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Kinder-Herstellung: eine neue Sparte ?

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Nach dem Geschäft mit der Abtreibung bahnt sich eine neue Unmenschlichkeit im Umgang mit dem Leben an: ein US-Unternehmen besorgt kinderlosen Auftraggebern den erhofften Kindersegen.

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Nach dem Geschäft mit der Abtreibung bahnt sich eine neue Unmenschlichkeit im Umgang mit dem Leben an: ein US-Unternehmen besorgt kinderlosen Auftraggebern den erhofften Kindersegen.

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„Surrogate Mothering Ltd.”, Philadelphia, setzte im ersten Geschäftsjahr mehr als dreieinhalb Millionen Schilling um. Geschäftszweck ist die künstliche Befruchtung von „Ersatzmüttern” mit dem Samen von Ehemännern, deren Frau kein Kind empfangen kann. Diese Firma verrechnet wohlgemerkt keine Vermittlergebühren. Denn das wäre wahrscheinlich rechtswidrig. Aber die Klientel bezahlt beträchtliche Gebühren für professionelle Dienstleistungen der Ärzte, Psychiater und Rechtsanwälte, die sich zu dieser Firma zusammenschlössen. Umfassende

Beratung und Untersuchung sämtlicher Beteiligten kostet durchschnittlich 8.000 US-Dollar (etwa 135.000 Schilling) pro Fall.

Ersatzmütter verlangen für ihre höchstpersönliche Dienstleistung von 7.500 bis 12.000 Dollar zuzüglich Spesenvergütung. Im Durchschnitt bezahlten die zwei Dutzend Ehepaare, die bislang bedient wurden, 10.000 Dollar. Eine Frau, die ihre Gebärmutter für 20.000 Dollar vermieten wollte, fand keine Abnehmer. Die Kosten der Schwangerschaftsbetreuung und Entbindung, sowie Postpar-tumpflege, werden durch einen Versicherungsvertrag vermindert, der selbstverständlich zu Lasten des Klientenpaares abgeschlossen wird und sogar Ablebensrisiko deckt.

Kurzum, das Kind von einer fremden Frau kostet den Mann, der nur Eigenproduktion adoptieren will, etwa 20.000 Dollar (340.000 S), soviel wie ein kleiner Cadillac. Das beschränkt die umstrittene Prozedur auf einen Bruchteil des enormen Marktes. Ein Sechstel aller amerikanischen Ehepaare ist unfruchtbar. Davon wünschen sich angeblich mehrere Millionen Kinder. Adoptionsmöglichkeiten sind indessen selten geworden.

Nur 14 von 50 US-Teilstaaten verbieten das Ersatzmutter-Geschäft. Weil die wenigen auf die neue Dienstleistung spezialisierten Fachleute sich damit krumm verdienen, werden sie zweifellos viele Nachahmer finden.

Nicht Mammon, sondern Mitleid mit kinderlosen Ehepaaren motivierte den Gynäkologen Michael Birnbaum, mit Gleichgesinnten Surrogate Mothering zu gründen. Seih professioneller Beitrag zur Prozedur bedarf wohl keiner näheren Beschreibung. Dagegen scheint erwähnenswert, daß der klinische Psychologe und Familientherapeut Howard Adel-man Kandidatinnen vor allem auf die Fähigkeit testet, sich mit dem Durchschneiden der Nabelschnur vollkommen von einem Baby zu trennen, das sie neun Monate lang im Leib trugen.

Es gilt von vorneweg Bewerberinnen auszuschalten, die menschliche Bindung an ihr Baby entwickeln könnten, es nicht vertragsgetreu abliefern und vielleicht zum Kadi laufen würden.

Die kreativste Funktion erfüllen die Hausjuristen der Ersatzmutter-Firma. Diese schufen ein komplexes Vertragswerk, das herkömmliches Familienrecht vollkommen umfunktioniert. Ausgeklügelte Kautelen sollen die Kontrahenten wechselseitig gegen alle erdenklichen Schicksalsschläge und nachträgliche Willensänderung schützen.

Wenn gründliche Untersuchungen festgestellt haben, daß die Gattin tatsächlich unfruchtbar, der Gatte jedoch zeugungsfähig ist, wählt das Interessentenpaar eine der vorsichtig gesiebten Ersatzmütter aus. Dabei legt Surrogate Mothering auf strengste Diskretion wert. Die Kandidatinnen, derzeit 30, werden zwar genau beschrieben, doch wird ihre Identität geheimgehalten. Die Beschreibung umfaßt, neben medizinischen Merkmalen und Krankengeschichte, das ethnische Erbgut der Kandidatin sowie Hinweise auf ihre Religion, Hobbies und Erziehung.

Nur Absolventinnen einer Highschool werden zugelassen. Das Abitur oder Maturazeugnis gilt als Nachweis von zumindest durchschnittlicher Intelligenz. Mehr Gewicht als Psychogram-men kommt bei der Auswahl den Farbfotos zu. Die meisten Klienten bevorzugen Frauen, die der unfruchtbaren Gattin ähnlich sehen.

Das Ersatzmutterentgelt wird bei Vertragsabschluß auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Bestenfalls ein bescheidenes Handgeld entschädigt die Surrogatin für wiederholte künstliche Befruchtung. 90 Prozent der Frauen werden erst beim sechsten Versuch schwanger. Denn Aufregung verschiebt oft ihre Regel.

Zwischen der 14. und 16. Woche der Schwangerschaft nimmt Birnbaum eine Amnioskopie vor. Entdeckt diese Untersuchung genetische Schäden, so kann das

Klientenpaar, nicht aber die Ersatzmutter, Abtreibung anordnen.

Anspruch auf einen aliquoten Teil des Ersatzmutterhonorars entsteht erst nach dem ersten Semester, soferne Fehlgeburt eintritt oder die Schwangerschaft aus medizinischen Gründen abgebrochen wird. Verlangt eine Surrogatin freiwillig Abtreibung, so bekommt sie keinen Groschen.

Das Treuhandkonto wird erst aufgelöst, nachdem eine Blutuntersuchung des Neugeborenen die Vaterschaft des Auftraggebers und Samenspenders bestätigt hat und das ordentliche Adoptionsverfahren abgeschlossen ist. Falls die Auftraggeber jedoch während der Schwangerschaft versterben,

Frauenberuf mit Zukunft? sich scheiden lassen und ihren Willen ändern, verfällt das Treuhandguthaben sofort der Ersatzmutter, die ihre Frucht dann abtreiben oder auch austragen und Dritten zur Adoption anbieten darf.

Während die Rechtsanwälte Kopiin und Satzberg ihr Vertragswerk als hieb- und stichfest bezeichnen, bezweifeln andere Familienrechtler, daß die Gerichte einen Adoptionskontrakt hinsichtlich noch nicht einmal empfangener Kinder sanktionieren würden, wenn die leibliche Mut-ter-schließlich das Baby behalten will. Wahrscheinlich wäre der leibliche Vater dann unterhaltspflichtig.

Da so manche finanziell verzweifelte Frau besser fährt, wenn sie sich ein Faustpfand für Besuchsrechte hält, werden sich sicher bald Advokaten finden, die das sittenwidrige „Surrogate-Mothering”-Konzept der Zerreißprobe unterwerfen. Andernfalls droht Gebärmuttervermietung zum Frauenberuf der Zukunft zu werden.

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