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Kinder als Chance

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Heute hat das Denken in wirtschaftlichen Kategorien viele Bereiche, für die es eigentlich gänzlich ungeeignet ist, erfaßt. Ein typisches Beispiel dafür ist der Stellenwert, den Kinder in unserem Leben einnehmen. Viele Jahre hindurch habe ich mit meiner Frau gemeinsam Brautunterricht gehalten. Ein Thema, das immer wieder zur Sprache kam, war die Problematik: Wann soll man Kinder bekommen? Muß die Mutter dann zu Hause bleiben?

Wenn ich diese Gespräche jetzt im nachhinein in meiner Erinnerung wachrufe, wird mir klar, wie sehr heute bei unserer Lebensplanung und besonders auch bei der Einplanung des Kindes in unser Leben das Kostendenken überhand genommen hat.

Das Lebensglück wird heute doch sehr stark danach beurteilt, wieviel Konsum es in den verschiedensten Bereichen ermöglicht: Konsum an Freizeit, Konsum an Wohnkomfort, Konsum an Prestige, Konsum an Statussymbolen usw Es ist naheliegend, daß die Einordnung von Kindern in dieses Schema Schwierigkeiten bereitet. Da Kinder die Betreuung ihrer Eltern benötigen, scheinen sie vorwiegend auf der Kostenseite der Lebensglückrechnung auf: Von der erwerbstätigen Mutter wird erwartet, daß sie zumindest zeitweise von ihrer Berufstätigkeit Abstand nimmt. Die damit verbundene Einkommenseinbuße schlägt sich selbstverständlich in einer Verringerung des möglichen Konsums nieder. Zu Einschränkungen kommt es natürlich auch im Bereich der Freizeitgestaltung.

So ist es nur allzu verständlich, daß bei den meisten jungen Menschen eine Art Lebenskalkül einsetzt: Können wir uns ein Kind schon oder überhaupt leisten? Das Kind wird somit oft nur noch eine Kostenstelle in der wirtschaftlichen Planung unseres Lebens.

Hier dürfte eine der Wurzeln unseres tiefen Unbehagens sein, eines Unbehagens, das auch im Jahr des Kindes nicht bewältigt

Interessantertveise führt dieses Streben nach dem perfekten Glück offenbar zu einer Unfähigkeit, persönliche Probleme zu verarbeiten, und damit ist oft auch ein Ansteigen der Selbstmordrate erkennbar, wie dies gerade in Österreich und insbesondere bei Kindern bemerkbar ist.

Die zweite Komponente der gegenwärtigen Entwicklung besteht darin, daß wir Ersatzhandlungen tätigen, um unsere Unfähigkeit zu kaschieren und unsere schlechten Gefühle zu verdrängen. So wird etwa im Schulwesen das Hauptgewicht der Planung, soweit dies für Beobachter bemerkbar wird, auf die Suche nach neuen Wegen des Unterrichts gelegt. Da hier in Zahlen faßbare Erfolge möglich sind, wird vor allem der Stoffumfang einer ständigen Reform unterworfen.

worden ist. Hier müßte ein Umdenken stattfinden. Es gilt, das Kind wieder als Chance und als Herausforderung zu sehen. Könnten wir nicht alle in vieler Hinsicht gerade von den Kindern lernen?

Wenn man mit offenen Augen durch das vorweihnachtliche Getriebe unserer Städte geht, kann man feststellen, daß nahezu ausnahmslos die Gesichter der Menschen in den Straßen, Geschäften und Verkehrsmitteln einen mürrischen, gehetzten, unzufriedenen Ausdruck haben.

Gäste aus der Dritten Welt bestätigen uns, daß die Europäer das ganze Jahr hindurch nicht anders aussehen. Wo erleben wir noch fröhliche Ausgelassenheit, ein unbeschwertes (nicht vom Alkohol umnebeltes) Lachen, wenn nicht bei unseren Kindern? Könnten wir diesbezüglich nicht von ihnen lernen?

Wie wenig spontan sind doch heute die meisten erwachsenen Menschen! Wie schwer fällt es doch gerade den Männern, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Auch diesbezüglich könnten wir einiges von unseren Kindern lernen, die mit der größten Unbefangenheit ihre Gedanken und Gefühle äußern.

Im Umgang mit meinen Kindern ist mir folgendes aufgefallen: Wie oft ist es mir doch schon passiert, daß ich aus Nervosität, unnützem Ärger oder Gedankenlosigkeit meine Kinder zu Unrecht .bestraft oder ermahnt habe. Die Kinder merken das natürlich. Sie empfinden das Unrecht. Wie schnell aber sind sie doch bereit zu verzeihen! Und wie schwer fällt uns Erwachsenen das Vergeben!

Die Liste ließe sich weiter fortsetzen. Die wenigen Beispiele zeigen aber, daß es höchste Zeit wird, daß wir unsere Kinder weit mehr als bisher wieder als Chance ansehen.

Jeder von uns kann diesbezüglich umdenken. Schließlich sind wir ja aufgerufen, „zu werden wie die Kinder“. Damit hätten wir aber auch die Gelegenheit wahrgenommen, selbst einen Beitrag zum Gelingen dieses „Jahr des Kindes“ zu leisten.

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