 als Spitzenkandidat und damit Landeshauptmann-Kandidat stellen.

Somit wird trotz mancher Abschwä-chungen Herbert Kessler diesmal wohl wiederum an der Spitze bleiben. Redlich, keiner Korruption fähig (solche gibt es aber im ganzen Land bei keinem Politiker auch nicht in leisesten Ansätzen), unermüdlich fleißig (so daß seine Beamten mit ihm oft monatelang nicht reden können, was auch als Nachteil empfunden wird), ist Dr. Kessler heute wohl nicht durch jemand anderen ersetzbar. Gewiß, ihm fehlt das Charisma eines Wallnöfer -der ihn allerdings völlig unberechtigt immer wieder, etwa bei der Euregio Alpina und bei der ARGE Alp, geradezu demütigend behandelt hat - oder der Ideenreichtum eines Maurer oder Niederl.

Phantasie ist nicht jedem gegeben. Aber bisher sind die Vorarlberger mit ihm an sich gut gefahren und er hat zudem einen vielleicht auch positiv zu beurteilenden Hang zu einer eigenständigen Vorarlberger Außenpolitik, besonders in bezug auf Bayern. Ja, im ganzen westlichen Alpenbogen und Alpenvorland weiß man mehr über ihn zu rühmen als über den Tiroler Landeshauptmann oder den österreichischen Außenminister. Dazu trägt auch das Förderalismus-Institut der Bundesländer Tirol und Vorarlberg in Innsbruck bei, das in erster Linie von Dr. Kessler und durch ihn lebt und unter dem Innsbrucker Hochschullehrer Dr. Peter Pernthaler Aktivitäten weit über die Grenzen Österreichs hinaus entfaltet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung