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Khomeinis schwieriges Erbe
Während des letzten halbenJahres ist in der Weltpresse viel von Liberalisierung in Iran berichtet worden. Da ist die Rede von Theaterstücken, in denen Frauen und Männer wieder zusammen auftreten, Musik ist allgemein mehr zu hören als zu Lebzeiten Khomeinis, die Verschleierung wird nicht mehr so streng genommen und so weiter. Wer die iranische Entwicklung des letzten Jahrzehnts aufmerksam verfolgt hat, wird sich erinnern, daß es ähnliche Phasen der augen-
scheinlichen Liberalisierung schon mehrmals gegeben hat, alle zwei bis drei Jahre. Sie haben jedoch nie lange angedauert, innerhalb knapp eines Jahres ist dann die Uhr jedesmal zurückgestellt worden. Es ist deshalb verfrüht, von einem Nachlassen des revolutionären Elans zu sprechen, auch wenn diesmal die Liberalisierung ein wenig weiter gehen oder die Phase der „Normalisierung" länger dauern sollte.
Präsident Rafsandjani, der nicht nur Geistlicher, sondern auch Großgrundbesitzer und Basarhändler ist, hat Mühe, sich in den Richtungskämpfen innerhalb des Regimes zu behaupten. Die Verbesserung der Wirtschaftslage ist für ihn prioritär. Er ist besorgt über die Konzentrierung der Industriegiganten auf den Wiederaufbau Osteuropas. Japaner und Koreaner sind zwar noch stark vertreten, doch ist man in Teheran über das nachlassende Interesse der Industrienationen im Iran-Geschäft beunruhigt.
Die einst auf die Wiederherstelin
lung guter Beziehungen so überaus erpichten Westdeutschen bekamen 1986 bereits kalte Füße, als sie nämlich feststellten, daß eine Sanierung des zerstörten Iran viel zu hohe Investitionen erfordert: Ein zu riskantes Geschäft. Hier mußte selbst der „Genscherismus" Grenzen erkennen.
Dieser Abkühlung versucht nun die Regierung Rafsandjani mit einer theatralischen „Normalisierung" entgegenzuwirken. Der oft als „Pragmatiker" bezeichnete Rafsandjani ist in erster Linie ein Realist. Was nützen wirksame Propagandazentren wie die schi'itischen Moscheen in Buenos Aires, Freetown oder Hamburg, wenn sich das hungernde Lumpenproletariat von Südteheran wieder erhebt -
diesmal gegen die Mullahs und für den jungen Schah?
Rafsandjanis Probleme mit dem noch radikaleren Flügel der Kho- meinistenrühren einmal daher, daß deroberste Geistliche und eigentli- che Khomeini-Nachfolger Khame- ne'i auf deren unnachgiebige Seite eingeschwenkt ist. Er hat es Raf- sandjani nicht gestattet, die pasda- ran („Revolutionswächter") der regulärenArmee einzugliedern oder gar zu unterstellen. Die pasdaran Stabilisierung hin. Selbst wenn sich aber geben den Ausschlag bei den Machtkämpfen in Teheran. Sie sind ja nicht einfach eine Miliz oder Nationalgarde mehr, sondern eine Art von „Volksarmee" parallel zur alten Armee und vielleicht sogar ischon stärker als jene. Dieser entscheidende Faktor ist in Iran-Analysen der letzten Jahre oft außer acht gelassen) worden. Ohne feste Itontrolle ül:>er dij? pasdaran kann Rafsandjani deri Kurs des Regimes nicht radikal neubestimmen.
die beiden Säulen, auf denen Kho.m????inis .theokratische ;,;Republik" ruht, heißen Basarkaufleute und Lumpenproletariat. Die führende Schjcht der GeistliChen ist mit den Basaris versc????wägert:- wie zum Beispiel Rafsandjan\ ..,. und einer bedingten „Norinalis\erung" der Beziehungen zum Westen qicht abhold. Die pasdaran 'iekrütieren sich aus dem Lumperi.prolet?riat und sind an einer „Normäli$ierμng" weniger interessiert. Für,· die: ;von Khomeini so viel l:lescl:!.worenen mostas'afin („Entrechteten") hat l!ich dieLagenicht verbessert,höch stens noch verschlechtert, Di???? pro- portionaleBesitzverteilungnatsich gegenüber der Schahzeit nicht .ver- ändert. Die neue Klasse der Besit zenden aber kommt nur in den sel- tensten Fällen aus den Elendsvier- telnSüdteherans,dieallenfalls noch elender geworden sind.
Die Konflikte innerhalb des Re- gimes sind also reell und schwer wiegend, und nichts deutet auf Stabilisierung hin. Selbst wenn sich jedoch der „pragmatische" Flügel unter Rafsandjani wider Erwarten durchsetzen sollte, würde das noch lange keine gründliche Umori- tierung bedeuten. Ob Basaris oder „Revolutionswächter", die islami- stische Ideologie der Khomeinisten hat keine Wandlung erfahren
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