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Khmer-Passion

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Vor zehn Jahren lebten etwa acht Millionen Menschen auf den 175.000 Quadratkilometern von Kambodscha (Kamputschea). Heute ist das einstmals stolze Volk der Khmer auf die Hälfte zusammengeschrumpft, und 2,5 Millionen davon sind unmittelbar vom Hungertod bedroht. Dabei wäre das Land, eine Tiefebene mit einigen vom Dschungel bewachsenen Höhenzügen, unendlich fruchtbar.

Die Urheber der kambodschanischen Tragödie sind die beiden Roten Khmer, Pol Pot, der ungezählte Menschen umbringen ließ, um einen integralen Kommunismus zu verwirklichen, und sein ehemaliger Genosse und Kampfgefährte Heng Samrin, der als Landvogt Vietnams seine Landsleute mit Hilfe von 200.000 vietnamesischen Soldaten unter das fremde Joch beugt (siehe auch FURCHE Nr. 41 vom 10. Oktober).

Heute sind nur noch 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen Männer; die meisten Frauen sind Witwen. Vor allem auf die Intellektuellen hatte es das Pol-Pot-Regime abgesehen: So überlebten von 500 Ärzten höchstens 40, von Tausenden buddhistischen Mönchen sollen kaum noch ein Dutzend am Leben sein. Was mit den Christen geschah, ist nicht auszudenken. Zeichen für ihre Passion ist der Umstand, daß die Kathedrale in Phnom Penh bis auf den letzten Stein abgetragen wurde.

Nur fünf Prozent der Reisfelder wurden bestellt. Die Seen und Flüsse sind zwar reich an Fischen, Netze und Boote fehlen jedoch. Sogar die Existenz des alten Kulturvolkes der Khmer ist heute in Frage gestellt. Nur eines von zehn Neugeborenen überlebt; Pest und andere Seuchen regieren ungehemmt.

In diesen Wochen treten die vietnamesischen Besatzer vermutlich zu einer Großoffensive an, um Pol Pots 40.000 Guerilleros aus den Schlupfwinkeln in den südwestlichen Berggebieten auszuräuchem. Sollte ihnen das nicht gelingen, steht ein Dschungelkrieg bevor, der Jahre dauern kann. Denn China versorgt Pol Pot und seine Massenmörder über Thailand.

Aber auch ein Erfolg der Besatzer brächte dem kambodschanischen Volk selbst wenig Gutes. Schon haben vietnamesische Siedler die Grenze überschritten und sich auf kambodschanischem Gebiet eingenistet.

Der ehemalige Gottkönig Norodom Sihanouk hat sich von Peking nach

Nordkorea abgesetzt und wartet auf eine Chance, um sein Volk retten zu können. Aber er will sich verständlicherweise von keinem der zwei kommunistischen Gewalthaber, deren Hände mit dem Blut des eigenen Volkes geschändet sind, vereinnahmen lassen. Anderseits fand er weder in Frankreich noch in Belgien Unterstützung zur Bildung einer Exilregierung.

Die „Blauen Khmer“, die ebenfalls im Dschungelkrieg gegen die vietnamesischen Besatzungstruppen kämpfen, wären eine dritte Kraft, sie zählen jedoch höchstens ein paar tausend Mann. Sihanouk erwartet, daß die UNO freie Wahlen durchführen und das Land neutralisieren lassen werde, aber seine kommunistischen Gegenspieler in Kambodscha werden sich dazu wohl kaum bereiterklären.

Eine Lösung wäre eher denkbar, wenn Peking und Moskau sich auf eine gemeinsame Aktion einigen könnten, um die ständig drohende Kriegsgefahr in Südostasien zu bannen. Schließlich droht eine neuerliche chinesische Strafexpedition gegen Vietnam und Laos, ebenso ein Übergreifen des kambodschanisch- vietnamesischen Krieges auf Thailand.

Anderseits hat Vietnam mit dermaßen großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land zu kämpfen, daß es sich seine imperialistischen Allüren wahrscheinlich gar nicht mehr leisten kann. Vielleicht schlägt schließlich doch noch Sihanouks Stunde.

Nur mit großen Schwierigkeiten laufen inzwischen die Rettungsaktionen des Internationalen Roten Kreuzes, des Weltkinderhilfswerkes Unicef, der Caritas und anderer Organisationen an. Thailand rechnet mit einem Aufwand von 40 Millionen Dollar. Japan hat sich bereit erklärt, sofort etwa umgerechnet 80 Millionen Schilling bereitzustellen. Auch andere Länder, eingeschlossen die USA, sind zu großzügiger Hilfe bereit.

Allerdings muß prinzipiell garantiert sein, daß die Hilfsgüter nicht in die Hände der vietnamesischen Truppen oder korrupter Beamter und Parteikader geraten und daß Hungernde auf beiden Seiten der Frontlinie Hilfe erfahren. Nach langem Zögern erklärte sich Phnom Penh kürzlich damit einverstanden, ,so daß dieser Tage vier Flugzeuge mit Hilfsgütern endlich landen konnten.

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